Riedls Dax-Radar

Es wird jetzt ganz knapp für den Dax

Saudi Arabien wirbelt den Ölmarkt durch, China sorgt für Turbulenzen: Im Dax geht es jetzt darum, ob der große Aufwärtstrend noch hält – oder der Markt in eine Baisse abkippt. Eine Kolumne.

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Ein Händler telefoniert, im Hintergrund ist die Anzeige des Dax zu sehen. Quelle: REUTERS

Die Risiken für die Aktienmärkte haben sich deutlich erhöht: Der Konflikt zwischen dem Iran und Saudi Arabien und die politischen Spannungen in dem Königreich selbst sind ein hoher Unsicherheitsfaktor für den Ölmarkt. Einerseits sprechen große Lagerbestände, eine Rekordproduktion sowie konjunkturbedingte Nachfragerisiken zwar noch für schwächere Preise. Andererseits könnte darin auch der Keim für einen plötzlichen Anstieg stecken.

Diese Unsicherheit macht es großen Verbrauchern schwer, sich gezielt gegen Schwankungen abzusichern. Extrem billiges Öl ist nicht gut für die Börsenentwicklung, und – wenn auch derzeit nur gefühlt – teures natürlich auch nicht. 

Ausgangspunkt für die jüngste Kursschwäche im Dax ist die Entwicklung in China. Die chinesische Wirtschaft verliert an Dynamik, die chinesischen Währungsreserven schmelzen dahin, die chinesische Börse (deren Bedeutung in den vergangenen Jahren gewachsen ist) hat mit ihren extremen Ausschlägen mächtige Rückwirkungen auf den Dax.

Alle Dax-Aktien im Check für 2016

Der Yuan verliert an Wert – allerdings weniger gegenüber dem Euro als gegenüber dem Dollar. Mit knapp 14 Eurocent notiert der Yuan immer noch etwa auf dem durchschnittlichen Niveau von 2015 und deutlich über den 12 bis 13 Cent, um die er in den Jahren davor schwankte. Währungsprobleme entstehen auf diesem Niveau für deutsche Unternehmen kaum.

Ein weiteres Risiko bilden die beiden anderen großen Schwellenländer, Russland und Brasilien. Sie leiden schwer unter der weltweiten Rohstoffbaisse – und bei 35 Dollar je Barrel Brent gibt es noch keine Anzeichen einer Erholung für die weltweit wichtigste Rohstoff-Preiskurve.

Einfluss der Notenbanken auf die Börsen seit 2008*
Entwicklung des US-Aktienindex S&P 500 und Bilanzsumme der US-Notenbank Fed seit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008*reine Kursentwicklung ohne Dividenden; logarithmische Darstellung;Quelle: Bloomberg
Die expansive Geldpolitik Japans im Vergleich zum japanischen Aktienindex Nikkei seit 2008*reine Kursentwicklung ohne Dividenden; logarithmische Darstellung;Quelle: Bloomberg
Der Deutsche Aktienindex Dax im Vergleich zur Bilanzsumme der Europäischen Zentralbank (EZB) seit 2008*reine Kursentwicklung ohne Dividenden; logarithmische Darstellung;Quelle: Bloomberg

Vor allem könnten sich damit die wirtschaftlichen Probleme in Saudi Arabien und Russland weiter verschärfen. Der geplante Börsengang von Aramco mutet in diesem Zusammenhang wie eine Verzweiflungstat an, denn weltweit sind die Aktien von Ölgesellschaften tief gesunken. Wer in einem solchen Umfeld an die Börse geht, hat offensichtlich dringenden Finanzbedarf.

Als ob das nicht reicht, geht auch in Europa die Krise in die nächste Phase: Zu den Schwierigkeiten um Banken, Währung und Konjunktur stellt sich durch die Entwicklung in Südost- und Osteuropa (etwa in Ungarn und Polen) immer mehr die Frage nach dem Bestand der EU. Diese Entwicklung ist ein Nachteil sowohl für die traditionell starken europäischen Exportunternehmen als auch für den Euro. Und wenn man die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren als Gewinner des europäischen Einigungsprozesses und des Euro betrachtet, wäre der Niedergang der EU für Deutschland sicherlich kein Vorteil. 

Der Trend-Test steht bevor

In vier Tagen hat der Dax 1000 Punkte, also etwa ein Zehntel seines Werts verloren. Derzeit sind das rund 100 Milliarden Euro. Wenn sich Märkte so hektisch bewegen, ist das ein Zeichen für eine tiefe Verunsicherung. Die Stabilität, mit der der Aktienmarkt im Oktober und November die damals schon bestehenden Krisen verarbeitete, ist offensichtlich dahin. Ist diese Schwäche nun der Beginn einer großen Baisse?  Die Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen, sie dürfte aber in den nächsten Wochen anstehen.

In seinem ersten Rutsch ist der Dax bis 9800 gesunken. Dass er die 10.000er-Marke nach unten durchschlug, ist nicht automatisch ein Verkaufssignal, Ende September war das auch schon einmal der Fall.

Diese Ausschüttungen dürfen Dax-Aktionäre erwarten

Wichtiger ist die Marke um 9800 Punkten. Hier verläuft eine große Trendlinie, die seit 2012 durch die kurz- und mittelfristigen Tiefspitzen entstanden ist. Diese untere Trendlinie bildet mit der Linie durch die Hochspitzen von 2015 die Bandbreite für die aktuellen Schwankungen: Je nachdem, ob der Dax aus dieser Begrenzung nach oben oder unten ausbricht, gibt es entweder die Fortsetzung des großen Aufwärtstrends oder eine längere Baisse.

