Porsche-Prozess Der Aufmarsch der Ahnungslosen

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Bundestagsabgeordneter Middelberg: Gesinnungswandel

Ein anderer Zeuge wirkte auf den gemeinen Prozessbeobachter deutlich solider. Er lieferte munter seine persönlichen Einschätzungen und auch konkrete Daten aus der Zeit der Übernahmeschlacht – bloß waren es ganz andere, als noch 2009 im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Der Zeuge: Mathias Middelberg, zur Zeit des Übernahmekampfes der VW-Koordinator des niedersächsischen Ministerpräsidenten und heute Bundestagsabgeordneter der CDU.

Am 7. Mai 2009 schilderte Middelberg im Telefongespräch mit der WirtschaftsWoche, wie hochrangige Porsche-Vertreter – darunter übrigens auch Wiedekings Rechtsberater von Bülow – bei einem Treffen am 25. Februar 2008 in Berlin erklärten, dass Porsche das Ziel verfolge, VW vollständig zu übernehmen und einen Beherrschungsvertrag abzuschließen. Nach einigem Bohren „rutschte einem Porsche-Vertreter raus, dass sie den Beherrschungsvertrag wollen“, so Middelberg damals.

Die Porsche-Seite habe „sehr deutlich vom Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als Ziel“ gesprochen und habe das Ganze mit der Aussage garniert: Sollte die Beherrschung von Volkswagen nicht möglich sein, sei womöglich ein Rückzug aus dem gesamten Übernahmeprojekt nötig. Wie aus den Notizen von insgesamt vier Telefongesprächen mit der WirtschaftsWoche hervorgeht, sprach Middelberg elf Mal von der Absicht von Porsche, den Beherrschungsvertrag zu erreichen.

Sollte dieses feste Ziel Anfang 2008 schon verfolgt worden sein, wären spätere Dementis einer entsprechenden Absicht womöglich Marktmanipulation durch Porsche gewesen – genau um diese Fragen dreht sich der Prozess in Stuttgart.

Was Middelberg der WirtschaftsWoche berichtete, deckt sich mit Notizen, die er selbst in einem Telefongespräch vom 12. Februar 2008 mit Wiedekings damaligem Chefstrategen Michael Harmening machte. „Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag irgendwann in der Zukunft“ steht dort – und der Hinweis: „Im Extremfall Rückzug.“ Auch dieses Gespräch hatte Middelberg im Interview mit der WirtschaftsWoche erwähnt: „12.2.2008, mittelfristig B+G (Anm.: Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag), sonst Rückzug aus Geschäft nötig“, steht in den Notizen des WirtschaftsWoche-Gesprächs.

Direkt nach dem Gespräch mit Porsche-Mann Harmeing setzt Middelberg einen offiziellen Vermerk auf: „Ein mittelfristiges Ziel von Porsche ist der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages“, schreib er noch am 12. Februar 2008 an seinen Chef, den damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Christian Wulff.

Auch gut ein Jahr später, beim WirtschaftsWoche-Gespräch am 9. Mai 2009, war sich Middelberg sicher: „Porsche hat alles auf eine Karte gesetzt, wollte den stringenten Durchmarsch und den Beherrschungsvertrag, ganz im Stil eines Blitzkriegs. Schon bei der VW-Hauptversammlung 2008 habe Porsche deshalb um jeden Preis die VW-Satzung so ändern wollen, so dass kurze Zeit danach ein Beherrschungsvertrag möglich gewesen wäre. „Dem Kapitalmarkt“ sei allerdings über Monate eine ganz andere „Story“ erzählt worden. Damit hatte Middelberg schon im Frühjahr 2009 praktisch den Vorwurf der Marktmanipulation formuliert.

Und im Prozess in Stuttgart? Da wollte der Bundestagsabgeordnete davon nichts mehr wissen. Er sei von der WirtschaftWoche falsch zitiert worden. Die schriftlichen Vermerke drückten seine persönliche Einschätzung der Lage aus, nicht aber das, was Porsche gesagt habe. Über die konkrete Absicht eines Beherrschungsvertrages habe ihm Porsche nichts gesagt.

Ganz anders sieht das sein früherer Dienstherr, der spätere Bundespräsident Christian Wulff. Bei dem Treffen mit den Porsche-Anwälten in Berlin im Februar 2008 sei Middelberg „klar geworden“, so Wulff 2009 im Gespräch mit der WirtschaftsWoche wörtlich, „dass hier wieder reihenweise Aktionäre beschissen werden“. Er, Wulff, stelle sich deshalb die Frage, warum „Middelberg Wiedeking nicht haftbar machen, in den Knast bringen“ wolle. „Das ist natürlich die Frage, die sich mir stellt, warum zieht er nicht durch?“

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