VW-Abgas-Skandal Warum Ferdinand Piëch wieder im Fokus steht

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Wie waren die Abläufe im Frühjahr 2015?

Stand Piëch auch während des Machtkampfs in der Kritik?

Ja. Piëch hatte im Kern der ihm zugeschriebenen Kritik – die Renditeschwäche und die verfehlte US-Modellpolitik – Recht. Doch in zwei Punkten wurden bereits damals Gegenstimmen laut: Wenn Volkswagen über Jahre solche Probleme angehäuft habe, hätte er das als Vorsitzender des Aufsichtsrats früher erkennen und intern ansprechen müssen – dazu ist ein Aufsichtsrat da. Und wenn diese Sachkritik zuträfe, hätte Winterkorn nicht zum bestbezahlten Manager der Republik aufsteigen dürfen: Seine Ziele erreichte er zu weit über 90 Prozent und kassierte entsprechende Millionen-Boni. Wenn es wirklich so schlimm um die Zukunftsfähigkeit des Konzerns gestanden wäre, hätte das vom Aufsichtsrat etablierte Vergütungsmodell versagt.

Wie waren die Abläufe im Frühjahr 2015?

Mit der Aussage Piëchs ist die Rekonstruktion der Ereignisse nochmals komplexer geworden. Fakt ist: Die US-Ermittler waren der Abgas-Manipulation schon damals auf der Spur, auch wenn es anfangs nur darum ging, die Abweichungen zwischen Prüfstands- und Straßentest zu erklären. Laut den Dokumenten, welche die US-Ermittler mithilfe des FBI und der internen Aufklärung von Volkswagen zusammengetragen haben, waren zu dieser Zeit hochrangige VW-Manager damit beschäftigt, die Manipulation geheim zu halten und den Betrug vor den Behörden zu vertuschen. Der hochrangigste Manager war der damalige Entwicklungschef der Marke VW Heinz-Jakob Neußer – im Markenvorstand unterstand er Winterkorn direkt.

Ob Winterkorn im Februar 2015, also zu jenem Zeitpunkt, zu dem Piëch nach seiner Aussage informiert wurde, ebenfalls in vollem Ausmaß über den Skandal im Bilde war, lässt sich noch nicht belegen. Fakt aber ist, dass weder Winterkorn noch Piëch etwas unternommen haben.

Im April erfolgte dann das legendäre Zitat Piëchs, mit dem der Aufsichtsratsvorsitzende den Machtkampf in die Öffentlichkeit brachte. In den zahlreichen Sondersitzungen des Aufsichtsrats und des Aufsichtsratspräsidiums, die sich bis in den Juni hineinzogen, war aber nie vom Diesel die Rede – zumindest ist das nicht bis an die Öffentlichkeit durchgedrungen, andere Details aber schon.

Was sich inzwischen kaum noch bestreiten lässt, sind die Geschehnisse am 27. Juni 2015: Bei einer VW-intern "Schadenstisch" genannten Sitzung wurde unter Anwesenheit von Winterkorn auch über den Diesel-Skandal und die manipulative Abgas-Software gesprochen. Es sind auch von Teilnehmern des Meetings Zitate von Winterkorn überliefert.

Wie ist der Stand der Ermittlungen?

Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft hatte vor einer Woche erst die Ermittlungen gegen Winterkorn auf den Betrugsverdacht ausgeweitet. Laut den Strafverfolgern hatten sich "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" ergeben, dass der ehemalige Konzernchef früher als von ihm öffentlich behauptet von der Betrugssoftware und ihrer Wirkung gewusst haben könnte.

Dabei berief sich die Ermittlungsbehörde auf eigene Vernehmungen von Zeugen und die Auswertung beschlagnahmter Dateien. Sollte sich herausstellen, dass er früher davon wusste, hätten Anleger Argumente, um Schadensersatz für erlittene Kursverluste ihrer VW-Aktien zu fordern.

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