Die angespannte fundamentale Lage an den Märkten spiegelt sich derzeit voll und ganz im Verlauf der Kurse wider. Darin kann man zumindest den Vorteil sehen, dass der Optimismus des Marktes, der vor einem Jahr bestand (von Januar bis April 2015 stieg der Dax von 9500 auf 12500), verflogen ist. Natürlich, vor weiteren Kursrückgängen muss das nicht schützen. So, wie der Dax Anfang 2015 nach oben übertrieben hat, könnte er nun Anfang 2016 nach unten übertreiben.

Diese Gefahr deutet sich ebenfalls in den Kurskurven an. Sollte das Niveau um 9800 nicht halten, wäre das nach klassischen Chartregeln ein schweres Verkaufssignal, dem ein mittelfristiger Rückgang bis in den Bereich 7500/7000 folgen könnte.

Noch ist dieses Verkaufssignal nicht Fakt. Doch sollte es in den nächsten Wochen dazu kommen, wäre das die Umkehrung des großen Kaufsignals, das der Dax zum Jahreswechsel 2012/2013 gegeben hat. Damals ist der Dax im Anschluss an das Signal in zweieinhalb Jahren von 7500 auf 12500 gestiegen – eine Hausse von mehr als 60 Prozent.

Noch sind Aktien nicht verloren

Eine entscheidende Rolle dürfte in den nächsten Wochen die anstehende Bilanzsaison spielen, in den USA wie auch in Europa. Dabei geht es zunächst darum, ob es 2015 trotz der zuletzt schwächeren Entwicklung insgesamt noch den von Banken erwarteten leichten Gewinnzuwachs gegeben hat. Auch hier haben sich die Erwartungen mittlerweile abgekühlt: Im Durchschnitt rechnen Analysten nur noch einem kleinen bis mittleren einstelligen Plus beim durchschnittlichen Nettogewinn. Diese gestutzten Erwartungen könnten die Unternehmen sogar erfüllen.

Zahlen dieser Art sind nicht nur Historie. In ihnen wird sich schwarz auf weiß zeigen, ob und welche Unternehmen in der Lage sind, mit dem aktuellen Krisenmix umzugehen. Wem das 2015 einigermaßen gelang, der dürfte auch 2016 keine schlechten Karten haben.

Ein positives Beispiel ist die Stärke des Konsums in den meisten westlichen Industrieländern. Niedrige Zinsen, eine hohe Erwerbstätigkeit und geringe oder nicht vorhandene Inflation führen zu einer ausgesprochen robusten Branchenkonjunktur. Das wird 2016 eine wichtige Stabilisierung des Gesamtmarkts. In den USA macht der Konsum einen großen Teil der gesamten Wirtschaftsleistung aus.

Einen Vorteil kann man auch in dem gewachsenen Spielraum der amerikanischen Notenbank sehen. Sie hat durch den jüngsten Anstieg die Phase der Normalisierung eingeleitet. Weitere, kleine Erhöhungen sind in der Pipeline, wenn die Wirtschaft wie bisher erwartet stabil bleibt.

Sicherlich dürfte es nicht Teil von Janet Yellens Strategie sein, die Zinsen gleich wieder herunter zu nehmen. Doch sollte es 2016 im späteren Jahresverlauf zu einer Konjunkturenttäuschung kommen, wäre dies zumindest eine Option – vielleicht gegen Ende des Jahres.

Fazit zum Gesamtmarkt: Für den Dax wird es ganz knapp. Dass nun auch immer mehr einst stabile Aktien wie Linde oder BASF gefährlich nach unten drehen, ist ein Warnsignal. In den nächsten Tagen kommt darauf an, dass der Dax die Untergrenze bei 9800 verteidigt. Im Kurzfrist-Chart hat er das am 7. Januar schon zwei Mal geschafft. Wenn er dieses Niveau zum Freitagabend rettet, könnte er sich dann nächste Woche in den Bereich 10.200 bis 10.400 hocharbeiten.

Unter besonderem Druck steht die VW-Aktie. Bis vor kurzem ging die Kurserholung hier erstaunlich weit. Dann kam die Meldung, dass die Belastungen aus amerikanischen Klagen – je nach Hochrechnung – zwischen 50 und 90 Milliarden Dollar ausmachen könnte. Es handelt sich hier zwar nur um theoretische Obergrenzen, doch sie liegen weit über dem durchschnittlichen Niveau, das Analysten und Anleger bisher diskontiert hatten – rund 17 Milliarden Dollar. Meldungen über Rückkäufe von Fahrzeugen in Amerika kommen hinzu.

Volkswagen wird noch eine längere Zeit unter erheblichen Unsicherheiten und drohenden, wahrscheinlich ziemlich hohen Strafzahlungen leiden. Dass die US-Behörden und Aufseher, nachdem sie VW schon bisher so in die Mangel genommen haben, plötzlich auf eine weiche Linie umschwenken, ist wenig wahrscheinlich.

Von der Substanz sind VW-Aktien keineswegs uninteressant, dennoch dürften die Notierungen zunächst weiter unter den Folgen des Abgasskandals leiden, bevor sich dann eine antizyklische Spekulation lohnt.

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