Als am Donnerstag vorletzter Woche der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp tagt, kommt die brisanteste Aussage von einem, der gar nicht dabei ist. Es ist der Tag vor der Hauptversammlung (HV). Während Chefaufseher Ulrich Lehner mit seinen Kollegen den Dividendenvorschlag des Vorstands von 15 Cent je Aktie diskutiert, tickert die Nachrichtenagentur Reuters: Lars Förberg, Partner des schwedischen Finanzinvestors und Großaktionärs Cevian, lehne eine Dividende ab, sie sei „angesichts der finanziellen Lage nicht sinnvoll“. Mitarbeiter geben die Info sofort in die Sitzung, Lehner ist pikiert. Druck machen über die Medien, das gefällt dem früheren Henkel-Chef gar nicht. Cevians Vertreter im Kontrollgremium, Jens Tischendorf, erntet böse Blicke, nicht nur von Lehner.
Tags darauf in der HV hat Cevian keine Chance: Drei Viertel der Aktionäre stimmen für die Dividende, der Investor, der über gut 15 Prozent der Stimmen verfügt, hat kaum Mitstreiter gefunden. Das Anti-Cevian-Bollwerk in Essen steht. Gedankenspiele der Schweden um eine Abspaltung profitabler Bereiche stoßen auf Widerstand. „Wir haben kein Ziel, auch nicht ansatzweise, Thyssenkrupp zu zerschlagen“, sagt Vorstandschef Heinrich Hiesinger auf der HV. Bei Cevian wachse die Ernüchterung, berichten Insider. Denn der aktivistische Investor will maßgeblichen Einfluss auf die Strategie der Unternehmen gewinnen, an denen er sich beteiligt hat.
Eine Auswahl bisheriger Investitionen des Finanzinvestors Cevian
Branche: Energie, Automatisierung
Einstieg: 2015
Anteil (Prozent): >5
Ausstieg: -
Strategie: operative Verbesserung, Abspaltung mögl.
Performance: schlecht
Quelle: Unternehmensangaben , eigene Recherche
Branche: Versicherung
Einstieg: 2014
Anteil (Prozent): 13
Ausstieg: -
Strategie: Verkauf (gescheitert)
Performance: schlecht
Branche: Stahl, Technologie
Einstieg: 2013
Anteil (Prozent): 15
Ausstieg: -
Strategie: operative Verbesserung, Abspaltung
Performance: schlecht
Branche: Dienstleistungen, Bau
Einstieg: 2011
Anteil (Prozent): 26
Ausstieg: -
Strategie: operative Verbesserung, Abspaltung
Performance: schlecht
Branche: Bank
Einstieg: 2011
Anteil (Prozent): 8
Ausstieg: -
Strategie: operative Verbesserung
Performance: gut
Branche: Mischkonzern
Einstieg: 2011
Anteil (Prozent): >20
Ausstieg: teilweise 2015
Strategie: Aufspaltung, teilweise Verkauf
Performance: gut
Branche: Kräne
Einstieg: 2010
Anteil (Prozent): 10
Ausstieg: 2011
Strategie: Verkauf
Performance: gut
Branche: Versicherung
Einstieg: 2009
Anteil (Prozent): 7
Ausstieg: teilweise 2014
Strategie: operative Verbesserung, Abspaltung
Performance: gut
Branche: Automobile
Einstieg: 2008
Anteil (Prozent): <3
Ausstieg: nicht bekannt
Strategie: nicht bekannt, vermutlich Abspaltung
Performance: durchschnittlich
Branche: Versicherung
Einstieg: 2007
Anteil (Prozent): 3
Ausstieg: 2010
Strategie: operative Verbesserung
Performance: durchschnittlich
Branche: Lkw
Einstieg: 2006
Anteil (Prozent): 8
Ausstieg: –
Strategie: operative Verbesserung, Abspaltung
Performance: durchschnittlich
Branche: Telekom
Einstieg: 2006
Anteil (Prozent): 2
Ausstieg: 2009
Strategie: neue Strategie
Performance: gut
Branche: Maschinenbau
Einstieg: 2005
Anteil (Prozent): 14
Ausstieg: -
Strategie: Abspaltung
Performance: gut
Branche: Versicherung
Einstieg: 2004
Anteil (Prozent): 7
Ausstieg: 2006
Strategie: Verkauf
Performance: gut
Die Schweden sind berüchtigt dafür, dass sie Vorstände unter Druck setzen, damit diese nach ihren Vorstellungen handeln. Doch ihre Strategien sind in Deutschland nicht aufgegangen. Beim neben Thyssenkrupp zweiten großen Engagement, dem Mannheimer Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger, ist die Misere im fünften Jahr nach dem Einstieg größer denn je. Der Finanzinvestor, der zwölf Milliarden Euro Anlegergeld verwaltet, liegt mit beiden Beteiligungen addiert etwa eine halbe Milliarde Euro im Minus.
