Der jüngste Brückenkopf in Deutschland durch einen amerikanischen IT-Konzern steht unmittelbar bevor: Der amerikanische Internetgigant Google will hierzulande ein eigenes Rechenzentrum für Cloud-Dienste aufbauen. Gemeinsam mit Equinix, einem in den USA börsennotierten Betreiber von Rechenzentren, hat der Internet-Riese dafür den Standort Frankfurt ins Visier genommen, wie die „WirtschaftsWoche“ Anfang Juli aus Branchenkreisen erfuhr.
Damit ist Google der vorerst letzte Vertreter eines Trends, der sich seit gut zwei Jahren im deutschen IT-Markt zeigt: Seit den Enthüllungen über den US-Geheimdienst NSA durch Edward Snowden im Jahr 2013 haben die amerikanischen IT-Anbieter auf die Datenschutzbedenken deutscher Kunden reagiert.
Weil beim Cloud Computing die Software auf den Rechnern des IT-Anbieters läuft und Nutzer darauf per Internet zugreifen, legen viele Kunden auf Rechenzentren und Datenspeicherung in Deutschland wert. „Die großen Vier Amazon, Microsoft, Google und IBM nutzen die deutsche Cloud als operatives und strategisches Marketing-Instrument, um jetzt den hiesigen Markt zu gewinnen“, sagt Axel Oppermann, Gründer und Chef des IT-Marktbeobachters Avispador in Kassel.
Vor- und Nachteile von Cloud Computing
Wer all seine Informationen in einer Cloud speichert, ist vom Anbieter abhängig. Sollte der sich möglicherweise nur unzureichend um seine Kunden kümmern, ist ein Wechsel zu einem anderen Anbieter meist schwierig, da die Datenmengen groß sind. Ein weiteres Problem: Für den Fall, das ein Anbieter pleite geht, gibt es keine klaren Regelungen. Erst wenn es Standards gibt, die einen Anbieterwechsel ermöglichen, sinkt die Abhängigkeit.
Dienstleister, die Clouds anbieten, beschäftigen sich in der Regel intensiv mit dem Thema Datenschutz. Allerdings sind große Datenmengen auch immer ein attraktives Ziel für Hacker. Die Auslagerung der eigenen Daten in eine Cloud bedeutet somit auch immer einen Kontrollverlust.
Die Menge des Speicherplatzes im Netz kann flexibel angepasst werden. Benötigt man mehr Speicherplatz, kann man einfach die angemieteten Kapazitäten erhöhen, anstatt sich teure Hardware kaufen zu müssen.
Der Administrationsaufwand sinkt, wenn man eine Cloud benutzt. Da die Installation auf dem eigenen Computer entfällt und auch Updates von den Cloud-Anbietern durchgeführt werden, kommt es hier zu einer großen Zeitersparnis.
Wer mit einer Cloud arbeitet, kann flexibel auf Daten zugreifen. Dabei spiel der Ort keine Rolle. Sowohl von Smartphones, als auch von Tablets und Computern aus können die Informationen abgerufen werden.
Allein bei Google dürften nach Schätzung von Brancheninsidern für Aufbau und Betrieb eines eigenen Rechenzentrums in Deutschland in den ersten zwei bis drei Jahren Investitionen im hohen zweistelligen bis mittleren dreistelligen Millionenbereich anfallen.
Google hat bewiesen, dass sich Investitionen rechnen
Dass sich solche Investitionen jedoch rechnen, hat Google höchstselbst erst Ende Juli bei der Vorlage seiner Zahlen für das zweite Quartal 2016 bewiesen: So kletterte der zwischen April und Juni unter „Sonstige“ verbuchte Umsatz verglichen zum Vorjahr um ein sattes Drittel auf knapp 2,2 Milliarden Dollar. Laut Finanzchefin Ruth Porat entfällt der Großteil davon auf Apps und Cloud Computing für Unternehmen.
