Mittelstand Die unbekannten Krisengewinner

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Hans Fechner vom Familienunternehmen Siemelkamp Quelle: Frank Reinhold für WirtschaftsWoche

Damit wirkt die Rezession für die Nischenplayer wie ein Darwin’scher Auslesemechanismus – die Großen fressen die Kleinen und/oder werden noch größer. „Zwar geht es so gut wie allen Unternehmen in der Krise schlechter, auch den starken Spielern“, sagt Venohr, „doch Krisen unterstützen die Neuaufteilung der Märkte zugunsten der Starken.“

Die Hidden Champions wären nicht in der Lage, die Auftragseinbrüche und Krisen wie die jetzige zu ihrem Vorteil zu nutzen, würden sie nicht etwas anders wirtschaften als so mancher ihrer Konkurrenten. Wie, das hängt stark vom Einzelfall ab. Es gibt aber gemeinsame Erfolgsfaktoren. An erster Stelle steht die Konzentration auf die eigene Finanzkraft. Während Konzerne wie Daimler noch kurz vor der Krise das Füllhorn für ihre Aktionäre ausschütteten und nun schütter durch die Flaute steuern, ließen die meist mittelständischen Nischenstars in den zurückliegenden guten Jahren die Gewinne vielfach im Unternehmen. „Die Weltmarktführer konnten in den vergangenen Jahren – stärker noch als andere Unternehmen – ihre Kriegskassen füllen und sind jetzt in der Lage, antizyklisch vorzugehen“, sagt Venohr.

So hat sich die Eigenkapitalquote größerer Mittelständler seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt. Mehr als die Hälfte der Unternehmen mit Umsätzen zwischen einer und 50 Millionen Euro konnte im Startjahr der Krise 2007 mit einer Eigenkapitalquote von 17,6 Prozent oder mehr aufwarten, so der Deutsche Sparkassen- und Giroverband. Vor neun Jahren lag der Wert bei nur 7,4 Prozent. Und der Anteil der Bankverbindlichkeiten an der Bilanzsumme sank seitdem von fast 40 Prozent auf rund 25 Prozent.

Mittelständische Weltmarktführer trotzen der Krise

„Die Weltmarktführer im Mittelstand dürften noch deutlich besser liegen“, sagt Venohr. Das ermöglicht ihnen, Absatzflauten lange durchzustehen und gleichzeitig Wettbewerber zu übernehmen, ohne auf die gegenwärtig argwöhnischen Banken angewiesen zu sein. Eine Studie des Unternehmensberaters Munich Strategy Group bestätigt das. Die Münchner kamen zu dem Ergebnis, dass 71 Prozent der Mittelständler während der vergangenen vier Jahre um mehr als fünf Prozent jährlich gewachsen sind. Etwa 40 Prozent des deutschen Mittelstandes verfügen laut Studie über eine hohe Krisenfestigkeit. „Diese Unternehmen sind renditestark, haben klare Wettbewerbsvorteile und gehören in ihren Segmenten zu den Marktführern“, sagt Studienautor Sebastian Theopold.

Dabei kommt den Starken zugute, dass sie in der Krise die Schwachen preiswert übernehmen können. Ein Beispiel ist Indus in Bergisch Gladbach bei Köln. Die Mittelstandsholding ist zwar kein Familienbetrieb, agiert aber so. Die Rheinländer mit ihren 41 Firmen und 928 Millionen Euro Jahresumsatz (2008) kaufen kleinere Unternehmen auf, entwickeln sie und halten sie – anders als klassische Finanzin-vestoren – langfristig. Unter dem Holdingdach arbeiten auch einige Hidden Champions.

Typisch ist für Indus, dass sich das Unternehmen während der Boomjahre, als viele Investoren in aller Welt mit großem Getöse Betriebe kauften, ohne sich um die überhöhten Preise zu kümmern, bewusst zurückhielt. Umso mehr gehen die Rheinländer jetzt auf die Jagd. „In den kommenden Monaten werden wir die günstigen Preise auf dem Firmenmarkt gezielt nutzen“, sagt Indus-Vorstandschef Helmut Ruwisch, „jetzt passen die Preise wieder zu einer Unternehmensstrategie mit langfristiger Perspektive.“ Einen Hieb auf die hippen Investoren aus der Finanzszene kann sich Ruwisch nicht verkneifen: „Wir haben nicht so schicke Partys, leben aber länger.“

Selbst der Reeder und Lebensmittelmogul August Oetker verkündete am vergangenen Dienstag in Bielefeld, er wolle, getroffen von der Krise des Welthandels und der Containerschifffahrt, „liquiditätsbelastende Projekte zurückstellen“ – sprich: wo möglich, Investitionen herunterschrauben. Mittelständische Weltmarktführer agieren ganz anders. Die WirtschaftsWoche hat einigen von ihnen über die Schulter gesehen, um zu erfahren, wie sie – oft in Familienhand – die jetzige Krise konkret nutzen, um ihre Marktposition zu stärken. Herausgekommen sind Kurzaufnahmen von Unternehmern und Managern, die im Absturz die Chance zum Senkrechtstart sehen – und diese beherzt ergreifen.

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