Vom Anspruch, das eingesetzte Kapital binnen drei bis fünf Jahren zu verdoppeln, ist man meilenweit entfernt. In Finanzkreisen heißt es, Cevians Geldgeber würden nervös, wollten Resultate sehen. Cevian-Kenner weisen das zurück. Doch der Investor erhöht den Druck bei seinen Beteiligungen. Obwohl die Preise für Investitionsgüterfirmen gefallen sind, drängt Cevian darauf, Bereiche abzuspalten. Kurzfristig könnte das zu Wertsteigerungen führen, langfristig aber die Unternehmen schwächen.
"Cevian hat nichts bewiesen"
Bisher hat Cevian, anders als in anderen europäischen Ländern, in Deutschland viel versprochen und wenig gehalten. „Sie haben in keinem Fall bewiesen, dass sie ein unterbewertetes Unternehmen schnell besser machen und so den Wert deutlich erhöhen können“, sagt ein hochrangiger Frankfurter Investmentbanker über Cevian. „Bilfinger haben sie nicht verstanden und keinen Wertbeitrag geliefert.“ Bei Thyssenkrupp könne sich Cevian nicht durchsetzen. Durchdachte Konzepte für eine angeblich wertsteigernde Neuausrichtung seien nicht in Sicht.
Deshalb will Cevian zu einem vermeintlichen Allheilmittel greifen: Abspaltungen. Bei Thyssenkrupp liebäugelt der ambitionierte Großinvestor nach der zunächst favorisierten Abstoßung der ertragsschwachen Stahlsparte nun damit, die Filetstücke Aufzüge oder Autozulieferung zu Geld zu machen. Bei Bilfinger gilt das Gebäudemanagement als Verkaufskandidat – die einzige Sparte, die aktuell überhaupt funktioniert. Auch beim jüngsten Investment, dem Schweizer Energie- und Automatisierungskonzern ABB, treibt Cevian die Aufspaltung voran.
Orientierung an der Qualität von Wettbewerbern
Gerade bei Bilfinger geht es offenbar nur noch darum, mit einem blauen Auge davonzukommen. Dabei standen die Chancen auf einen Turnaround ursprünglich gar nicht schlecht. In den verkrusteten Strukturen hätte Cevian ein belebendes Element sein können. Bis Cevian seinen Anteil auf 26 Prozent aufbaute, waren die Aktien breit gestreut, Eigner hatten wenig zu melden, die Aufsichtsräte entschieden nach Gutsherrenart.
Tischendorf – Cevians Mann für Deutschland, Österreich und die Schweiz – wollte „mehr Benchmarking und tiefere Analysen“, also mehr Orientierung an der Qualität von Wettbewerbern, bezeugen Insider. Wie er es in sieben Jahren bei der Beratung A.T. Kearney gelernt hatte, forderte er Kostensenkungen. Er habe Vorstandschef Roland Koch „regelrecht gegrillt“ und ihn auch zwischen Sitzungsterminen mit Fragen bombardiert. Der Expolitiker und Machtmensch Koch fühlte sich „verhört wie ein Schuljunge“, soll er Freunden anvertraut haben.
Bilfingers Kandidaten-Karussell
Wer kommt in Frage für die Übernahme der erfolgreichen Gebäudemanagement- (neudeutsch Facility-Management, kurz FM) und Bau-Sparte des erfolgslosen Bilfinger-Konzerns? Seit in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass Bilfinger-Vorstandschef Per Utnegaard doch bereit ist, sein einziges Tafelsilber zu verkaufen, wird eifrig spekuliert über die potentiellen Kauf-Kandidaten. Hier – in alphabetischer Reihenfolge - die wiwo.de- Einschätzung, wer wirklich auf dem Kandidaten-Karussell sitzen könnte und wer nicht.
