Elternzeit Die Babypause wird zur Karrierefalle

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Verheimlichung der Schwangerschaft als letzter Ausweg

Weil er aber auf einen Kita-Platz für seinen Sohn warten musste, blieb der Designer länger als zwei Monate zu Hause. Und verlor daraufhin seinen Job. Astrid Bendiks kennt solche Fälle zur Genüge – die selbstständige Arbeitsrechtlerin aus München hatte schon häufig mit Klientinnen zu tun, die nach der Babypause mit Problemen im Job zu kämpfen hatten. Deshalb beschloss Bendiks, bei ihrer eigenen Schwangerschaft auf Nummer sicher zu gehen – und verheimlichte sie.

„Viele Mandanten denken, dass man mit einem Kind nicht mehr genügend Zeit für ihre Belange hat und wesentlich weniger arbeitet“, sagt Bendiks. Um die Abwanderung wichtiger Mandanten zu vermeiden, hüllte sich Bendiks sechs Monate lang nur noch in sackähnliche Kleidung. Als ihr Schwangerschaftsbauch irgendwann trotzdem nicht mehr zu übersehen war, nahm sie keine Gerichtstermine mehr an. Kurz vor der Geburt verabschiedete sie sich offiziell bei ihren Mandanten in einen dreiwöchigen Urlaub, nach der Geburt wimmelte sie Anfragen ab mit der Begründung, dass sie momentan zu viel zu tun habe. Ein halbes Jahr später beendete sie ihre Babypause und begann, wieder Vollzeit zu arbeiten.

Warum die Deutschen keine Kinder wollen
KostenVon der Spielpuppe bis zum Studium - Kinder kosten viel Geld. Diese finanzielle Belastung schreckt viele Deutsche vom Kinderkriegen ab. Das hat eine Umfrage der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen ergeben. Demnach glauben 67 Prozent der Befragten, dass das Geld viele von der Familiengründung abhält. Der Wert habe sich besorgniserregend erhöht, 2011 seien es lediglich 58 Prozent gewesen, sagte der wissenschaftliche Leiter der Stiftung, Professor Ulrich Reinhardt. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes geben Familien rund 550 Euro im Monat für ein Kind aus. Quelle: AP
Freiheit und Unabhängigkeit Am Wochenende feiern gehen, Freunde treffen, reisen: Die Deutschen wollen nach Ansicht von 60 Prozent der Befragten ihre Freiheit und Unabhängigkeit nicht für ein Kind aufgeben. Da scheinen auch finanzielle Anreize durch den Staat kein Argument zu sein. Eine Frau in Deutschland bekommt im Schnitt 1,36 Kinder, im EU-Durchschnitt sind es 1,57. Für die Untersuchung wurden 2.000 Personen ab 14 Jahren gefragt, warum so viele Deutsche keine Familie gründen. 
KarriereEin Karriereknick ist für 57 Prozent das Totschlagargument gegen Kinder. Auch wenn die Politik um flexible Arbeitsmodelle, einen leichteren Wiedereinstieg in den Job und Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen kämpft, so wollen die Deutschen ihren Job nicht für Nachwuchs in der Familie gefährden.
Auch die Meinung, Karriere lasse sich nur schlecht mit Familie vereinbaren, wurde öfter angegeben als noch vor zwei Jahren (54 statt 48 Prozent). Gefordert sind, so heißt es im Fazit der Studie, sowohl die Politiker, die Rahmenbedingungen zu stellen, als auch die Unternehmen, endlich flächendeckend mit der Möglichkeit einer Karriere mit Kind ernst zu machen. „Die Unsicherheit, ja fast schon Angst vor der Familiengründung hält bei vielen Bundesbürgern an“, resümiert Stiftungsleiter Reinhardt. Quelle: dpa
Staatliche Unterstützung Auch wenn es ab dem 1. August einen Rechtsanspruch für unter Dreijährige auf einen Kita-Platz gibt - den Deutschen reicht dies längst nicht aus. 45 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass der Staat immer noch zu wenig tut, um die Geburtenrate in Deutschland zu steigern. Das Argument sei im Westen deutlich öfter zu hören gewesen als im Osten, teilte die Stiftung mit. Der Wert blieb in den vergangenen zwei Jahren unverändert.  Quelle: dpa
Unsichere ZukunftWirtschaftskrise, Klimawandel, Demografie: 39 Prozent der Befragten denken, dass eine unsichere Zukunft der Grund ist, warum sich viele Deutsche gegen ein Kind entscheiden. Der Stiftung zufolge hat das Argument jedoch deutlich an Bedeutung verloren (−7 Prozentpunkte).   Quelle: dpa
Der richtige PartnerManchmal ist es auch ganz simpel, warum kein Nachwuchs geplant ist - es fehlt einfach der richtige Partner. Für 39 Prozent der Befragten sei dies der Grund, warum die Deutschen so wenig Kinder kriegen. Seit zwanzig Jahren nimmt die Anzahl der Single-Haushalte in Deutschland zu, besonders Singles im Alter zwischen 30 und 59 Jahren leben immer öfter allein. Fast ein Drittel der deutschen Singles ist mit dem Alleinsein unzufrieden und wünscht sich einen Partner. Quelle: dpa

Viele Frauen tappen in die Teilzeitfalle

„Wer mit 30 Stunden oder mehr wieder einsteigt, gefährdet seine Karriere weniger“, bestätigt Karriere-Expertin Hofert. „Beruflich wird es immer dann problematisch, wenn Frauen in die Teilzeitfalle tappen.“

Genau das aber – das beweist der Blick auf die Zahlen – tun viele Frauen: Im vergangenen Jahr waren laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) elf Millionen Frauen teilzeitbeschäftigt, doppelt so viele wie 1991. Die Zahl der beschäftigten Frauen stieg demnach um 21 Prozent, das von ihnen geleistete Arbeitsvolumen aber nur um vier Prozent – ein Karrierekiller.

Denn trotz E-Mail, Telefon und Skype, die für viel mehr Flexibilität im Job sorgen, haben es die meisten Arbeitgeber immer noch am liebsten, wenn sie ihre Schäfchen tagtäglich im Büro beobachten können. Zwar bietet laut einer Studie, die das Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universitäten Bamberg und Frankfurt zusammen mit dem Karriereportal Monster veröffentlichte, fast die Hälfte aller befragten Unternehmen Home Office an. Doch laut Statistischem Bundesamt haben 2012 nur knapp acht Prozent der Deutschen manchmal oder hauptsächlich von zu Hause aus gearbeitet.

Karriere ist nur mit Vollzeit möglich

Aller Teilzeit- und Jobsharing-Modelle auch für Führungspositionen zum Trotz: „In Deutschland ist die klassische Kaminkarriere immer noch mit Anwesenheit verbunden – also in Vollzeit vom Büro aus oder gar nicht“, sagt Experte Stefan Becker.

Laut einer Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half bieten gerade einmal 15 Prozent der deutschen Unternehmen ihren Mitarbeitern an, sich mit Kollegen eine Position zu teilen. Im europäischen Vergleich belegt die Bundesrepublik damit den letzten Platz.

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