Singapur gilt als eines der fundamental stärksten Länder der Welt.
Roman Zulauf: Das ist es im Prinzip auch. Aber dort kommt die Zahlungsbilanz gleich von zwei Seiten unter Druck. Erstens lässt der Großteil der asiatischen Unternehmen ihre Exportgeschäfte dort abwickeln. Sie exportieren zu tiefen Preisen nach Singapur und von dort aus zu höheren Preisen in den Rest der Welt. Die Gewinne lassen sie in Singapur liegen und versteuern. Jetzt aber, durch den Konjunkturabschwung, gerät der Export der asiatischen Länder unter Druck und entsprechend auch die Leistungsbilanzüberschüsse Singapurs. Das Land war auch sehr gefragt bei Investoren, die ihr Geld in Sicherheit bringen und eine sichere Währung suchten. Die haben viel Kapital nach Singapur getragen, könnten es aber schnell wieder abziehen. Singapur wird also sowohl über die Leistungsbilanz als auch über die Kapitalbilanz belastet. Der Singapur-Dollar bewegt sich bereits nach unten, aber die großen Bewegungen stehen noch bevor.
Bleiben wir in Asien und gehen nach China. Dort droht der Geldaustausch zwischen den Banken, der Interbankenmarkt, einzufrieren. Droht in China eine Bankenkrise wie in den 1990er Jahren in Japan?
Felix Zulauf: Es gibt tatsächlich viele Parallelen. Der Unterschied ist, dass die chinesische Währung gemanagt wird. Das war damals in Japan nicht so. In China gab es in den vergangenen zehn bis 15 Jahren den größten Investitions- und den größten Kreditboom der Geschichte. Bei den Daten aus China muss man zwar immer vorsichtig sein. Vielleicht gibt es bei den Kreditdaten Doppelzählungen. Aber das chinesische Kreditsystem hat in den vergangenen fünf Jahren etwa Kredite in der Höhe des gesamten Kreditbestands im US-Bankensystem neu geschöpft. Das ist gigantisch. Und die Immobilienpreise in den Zentren, etwa in Peking und Shanghai, gehen immer noch nach oben.
Die Regierung hat Maßnahmen eingeleitet, die das verhindern sollten. Warum greifen die nicht?
Felix Zulauf: Weil es in China keinen funktionierenden Finanzmarkt gibt. Die wohlhabenden Chinesen dürfen ohne Sondergenehmigung kein Geld ins Ausland abführen. Und weil im Inland die Aktienmärkte nicht laufen, weil die Gewinne der Aktiengesellschaften unter Druck sind, bleibt den Chinesen fast nur noch der Immobilienmarkt. Jetzt, da das Bankensystem einen Liquiditätsengpass hat, steht die Regierung vor der Frage, ob sie das Bankensystem alimentieren soll. Damit würde sie aber den einseitigen Kredit- und Immobilienboom noch weiter befeuern.
Also noch mehr teure, leer stehende Immobilien für die Reichen, die sich kein Wanderarbeiter leisten kann.
Felix Zulauf: Ja. Diese Politik würde weitere soziale Konflikte im Land auslösen. Auch die chinesische Regierung sieht die Bilder aus Rio. Deshalb versucht sie, schrittweise die Luft aus der Blase zu lassen. Die letzten Tage haben gezeigt, dass die Notenbank People’s Bank of China in Stresssituationen mit Liquidität beispringt, aber doch das Ziel verfolgt, das Bankensystem und das Schattenbankensystem zu stutzen.
Woraus besteht das chinesische Schattenbankensystem, und wie wurde es so aufgeblasen?
Roman Zulauf: Die großen Exzesse in China gab es in der ersten Phase dieses Kreditbooms, gleich nach der Finanzkrise. Da waren es vor allem die außerbilanziellen Vehikel der Lokalregierungen, die unendlich viel Kredit schöpfen konnten, indem sie zum Beispiel Land verpachteten. In der zweiten Phase steckt das Problem in so genannten Wealth-Management-Produkten. Die sind seit zwei Jahren bei Anlegern der große Renner, weil sie vordergründig eine ordentliche Rendite zwischen fünf und zehn Prozent versprechen.
Was verbirgt sich dahinter?
Roman Zulauf: Angeboten werden diese Produkte von privaten Anbietern im Schattenbankensystem. Diese finanzieren sich am kurzen Ende der Zinskurve, investieren das Geld aber langfristig. Die People’s Bank of China ist sehr besorgt über die Exzesse in diesem Bereich. Deshalb überlässt sie den Interbankenmarkt jetzt mehr den Marktkräften. Und dadurch werden gewisse Anbieter dieser Produkte jetzt automatisch über den Bankrott eliminiert.