Der spanische Baukonzern hat das Gebäudemanagement seiner feindlich übernommenen deutschen Tochter Hochtief vor zweieinhalb Jahren an die französische Spie-Gruppe verkauft. Würde sich ACS-Großaktionär Florentino Perez nun bei Bilfinger zum Höchstpreis wieder in dasselbe Geschäft einkaufen? Kaum zu glauben. Es wäre eine Eigentor, das dem Unternehmer und Präsidenten von Real Madrid kaum zuzutrauen ist. Übernahme-Chance: fast null.
CBRE ist das weltweit größte Dienstleistungsunternehmen auf dem gewerblichen Immobilienmarkt. Der kalifornische Makler-Gigant mit 9 Milliarden Umsatz setzt aber lieber auf margenstarke Beratung als auf Arbeit im Blaumann. „Die geben Gebäudemanagementaufträge nach unten weiter und quetschen Unternehmen wie Bilfinger dabei aus“, beschreibt ein Branchenkenner das Geschäftsmodell von CBRE. Warum sollte der FM-Markt CBRE plötzlich reizen, fragt er rhetorisch. Übernahme-Chance: gering.
Hinter dem Schweizer Anlagenbau- und Gebäudemanagement-Unternehmen steht die französische GDF Suez-Gruppe, die seit vergangenem Jahr Engie SA heißt. Für den Energie-Giganten mit 75 Milliarden Umsatz wäre der Milliarden-Kauf in Deutschland ein Klacks. Dagegen spricht: Eigentlich will Engie wegen der gesunkenen Öl- und Gaspreise seine Investitionen zwar deutlich zurückschrauben. Dafür spricht: Eine Investition in das solide FM-Geschäft würde gerade deshalb gut passen.
Wiederum gegen den Milliardenkauf spricht, dass die französische Unternehmenskultur weniger Freiräume bietet als sie der starke Bilfinger-FM-Chef Otto Kajetan Weixler gewohnt ist. Übernahme-Chance: man soll nie nie sagen.
Das Unternehmen ist besser bekannt als Jones Lang La Salle und wie CBRE einer der ganz großen Immobilienmakler und –dienstleister weltweit. Auch für JLL mit seinen rund fünf Milliarden Euro Umsatz ist zu bezweifeln, dass das Unternehmen seine Fertigungstiefe durch die reine Ausführung von Gebäudemanagment-Arbeiten durch die Bilfinger-Sparte so weit vergrößern will. Allenfalls kleine Teile von Bilfinger-FM und -Bau wären nach dem bisherigen Geschäftsmodell für die Amerikaner interessant. Übernahme-Chance: gering.
Die Londoner Dependance der US-Heuschrecke war wohl unter den ersten, die im vergangenen Jahr in Mannheim anklopften. Dass die Profi-Investoren wirklich bereit sein könnten, eine Milliarde Euro für den FM- und Baubereich zu zahlen, mochte Utnegaard angeblich zunächst kaum glauben. Ist offenbar aber so. Neben KKR gibt es wohl weitere Bieter aus der Private-Equity-Branche, die dringend gute Anlageziele sucht. Übernahme-Chance: der Top-Kandidat.
Die Milliarde Euro als Kaufpreis ist viel für den österreichischen Bauriesen, der unter dem Preiskampf in der europäischen Baubranche gelitten hat. Ein Insider sagt der WiWo: „Da hebt sich die Strabag einen Bruch“. Zudem: Die Wiener würden eine sehr homogene und selbstbewusste Sparte übernehmen, die sich nicht so einfach wie andere typische Strabag-Erwerbungen in die unter dem Deutschen Thomas Birtel agierende österreichische Gruppe integrieren ließe. Übernahme-Chance: unwahrscheinlich.
Siehe die Cofely-Einschätzung: Geld ohne Ende hat auch der französische Baukonzern. Das Häppchen Bilfinger wäre für den größten Baukonzern Europas kein Problem. Dagegen steht einzig die Frage, ob Vinci den FM-Chef Otto Kajetan Weixler, der schon unter Holzmann diesen Bereich führte und ihn aus der Holzmann-Pleite zu Bilfinger rettete, sich auf ein Arbeiten unter französischer Regie einließe. Die Bilfinger-Gebäudeprofis aber ohne ihren Kopf Weixler zu übernehmen, wäre eine Schwächung des Investments und schürte sicher auch Skepsis in der insgesamt 22 000 Mann starken Bilfinger-Sparte. Übernahme-Chance: nicht auszuschließen.
