Gesundheitssystem Es geht aufwärts mit dem digitalen Patienten Deutschland

Quelle: REUTERS

Das E-Rezept und die elektronische Patientenakte dürften tatsächlich bessere medizinische Ergebnisse bringen. Was sich für Krankenversicherte jetzt ändert und wie sie von der Modernisierung profitieren.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Es ist eine Revolution, die in Deutschland schon einige Minister vom Zaun brechen wollten und die dann doch 20 Jahre auf sich warten ließ. Bereits 2003 kündigte die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt eine elektronische Gesundheitskarte und die Digitalisierung des Gesundheitssystems an. Das war damals ziemlich innovativ und klang nach Aufbruch. Ihr Berater hieß damals übrigens: Karl Lauterbach, der heute Minister ist (ebenfalls SPD). 

Dann aber bremsten erst Bedenken tragende Mediziner, die ihre Arbeit nicht transparent machen wollten. Später schaffte es die eigens eingerichtete Gesellschaft Gematik nicht, die technisch notwendigen Schnittstellen zu schaffen. Datenschützer wollten oder konnten keine praktischen Lösungen zum Schutz der sensiblen Daten finden. Die meisten Betroffenen warteten einfach ab.

Jetzt aber wären wir soweit. Die Stimmung hat sich längst gedreht. Patientinnen und Patienten wissen, dass sie ohne Röntgenbilder in der Papiermappe und mit Vernetzung zwischen den Gesundheitsprofis besser behandelt würden. In der langen Zeit von 20 Jahren überholten uns die meisten europäischen Nachbarländer, deren Gesundheitssystem weitgehend digitalisiert ist. Rettungssanitäter erfahren dort bei bewusstlosen Patienten die wichtigen Dinge für eine schnelle Behandlung. Mediziner haben einen Überblick über Medikamente, die jemand sonst noch einnimmt. Und die Versicherten in Dänemark, Schweden oder Österreich wissen schlicht besser über ihren Körper und ihre Krankheitsrisiken Bescheid.

Karl Lauterbach kam als Fachmann ins Gesundheitsministerium. Leider hört er am liebsten auf den eigenen Rat und sucht sich für seine Reformen keine Verbündeten. Das Ergebnis: offene Wunden.
von Cordula Tutt

Nun hat auch Deutschland endlich die Voraussetzungen geschaffen für ein effizienteres System mit oft besseren Ergebnissen. Es könnte auch das Verhältnis zwischen Gesundheitsprofis und Kranken durch Transparenz grundsätzlich ändern. Dazu hat der Bundestag kurz vor Weihnachten zwei Gesetze verabschiedet, die weitreichende Folgen haben – das Gesetz zur elektronischen Patientenakte für alle und das Gesetz zur Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung. Alle Versicherten sollen nun tatsächlich digital den Überblick über ihre persönliche Krankengeschichte wie auch die eigenen Gesundheitswerte bekommen. Zudem sollen die persönlichen wie sensiblen Daten anonym auch für die Forschung an Krankheiten und Therapien genutzt werden.

Was ändert sich für Krankenversicherte 2024?

Der Bundestag hat das E-Rezept und die elektronische Patientenakte für alle beschlossen. 2024 wird der Übergang stattfinden. Spätestens 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) flächendeckend eingeführt sein, es sei denn, die gesetzlich oder privat Versicherten widersprechen aktiv. Bisher haben nur ein Prozent von ihnen eine elektronische Akte – der Umstieg war kompliziert und manches hing vom guten Willen aller Beteiligten ab.   

Was bringt die elektronische Akte für Patientinnen und Patienten? 

Auf der elektronischen Akte sollen alle medizinischen Dokumente gespeichert werden – Röntgenbilder, Blutwerte, Diagnosen, Vorbelastungen.

Lesen Sie auch: Diese Krankenkassen erhöhen die Beiträge

Versicherte müssten dann zum Beispiel nicht mehr selbst in eine Praxis, um einen Befund oder eine Verschreibung abzuholen. Es gäbe auch keine CDs oder Papierdrucke mehr, die aufbewahrt werden sollen. Auch der Impfpass oder das Bonusheft für Zahnbehandlungen sollen in der Akte elektronisch aufrufbar sein. Wechselt jemand den Arzt oder die Ärztin, wird ins Krankenhaus eingewiesen oder hat einen Unfall, liegen die wichtigen Informationen digital vor. Das kann Doppeluntersuchungen ersparen. Medikamentenpläne in der ePA sollen ungewollte Wechselwirkungen vermeiden helfen.



