Lebensversicherung Warum die Lebensversicherer im Abseits stehen

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albers

Herr Ockenga, wie beurteilen Sie die Fähigkeit der Versicherer, künftig hohe Renditen zu zahlen?

Ockenga: Man muss unterscheiden zwischen der Erwirtschaftung der Garantien und der Überschussbeteiligung. Lebensversicherer strukturieren ihre Kapitalanlagen zunächst immer so, dass der Garantiezins sicher erwirtschaftet werden kann – das ist auch aufsichtsrechtlich vorgegeben. Auf längere Sicht dürfte die Branche durchaus den durchschnittlichen Garantiezins von 3,4 Prozent erwirtschaften können. Das hängt damit zusammen, dass die Versicherer nicht nur die von ihren Kunden aktuell eingezahlten Beiträge anlegen können, sondern auch noch Reserven und Pufferpositionen haben, die Zinsen bringen.

Albers: Trotzdem kommen Versicherer doch aktuell von zwei Seiten unter Druck. Zum einen wollen Kunden sich immer weniger langfristig binden, zum anderen haben Sie Probleme, hohe Renditen zu liefern und langfristig die versprochene Verzinsung zu verdienen.

Lörper: Nun ja, die Garantieverzinsung im Neugeschäft liegt derzeit bei 2,25 Prozent. Die zu schaffen ist wirklich kein großes Problem.

Jaeger: 2,25 Prozent sind auch nicht gerade attraktiv. Hinzu kommt, dass diese Quote sich nicht auf alle vom Kunden eingezahlten Beiträge bezieht, sondern nur auf die Beiträge minus Kosten – es sind also 2,25 Prozent brutto, nicht netto.

Albers: Stimmt genau. Die Lebensversicherung verzinst nur den Sparanteil an den Beiträgen, der liegt bei rund 80 Prozent. Netto liegt der Garantiezins damit im Schnitt bei nur noch 1,8 Prozent. Da wird es für den Verbraucher sehr dünn.

Jaeger: Wenn Sie die Rendite nach zehn Jahren ausrechnen, sieht der Kunde ganz dumm aus.

Aber Versicherer zahlen ja mehr als die Garantie...

Albers: Gehen wir von der aktuell gezahlten Überschussbeteiligung  aus, landen wir bei rund 3,5 Prozent – netto, auf die eingezahlten Beiträge bezogen, aber vor Steuern. Die Frage ist legitim: Gibt es andere Kapitalanlagen, mit denen ich mich nicht so lange binde und die ähnlich viel abwerfen? Bei einer zehnjährigen Bundesanleihe kommen wir in diese Größenordnung.

Lörper: Mit der profitieren Sie dann aber nicht mehr von steigenden Zinsen – es sei denn, Sie schichten um. Und im Übrigen ist doch klar, dass unsere Policen keine Produkte für nur zehn Jahre sind.

Jaeger: Langfristig, also über 30 Jahre, haben auch Aktien immer gut abgeschnitten.

Ockenga: Sie dürfen aber auch nicht das aktuell niedrige Zinsniveau für die gesamten Kapitalanlagen heranziehen. Bei den Papieren der von uns analysierten Lebensversicherer liegt der durchschnittliche Zinskupon derzeit bei 4,5 Prozent. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass diese Versicherer noch viele ältere, höher verzinsliche Papiere haben. 2009 kauften die Gesellschaften darüber hinaus zum Beispiel Pfandbriefe, die Anfang des Jahres noch eine deutlich höhere Verzinsung hatten.

Albers: Das wird bei Neuanlagen aber nicht mehr funktionieren – es sei denn, Versicherer nehmen volles Risiko.

Ockenga: Nun, mit risikoreicheren Anlagen, wie zum Beispiel Aktien, halten sich die Versicherer derzeit deutlich zurück. Nur vereinzelt sehen wir hier Investitionen. Der Zinskupon für Neuanlagen der Lebensversicherer lag 2009 nach unseren Schätzungen im Schnitt immer noch bei 4,3 Prozent – also deutlich über dem, was Sie allein aus Bundesanleihen erwirtschaften können. 2009 wurden noch höher verzinsliche Staatsanleihen aus dem EU-Raum und Unternehmensanleihen beigemischt. Dadurch hat sich natürlich die Kreditqualität der festverzinslichen Papiere im Gesamtbe-stand leicht verschlechtert. Klar ist aber, dass das Zinsniveau in den Kapitalanlagen insgesamt rückläufig ist.

Jaeger: Wenn Sie über 30 Jahre gehen, ist das schön und gut, aber über die Hälfte der Verträge wird nicht bis zum Ende bedient.

Albers: Die Branche aber verlagert die Überschussbeteiligung immer mehr auf den erst am Ende der Laufzeit fälligen Schlussüberschuss . Da verlieren die meisten Kunden. Eine hohe Überschussbeteiligung nützt ihnen wenig, wenn sie eh nicht bis zum Ende durchhalten.

Jaeger: Deshalb lese ich bei den Versicherern auch nie über die Rendite bei einer Kündigung nach 5 oder 15 Jahren. Das wäre eine ehrliche Information für den Verbraucher. Er muss wissen, welche Renditen er bekommt, damit er vergleichen kann. Hier fehlt es an Transparenz.

Mit welcher Überschussbeteiligung können Kunden in Zukunft überhaupt noch rechnen?

Ockenga: Der Trend geht weiter klar nach unten. Einige Versicherer haben höhere Verluste eingefahren als ihre Wettbewerber und in der Krise Risikokapital verloren. Insofern wiederholt sich derzeit die Situation wie nach der letzten Aktienkrise 2002/03. Diese finanzschwächeren Gesellschaften müssen ihre Überschussbeteiligung voraussichtlich stärker senken als andere – und verlieren dementsprechend gegenüber kapitalstarken Versicherern an Boden.

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