Für die Gebäudemanagement-Tochter des Familien-Unternehmens Wisser aus Frankfurt/Main ist der Bilfinger-Brocken einfach eine Nummer zu groß und die Euro-Milliarde Kaufpreis kaum zu finanzieren? Übernahme-Chance: minimal.
Angetrieben von Tischendorf, ließ Koch die Beratung Boston Consulting alles auf den Kopf stellen, initiierte atemlos Umbau- und Restrukturierungsprogramme. Untätig war Tischendorf also keineswegs – erfolgreich aber dennoch nicht. Der damalige Chefkontrolleur Bernhard Walter unterband viel Kritik an Koch, den er selbst geholt hatte. Die alte Seilschaft führte Tischendorf regelrecht vor, berichtet ein Augenzeuge. So habe der Cevian-Statthalter 2013 in einer Aufsichtsratssitzung Analysen zu Bilfinger präsentieren wollen. Walter ließ ihn nicht. Tischendorf habe seine Analysen und Vorschläge nur inoffiziell nach Ende der Sitzung präsentieren dürfen.
Inzwischen sind die gut 640 Millionen Euro, die Cevian für die Beteiligung ausgab, auf rund 450 Millionen Euro Wert geschrumpft. Exvorstand Klaus Raps lastet den Kurssturz auch dem Cevian-Mann an: „Herr Tischendorf ging fehl, als er glaubte, man könne Bilfinger über betriebswirtschaftliche Kennzahlen optimieren, ohne das eigentliche Geschäft richtig zu verstehen.“ Koch und sein Antreiber versäumten, die Kraftwerkssparte gegen die Folgen der Energiewende abzusichern. Eine Serie von bis heute sechs Gewinnwarnungen nahm ihren Lauf.
Zweifel an Tischendorf
Cevian vertraut bei Bilfinger nicht mehr auf Tischendorf allein. 2015 setzte der Investor dem smarten 42-Jährigen den kantigen Eckhard Cordes, 65, als Aufsichtsratschef vor die Nase. Der frühere Daimler-, Metro- und Haniel-Manager ist Partner bei Cevian und sitzt im Verwaltungsrat des Lkw-Bauers Volvo, einer weiteren Cevian-Beteiligung.
Bei Bilfinger dreht Cordes nun einige Maßnahmen der Koch-Ära zurück. Doch das im Oktober vorgestellte Konzept des von Cordes geholten neuen Chefs Per Utnegaard ist schon wieder Makulatur. Utnegaard hatte im Gebäudemanagement eine zentrale Säule seiner künftigen Strategie gesehen. Auch der Betriebsratsvorsitzende und Vize-Aufsichtsratschef Stephan Brückner stellt sich gegen den von Cevian plötzlich forcierten Verkauf der Sparte. Im neuen Aufsichtsrat gibt es offenbar noch mehr Streit. „Zwischen Cordes und Tischendorf knirscht es, die sind sich nicht grün“, berichtet ein Bilfinger-Insider. Cevian-Kenner dementieren, dass es zwischen den beiden Probleme gebe.
300 Millionen Euro Minus bei Thyssen
Nicht nur in Mannheim hat Cevian sich verkalkuliert. Bei Thyssenkrupp haben die Schweden ihre Beteiligung seit 2013 bei Kursen zwischen 17 und knapp 20 Euro aufgebaut, rund 1,5 Milliarden Euro zahlten sie. Der Kurs dümpelt bei 14 Euro, das Cevian-Paket ist unter 1,2 Milliarden Euro wert – weit entfernt vom Ziel, in etwa fünf Jahren die investierte Summe zu verdoppeln.
Wie die Schweden dem näher kommen wollen, darüber rätselt man bei Thyssenkrupp. Aus Cevian-Sicht sind die sechs Bereiche einzeln mehr wert als das Ganze. Neben einem Verkauf von Sparten kämen auch ein Teilbörsengang oder die Einbringung in Joint Ventures in Betracht.