Über welche Geräte ist die E-Akte nutzbar?

Versicherte können ihre Akte übers Smartphone abrufen und anschauen. Das ist aber nicht zwingend. Ärzte und andere Heilberuflerinnen haben durch einen speziellen Schlüssel Zugang zu den Daten. Es könnte sein, dass manche Praxen noch eine Weile nicht die technischen Voraussetzungen bieten, um alles abzuwickeln. Die Technik ist noch nicht überall installiert und Praxisärzte verlangen, dass sie diese Systeme ohne zusätzlichen Aufwand mit Befunden, Arztbriefen und ähnlichen Daten befüllen. Dazu sind sie nämlich dann ab 2025 verpflichtet. Sonst müssen sie Strafen zahlen.

Wer hat alles Zugriff auf die Daten?

Die Versicherten bekommen eine stärkere Position als bisher bei ihren Daten. Wer die elektronische Akte hat, bestimmt auch, wer und in welchem Umfang auf die Daten zugreifen darf. Sie geben auch das Einverständnis – oder nicht – ob mit den anonymisierten Daten  geforscht werden darf. Also: Dem Zahnarzt kann verwehrt werden, auch eine Diagnose von der Psychotherapeutin zu sehen. Es lassen sich auch Dokumente vollständig löschen. Die Krankenversicherungen nicht auf die Daten der individuellen Akte zugreifen. Für sie sind die Abrechnungsdaten bestimmt. Diese gibt es so bereits. Allerdings werden die Kassen künftig ihren Patienten Hinweise schicken dürfen zur Vorsorge und ähnlichen Anlässen.

Am 1. Januar startet das elektronische Rezept in Deutschland. Davon profitiert insbesondere ein IT-Spezialist aus Koblenz.
von Jürgen Salz

Wie geht das mit dem E-Rezept 2024? 

Seit dem 1. Januar ist das Papierrezept tatsächlich ausgemustert. Dann ist das elektronische Rezept Pflicht in Praxen und Apotheken. Drei Möglichkeiten stehen den Versicherten dann offen zur Einlösung: mit der Gesundheitskarte der Krankenversicherung, mit einer speziellen App oder mit einem QR-Code. Auch hier gilt wieder: Womöglich sind nicht alle beim Start ohne Stottern dabei, allerdings greifen demnächst dann wohl Geldstrafen, wenn unter Praxen und Apotheken jemand nicht mitmacht.

Was dürfen forschende Firmen und Wissenschaftlerinnen mit den Gesundheitsdaten anfangen?

Die Akte und die Abrechnungsdaten der Krankenkassen werden gespeichert in einem Datenzentrum des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Damit lässt sich zum Beispiel zur Früherkennung bestimmter Krankheiten oder zur Krebstherapie forschen. Hier greift das zweite der beschlossenen Digital-Gesetze. Es regelt, welche Bedingungen dabei erfüllt sein müssen: Die Daten dürfen nur in pseudonymisierter Form, also nicht direkt zu Einzelnen zurückzuverfolgen sein. Jeder Abruf aus der Datenbank muss beantragt werden – samt einer Begründung, warum das alles dem Allgemeinwohl dient.

Exklusive BCG-Analyse Die 10 besten Aktien der Welt

Die politische Weltlage und Sorgen vor weiter hohen Zinsen verunsichern die Börse. Das exklusive Ranking der besten Aktien der Welt – und zehn Titel, die jetzt kaufenswert sind.

Positive Aggression „Es geht nicht um primitiven Ellenbogen-Karrierismus“

Wer zu nett ist, hat im Job verloren. Davon ist Kriminologe Jens Weidner überzeugt. Wie Sie positive Aggression einsetzen, um Ihre Gegner in Schach zu halten und was erfundene Geschichten damit zu tun haben.

Passives Einkommen aufbauen Ihr Weg zur finanziellen Unabhängigkeit

Finanzielle Unabhängigkeit muss kein Traum bleiben. Mit dem richtigen Wissen und passenden Strategien kommen auch Sie auf die Erfolgsspur. Wir zeigen, wie es geht.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Im Bundesgesundheitsministerium heißt es, diese Forschung helfe nicht nur Kranken, sondern mache Deutschland wieder attraktiver für die Gesundheitsforschung und in der Folge vielleicht auch für die pharmazeutische Produktion.

Lesen Sie auch: Die Gesundheitsakte kommt – endlich

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%