Anlegeralphabet Börse - über Mythen, Missverständnisse und Perfektion

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Warum gibt es keine digitale Weltbörse?


In jedem Land gelten daher Börsengesetze, deren Einhaltung durch staatliche Aufsichtsbehörden überwacht wird. Deshalb spricht man auch vom amtlichen Handel. Börsengesetze und Börsenaufsicht sind keine behördliche Schikane für freie Märkte. Im Gegenteil. Verbindliche Regeln sorgen erst dafür, dass an Börsen die Transparenz herrscht, die sie zu freien Märkten machen sollen.

Beispiel dafür ist das Verbot des Insiderhandels. Solche Verbote sollen verhindern, dass Mitarbeiter oder Manager ihren Wissensvorsprung über interne Vorgänge und die Lage des Unternehmens missbrauchen, um sich mit privaten Käufen oder Verkäufen die Taschen voll zu machen. Auch Kleinanleger und Minderheitsaktionäre genießen besonderen Schutz durch den Gesetzgeber. Gesetze und Aufsichtsbehörden können Insiderhandel oder andere opportunistische Verhaltensweisen an den Börsen natürlich nie komplett verhindern.

Wie die Deutschen ihr Geld anlegen
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Wichtige Industrie- und Handelsnationen haben in der Regel auch wichtige Börsenstandorte. Die bedeutendsten Börsen sitzen in New York, Tokio, London, Hongkong, Paris und Frankfurt. Als die ersten Börsen aufkamen und eine unmittelbare Kommunikation zwischen Handelspartnern nur am gleichen Ort möglich war, brauchten Börsen einen Ort, an dem der Handel stattfinden konnte. Im Zeitalter digitaler Kommunikation wird die Ortsgebundenheit von Börsen nach und nach überflüssig. Längst findet der Handel nicht mehr auf dem Parkett statt. Die alten Handelssäle der traditionellen Börsenstandorte verwandeln sich mehr und mehr in Museen und Touristenattraktionen.

Warum aber gibt es im digitalen Zeitalter immer noch separate Börsenstandorte und nicht eine große universelle Weltbörse? Das liegt zum einen an den unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften für den Börsenhandel und für Aktiengesellschaften in einzelnen Ländern. Selbst die Aktien international tätiger Unternehmen notieren daher längst nicht an allen großen Börsen der Welt.

Außerdem läuft zwar die Kommunikation zwischen Käufern und Verkäufern zu einem wichtigen Teil über digitale Kanäle. Doch die Entscheidung bei Aktiendeals fällen auch bei computergestützten Handelsstrategien am Ende meist immer noch Menschen, deren Kernarbeitszeiten sich nach den unterschiedlichen Zeitzonen der Erde richten. Diese Tatsache findet aktuell Ausdruck in dem politischen Gezerre, dass sich die Deutsche Börse und die Londoner Börse gerade um den Standort des nach ihrer geplanten Fusion entstehenden Konzerns liefern.

Vom Börsenhandel selbst bekommen Privatanleger in der Regel nichts mit, weil die Geschäfte von professionellen Vermittlern ausgeführt werden. Zunächst sammelt die Bank, bei der Aktionäre ihre Depots verwalten lassen, alle Kauf- und Verkaufsaufträge ihrer Kunden. Die gibt sie dann - stark vereinfacht dargestellt - an die direkt an der Börse handelnden Makler oder Broker weiter, mit der Anweisung, die Aufträge möglichst zu den von den Aktionären gewünschten Preisen durchzuführen. Die Börsenmakler oder Broker handeln als Beauftragte und auf fremde Rechnung. Dafür kassieren sie eine Provision, die Teil der Transaktionskosten ist, die Anleger bei Börsengeschäften zahlen müssen.

Bei den Maklern gehen nun die Kauf- und Verkaufswünsche des Handelstages ein. Sie müssen dann Angebot und Nachfrage bei den gehandelten Wertpapieren ausbalancieren. Dafür müssen sie die unterschiedlichen Preis- und Mengenvorstellungen der Käufer und Verkäufer berücksichtigen. Sie unterscheiden zwischen dem Briefkurs, das ist der Kurs, zu dem Aktien angeboten werden und dem Geldkurs, zu dem Nachfrager gern eine gewünschte Menge einer bestimmten Aktie kaufen würden.

Die Makler versuchen unter Berücksichtigung der Wünsche ihrer Kunden, die größtmögliche Zahl von Wertpapieren an neue Besitzer zu vermitteln. Das ist ihr Job und dadurch kann auch ihre Provision steigen. Je stärker aber Angebot und Nachfrage sich unterscheiden, desto schwieriger wird es, die Vorstellungen der Käufer und Verkäufer zu berücksichtigen und alle Aufträge auszuführen. Wenn in einer solchen Situation der Handel weiter gehen soll, müssen die Aktionäre ihre Preiswünsche korrigieren. Ändern sie ihre Preisvorstellungen, steigen oder fallen die Kurse an den Börsen. So geht es zum Beispiel bergab, wenn bei schlechten Nachrichten aus einem Unternehmen viele Aktionäre ihre Aktien loswerden wollen, aber nur willige Abnehmer finden, wenn sie deutlich weniger verlangen als die Aktie vorher wert war.

Wenn dank sinnvoller Börsengesetze und einer wachsamen Aufsicht alles korrekt läuft, sind Börsen leistungsfähige Märkte, wahrscheinlich die leistungsfähigsten aller real existierenden Märkte. Das macht nicht gleich jede Aktie automatisch zu einem guten Produkt.

Allerdings reagieren die Börsenkurse, sprich die Preise für Aktien eines Unternehmens, dank des effizienten Börsenhandels sofort auf gute oder schlechte Nachrichten. Irrtümer bei der Bewertung einer neuen Nachricht sind nicht ausgeschlossen, auch die Börse kann irren. Sollte es aber Anlass zu einer Korrektur von Irrtümern geben, etwa wenn eine vermeintlich schlechte Nachricht sich hinterher als gar nicht so schlimm herausstellt wie anfangs befürchtet, passen sich die Kurse schnell an die geänderte Lageeinschätzung an.

Börsen sind also nicht allwissend, aber sie können ihre Fehler korrigieren und aus ihnen lernen.

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