Cevian fährt einen Schlingerkurs
Bei Thyssenkrupp aber vermag kaum jemand die Logik hinter den Planspielen zu erkennen. „Widersprüchlich“ seien die Vorschläge von Cevian, heißt es. Der Investor wolle sich langfristig engagieren, stelle aber die Aufzugsparte, den größten und stabilsten Cash-Bringer, zur Disposition. „Woher soll dann die Kraft für Wachstum kommen“, fragen sich viele in Essen. Mancher glaubt, dass Cevian einen Schlingerkurs fährt, weil der Investor unter Druck stehe. „Der Druck ist groß“, sagt ein Investmentbanker. „Die Investoren wollen Resultate sehen.“
Welche Kennzahlen ThyssenKrupp-Chef Hiesinger verbessern will
Zielgröße: Umsatzrendite (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 4,3 Prozent
Ziel: 6-8 Prozent
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Umsatzrendite (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 10,5 Prozent
Ziel: 15 Prozent
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Umsatz
aktuell*: 6 Mrd. Euro
Ziel: 8 Mrd. Euro
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Umsatzrendite (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 1,6 Prozent
Ziel: 3-4 Prozent
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Gewinn (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 200 Mio. Euro
Ziel: 500 Mio. Euro, Kosten einsparen
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Cevian kommentiert die Einschätzung auf Anfrage nicht. In der Vergangenheit wiesen die Schweden mehrfach darauf hin, dass man ihr Gesamtportfolio betrachten müsse und die deutschen Investments nur einen geringen Teil ausmachten. Mit gut zwei Milliarden hat Cevian aber immerhin ein Sechstel des verwalteten Vermögens hier investiert. Der schlechte Lauf im Deutschlandgeschäft ramponiert den Ruf von Cevian, ein goldenes Händchen zu haben.
Keine strategische Weiterentwicklung
Der basierte hierzulande auf dem Engagement beim Düsseldorfer Kranhersteller Demag Cranes. Dort war Cevian 2010 eingestiegen und verdoppelte sein Engagement von rund 50 Millionen Euro binnen eines Jahres durch Weiterverkauf an den amerikanischen Demag-Konkurrenten Terex. Strategisch weiterentwickelt, wie es dem eigenen Anspruch entspricht, hat Cevian Demag nicht. „Sie konnten sich ins gemachte Nest setzen“, sagt einer, der damals dabei war, „die Drecksarbeit hatten andere schon gemacht.“ Gemeint ist Finanzinvestor Kohlberg, Kravis & Roberts (KKR), der Demag hart saniert hatte.
Ähnlich unauffällig blieben die Schweden in Deutschland bei der Münchener Rück (heute Munich Re) und Daimler. Am Rückversicherer beteiligte sich Cevian mit rund drei Prozent und setzte sich für eine Abspaltung der Erstversicherungstochter Ergo ein – ohne Erfolg. 2010 verabschiedete sich Cevian. Bei Daimler blieb das Engagement unter der Meldeschwelle von drei Prozent. Sichtbare Spuren, wie die angeblich angedachte Abspaltung der Lkw-Sparte, hat Cevian nicht hinterlassen. Beide Investments fuhren keine Rendite ein, die den Schweden und ihren Anlegern genügen könnte.
Zu Cevians Geldgebern zählen Pensionsfonds wie Canada Pension Plan, Swedish AP1 und die Fonds zahlreicher US-Bundesstaaten, aber auch der aggressive amerikanische Investor Carl Icahn. Er setzte kürzlich die Abspaltung des Bezahldienstes PayPal vom Onlineauktionshaus Ebay durch.
Rechtlich problematische Rolle
Während aktivistische Investoren in den USA weit verbreitet sind, ist Cevian in Europa Pionier. „Das ist ein Lackmustest“, sagt ein Banker. Dabei kann Cevians Rolle juristisch problematisch werden. „Vertreter von Investoren im Aufsichtsrat müssen im Interesse des Unternehmens handeln, sonst drohen Haftungsrisiken“, sagt Thomas Meurer von der Kanzlei Hengeler Mueller in Düsseldorf. Das Interesse des Unternehmens besteht nicht nur in der Wertsteigerung, Belange von Arbeitnehmern und Kunden zählen ebenso dazu. Zudem müssen sich Aufsichtsräte an Verschwiegenheitspflichten und Insiderregeln halten. In diesem engen Korsett muss Cevian in Deutschland die Wende schaffen.