Glaubt man den Schätzungen von Analysten, steht der ganz große Drang von Anwendern und Anbietern in die Internet-Wolke ohnehin noch bevor: Laut Ende Juli veröffentlichter Prognose des IT-Marktforschers Gartner sollen sich die Investitionen für Cloud-Hardware und -Software bis zum Jahr 2020 auf IT-Ausgaben von mehr als einer Billion Dollar summieren.
Um für diese Welle gerüstet zu sein, stecken die US-Riesen daher jetzt ihre Claims ab. Beispiel Amazon: Amazon Web Services (AWS), die Cloud-Sparte des US-Internet-Riesen, boomt in Deutschland – und wächst weiter stark: Allein bis Ende 2016 will AWS hierzulande 130 neue Mitarbeiter einzustellen, um die geschäftliche Expansion weiter voranzutreiben, wie die „WirtschaftsWoche“ Ende Mai berichtete.
Frankfurt erfüllt wichtige Infrastruktur-Voraussetzungen
Amazon hatte bereits Ende 2014 als einer der ersten US-Anbieter ein eigenes Cloud-Rechenzentrum in Frankfurt eröffnet. Inzwischen zählen Unternehmen wie der Berliner Musik-Streaming-Dienst SoundCloud, der Reinigungsgerätehersteller Kärcher, der Pharmariese Bayer und der Medienkonzern Axel Springer zu den Kunden. Laut AWS ist die Region Frankfurt die am schnellsten wachsende internationale Region in der Amazon-Geschichte.
Eine spezielle Strategie im deutschen Cloud-Markt verfolgt der Softwareriese Microsoft: Die Amerikaner sind eine Partnerschaft mit T-Systems, der IT-Tochter der Deutschen Telekom eingegangen. Die tritt als Treuhänderin der Daten auf, die Unternehmen im Cloud-Computing-Geschäft mit Microsoft außer Haus geben.
Das komplizierte Konstrukt mit der Telekom soll gewährleisten, dass keine Daten das Land verlassen. „Die Daten von Microsoft-Kunden verbleiben in Deutschland und werden ausschließlich von T-Systems verarbeitet werden. Microsoft hat keinerlei Zugriff auf die Daten“, so Anette Bronder, Geschäftsführerin Digital Division von T-Systems, gegenüber der „WirtschaftsWoche“. Microsoft selber nennt sein Angebot „Microsoft Deutschland Cloud“ und will in der zweiten Jahreshälfte starten.
Deutlich weiter ist da Microsoft-Rivale Oracle. Der amerikanische Hard- und Software-Anbieter hat sogar zwei deutsche Cloud-Rechenzentren in Deutschland gebaut, in Frankfurt und in München.
Geografische Nähe zum kontinentaleuropäischen Internetknoten
Die Investitionen von Google, Amazon und Oracle in der hessischen Finanzmetropole weisen zudem auf einen weiteren Trend hin: „Frankfurt wird ein wesentliches - wenn nicht sogar das wesentliche - Cloud-Zentrum in Kerneuropa“, sagt IT-Beobachter Oppermann. Dies liegt zum einen an der geografischen Nähe zum kontinentaleuropäischen Internetknoten in Frankfurt – eine wichtige Infrastruktur-Voraussetzung für eine möglichst optimale Anbindung eines Cloud-Rechenzentrums.
Der andere Grund sind die vielen Banken und Finanzdienstleister in der Region, die in Sachen Cloud und IT-Outsourcing oftmals Vorreiter sind – und für viele IT-Anbieter attraktive Kunden darstellen.
Aus beiden Gründen dürften die großen Vier am Standort Frankfurt nicht lange allein bleiben. Oppermann: „Innerhalb der kommenden zwölf Monate wird die Top Ten der amerikanischen Cloud-Anbieter, darunter auch die zweite Reihe wie etwa Rackspace oder CA, massiv in Frankfurt investieren.“