Holger Geißler, Vorstand des Marktforschungsinstituts YouGov in Köln, sagt. „Wie lange es dauert, diesen Reputationsschaden wieder aufzuholen, hängt stark davon ab, wie schnell die Aufbereitung und Aufklärung des Skandals gelingt.“ Ausmaß und Dauer der Medienberichterstattung beeinflussen die Imagewerte. Und die fällt erfahrungsgemäß umso breiter aus, je gravierender die finanziellen Folgen sind.
„Schätzungen sind sehr schwierig. Ich halte es aber durchaus für möglich, dass der Skandal auch noch in zwei bis drei Jahren messbaren Einfluss auf das Image von Volkswagen hat. Bis VW seine alte Imagestärke zurückgewonnen hat, kann es noch deutlich länger dauern. Die Deutschen haben etwas über VW erfahren, dass sie nicht vermutet hätten. Diese ‚Ent-Täuschung‘ wird lang in den Köpfen bleiben.“
Das wird teuer. Colin Couchman leitet die Abteilung zur Prognose von Pkw-Absatz beim Analysehaus IHS. Auch wenn bisher keine Einbrüche bei konkreten Absatzzahlen zu vermerken sind, erwartet er: „VW wird in Westeuropa 0,5 Prozentpunkte Marktanteil verlieren, und andere Hersteller werden davon profitieren. Auch die Konzerntöchter Audi, Škoda und Seat sind von den negativen Auswirkungen betroffen, aber in geringerem Ausmaß.“ Der Verlust von 0,5 Prozent Marktanteil entspräche nach den Zahlen des Branchenverbandes ACEA für 2014 gerechnet rund 60 000 weniger verkauften VW-Modellen.
Vorbild Schweiz
Zum Schluss sei der Vergleich über Grenzen erlaubt. Wie unterscheiden sich deutsche und schweizerische Bürger bei ihren Ansichten über das Gemeinwohl? Die Uni St. Gallen als Autor von Studien über beide Länder hat es ausgewertet. Ein gravierender Unterschied zeige sich in der Relevanz des Gemeinwohlthemas überhaupt: 85 Prozent der Deutschen sind eher besorgt bis sehr besorgt, dass dem Thema zu wenig Beachtung geschenkt wird. In der Schweiz sind es nur 65 Prozent. Und obgleich in beiden Ländern eine große Skepsis gegenüber dem Bankensektor bestehe, schneidet die UBS als schlechteste Bank in der Schweiz immer noch besser als die drei am schlechtesten platzierten Banken in Deutschland – Targobank, Commerzbank, Deutsche Bank – ab.
„Dass die Schweizer ihren Unternehmen eine höhere Gemeinwohlorientierung zubilligen als die Deutschen, liegt am hochgradig partizipativen Politikmodell des Landes“, sagt Peter Gomez, der frühere Chef der Schweizer Börse und selbst Eidgenosse. „Indem die Bürger durch Volksabstimmungen viel direkter auf die Rahmenbedingungen für Unternehmen einwirken, unterstellen sie, dass die Unternehmen auch stärker im Sinne der Bürger handeln.“
Fairerweise: Mit acht Millionen Schweizern geht das auch leichter als mit 80 Millionen Deutschen. Als Ausrede für deutsche Unternehmer reicht das aber nicht.