Noch bis vor ein paar Wochen wähnten sich Optimisten an der deutschen Börse auf einer Insel der Glückseligen. Während im Rest der Euro-Zone schon rezessive Tendenzen herrschten und die Kurse auf Mehrjahrestiefs rauschten, wie etwa in Spanien, legt der Dax bis Ende März sein bestes Quartal seit 1998 hin. Doch die vage Hoffnung, die deutsche Konjunktur und damit die deutschen Unternehmen und deren Aktien könnten sich vom Rest der Welt abkoppeln, erweist sich als trügerisch. Von erwarteten zweistelligen Gewinnsteigerungen für dieses Jahr sind die Dax-Unternehmen schon nach der Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal im Schnitt weit entfernt. Jetzt mehren sich die Zeichen, dass auch noch die globale Konjunktur kippt. Der größten Volkswirtschaft USA ist bereits im ersten Quartal die Puste ausgegangen.
Sie wuchs nur noch mit einer aufs Jahr hochgerechneten Rate von 1,9 Prozent, nach 3,0 Prozent im letzten Quartal 2011. Im Mai schafften die Vereinigten Staaten lediglich 69.000 neue Stellen, die Arbeitslosenrate stieg auf 8,2 Prozent. Die USA sind der zweitwichtigste Exportpartner deutscher Unternehmen, nach Frankreich. 40 Prozent aller Ausfuhren Deutschlands gehen in der Euro-Zone. Und dort sieht es düster aus. Die Arbeitslosigkeit ist hoch wie nie, wichtige Konjunkturindizes sind auf dem niedrigsten Stand seit dem Katastrophenjahr 2009. Aussicht auf Besserung: Fehlanzeige. Bliebe noch China als vielfach erhoffter Rettungsanker. Doch die jetzt zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt dürfte 2012 mit der schwächsten Rate seit 1999 wachsen – und damit kaum in der Lage sein, mauere Geschäfte deutscher Unternehmen in der Euro-Zone und den USA aufzufangen. Auch die Hoffnungsländer Indien und Brasilien schwächeln deutlich; Russland steht wegen des Verfalls der Rohstoffpreise unter Druck. Zwar ist nach 1.200 Punkten Kursverlust im Dax schon einiges an heißer Luft raus aus den Kursen. Doch besonders starke Aktien wie VW, BMW oder BASF dürften noch rutschen.
Auf Binnenwerte setzen
Dazu haben viele Dax-Unternehmen hausgemachte Probleme, etwa die Allianz (hohe Bankengagements, Schuldenkrise), E.On (fehlendes Konzept für die Energiewende, Beteiligungen in Spanien) oder ThyssenKrupp (ausufernde Kosten neuer Stahlwerke in den USA und Brasilien). An Tagen mit Pluszeichen sollten Anleger Positionen zunächst abbauen. Haltenswert sind Aktien mit hohem Umsatzanteil in Deutschland, etwa Axel Springer, Xing, Atoss Software oder Kabel Deutschland.