International dagegen löst Cevian sein Versprechen ein. Investoren durften sich 2015 über die Nachricht freuen, dass das Gesamtportfolio seit 2006 eine Rendite von 160 Prozent erreicht hat. Gut fuhr Cevian mit seiner Zerschlagungsstrategie etwa bei dem britischen Mischkonzern Cookson, der sich nach dem Einstieg von Cevian ab 2011 in die zwei Teile Vesuvius und Alent aufspaltete. Lag der Aktienkurs vor der Aufspaltung bei 300 Pence, hat sich Alent mit rund 500 Pence stark verbessert. Cevian hat sein Alent-Paket von knapp 22 Prozent an Platform Specialty aus den USA veräußert und für sein Investment eine Prämie von 30 bis 40 Prozent eingestrichen. An Vesuvius hält Cevian weiter rund 20 Prozent.
Erstaunlich langer Atem
Auch bei weiteren britischen Beteiligungen wie dem Versicherer Old Mutual und dem Baumaterialhersteller Wolesley gelang Cevian die angestrebte Verdopplung des Investments. Beim angeschlagenen Versicherer RSA stieg Cevian 2014 ein und ist mit rund 13 Prozent größter Einzelaktionär. Nach einer Kapitalerhöhung, strengem Sparkurs und Verkäufen hat RSA 2015 wieder Gewinne erwirtschaftet.
Daimler im Energiegeschäft
Die 100-prozentige Daimler-Tochter Accumotive entwickelt, produziert und vertreibt Antriebsbatterien für Hybrid- und Elektrofahrzeuge, sowie für stationäre Anwendungen die Mercedes-Benz Energiespeicher. Beides geschieht auf Basis der Lithium-Ionen-Technologie. Das Unternehmen beschäftigt rund 420 Mitarbeiter – 300 im sächsischen Kamenz , 120 in Nabern, Großraum Stuttgart. In Kamenz wird die Produktion derzeit ausgebaut. Die Daimler AG investiert in den nächsten Jahren rund 100 Millionen Euro. Seit Produktionsstart im Jahr 2011 hat sich die Produktionsfläche vervierfacht.
Die Daimler Tochter Accumotive und die Stadtwerke Hannover (enercity) bauen einen 15 Megawatt-Stunden starken Batteriespeicher auf. Ende des Jahres soll er ans Netz. Der Speicher dient dem Ausgleich von Spannungsschwankungen im Übertragungsnetz (Primärenergieregelmarkt). Für das zur Verfügungstellen erhalten die Partner vom Übertragungsnetzbetreiber (Tennet) ein Entgelt. Gleichzeitig aber nutzt Daimler den Speicher als Ersatzteillager. Sollte ein E-Smart-Fahrer z.B. in Folge eines Unfalls eine neue Batterie benötigen, stammt sie aus dem Speicher in Hannover. Da Batterien ständig genutzt werden müssen, um sich nicht zu entladen, sieht Daimler in der Kooperation mit den Stadtwerken Hannover eine Win-Win-Situation. Accumotive und enercity investieren je 6 Millionen Euro in den Aufbau des Speichers. Die Halle wird 2400 Quadratmeter groß sein und 480 Elektronikschränke mit je drei Batterieblöcken enthalten. Insgesamt befinden damit Lithium-Ionen-Akkus mit einem Gewicht von 150 Tonnen in der Halle.
In Lünen entsteht in Kooperation mit dem Recyclingunternehmen Remondis, dem Energiedienstleister Mobility House und Getec ein 13-MW-Speicher mit gebrauchten Batterien aus verschiedenen Mercedes-Modellen.
Gemeinsam mit dem baden-württembergischen Energieversorger EnBW vertreibt Daimler seit Herbst 2015 eine Speicherlösung inklusive eines von EnBW entwickelten Energiemanagement für Eigenheimbesitzer.
Mit etwas Glück hätte RSA sich wie Demag Cranes als Goldgrube für Cevian erweisen können: Im Herbst 2015 erwog der Schweizer Versicherer Zurich eine Übernahme. Hohe eigene Verluste im Chinageschäft veranlassten die Zurich schließlich zum Rückzug – Pech für den schwedischen Investor.
In Deutschland ist es weniger solches Pech als eigenes Unvermögen, das Cevian derzeit Unannehmlichkeiten bereitet. Die Beispiele aus dem Ausland zeigen aber auch, dass Cevian mitunter erstaunlich langen Atem hat. So sind die Schweden 2005 beim finnischen Maschinenbauer Metso eingestiegen. Neun Jahre passierte wenig, dann spaltete der Konzern die Sparte Papiertechnologie ab – ganz, wie Cevian es von Beginn an gefordert hatte. Eine Marathon-Leistung, die man besonders bei Thyssenkrupp in Essen im Sinn behalten sollte.