Nürburgring-Desaster Der Charitonin-Deal und seine Risiken

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Pfandrechte an Firmenbeteiligungen als Sicherheiten

Das Unheil nahm am 11. März dieses Jahres seinen Lauf. An diesem Tag gab der Gläubigerausschuss der Nürburgring GmbH nach einem europaweiten Investorenprozess den Zuschlag auf Vorschlag von Lieser und Schmidt an ein Bietergespann, zu dem neben Capricorn die Motorsportfirma Getspeed aus Meuspath am Nürburgring gehörte. Capricorn hielt zwei Drittel der Anteile an der Käufergesellschaft CNBG, Getspeed – ein Unternehmen des früheren Boston-Consulting-Group-Partners Axel Heinemann – das restliche Drittel.

Welche Rennstrecken sich rechnen
14 Millionen Euro erlässt Bernie Ecclestone der Nürburgring GmbH. Normalerweise müssen die Streckenbetreiber dem Formel-1-Organisator Millionensummen dafür zahlen, dass die Königsklasse des Motorsports überhaupt antritt. Aber seit Sommer 2012 ist die Nürburgring GmbH insolvent, seit Mitte Mai stehen alle Vermögenswerte zum Verkauf. Wenigstens 120 Millionen Euro sind in dem Bieterverfahren aufgerufen, in das nun auch der ADAC eingestiegen ist. Quelle: AP
60 Millionen Euro erwirtschaftet ein Formel-1-Lauf während eines Wochenendes im Umkreis der Strecke. Nicht zu vergessen die Tickets für normale Besucher (ab 109 Euro) und VIPs. Eine Lounge für 80 Personen kostet für das Wochenende 110.000 Euro. Quelle: dpa
34 Millionen Euro haben private Investoren aufgebracht, um einen ehemaligen Nato-Stützpunkt im Teutoburger Wald ins Drive Resort Bilster Berg zu verwandeln – ein Renn-, Test- und Erlebniszentrum für Autohersteller und Auto-Enthusiasten. Für 1200 Euro pro Stunde können sie die 4,2 Kilometer lange Gesamtstrecke mieten, für 300 Euro nur den Offroad-Parcours. Dennoch ist die Anlage bis zum Jahresende fast schon ausgebucht. Für 2013 sind Einnahmen von 4,6 Millionen Euro eingeplant.
Die Teststrecke Boxberg.

Als offizieller Kaufpreis wurden 77 Millionen Euro ausgewiesen. Sechs Millionen müssen nicht bezahlt werden, sondern werden als operativer Gewinn des Nürburgrings im Jahr 2014 zugunsten der Käufer verrechnet. Weitere elf Millionen Euro sind gestundet und sollen in Raten abgestottert werden. Der Hauptbestandteil von 60 Millionen Euro teilt sich in zwei Blöcke auf: Ein Eigenkapitalanteil von 15 Millionen Euro, zahlbar in drei Raten zu je fünf Millionen Euro, fällig Ende März, Ende Juli und Ende Dezember, sowie ein Fremdkapitalanteil von 45 Millionen Euro, abgesichert über eine Finanzierungszusage der Deutschen Bank. Dem Gläubigerausschuss wurde mitgeteilt, die Finanzierungszusage der Deutschen Bank sei „banküblich und valide“.

Als Sicherheiten stellte Wild Pfandrechte an Firmenbeteiligungen, eine Briefgrundschuld für seine Villa im noblen Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel über fünf Millionen Euro sowie eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Mit der Organisation des Verkaufsprozesses hatten Lieser und Schmidt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG betraut. KPMG-Berater Alexander Bischoff teilte den Mitgliedern des Gläubigerausschusses laut Protokoll der entscheidenden Sitzung mit, dass es sich bei dem Angebot von Capricorn um das „wirtschaftlich beste Angebot“ handele: „Das einzige Risiko bei Capricorn ist das Risiko der Beihilferückforderung und dass bis 15. Dezember 2014 keine Beihilfeentscheidung vorliegt.“

Doch Zweifel an dem Zuschlag gab es von Anfang an. Creditreform-Auskünfte für mache Firmen aus Wilds Gruppe fielen schon im März verheerend aus. Die Capricorn Automotive GmbH etwa bewertete Creditreform mit „sehr schwacher Bonität“, es habe Überschreitungen von Zahlungszielen und teils Inkasso-Beauftragungen gegeben, die Ausfallwahrscheinlichkeit sei weit überdurchschnittlich.

Auch am Nürburgring dauerte es nicht lange, bis es zu Problemen kam. Nur die erste, Ende März fällige Kaufpreisrate von fünf Millionen Euro ging pünktlich auf einem Treuhandkonto der Insolvenzverwalter ein. Schon die zweite Rate Ende Juli blieb aus. Am 13. August verlängerte Lieser die Zahlungsfrist rückwirkend bis Ende Oktober – und beschwichtigte öffentlich sogleich, die Verschiebung hinge nur damit zusammen, dass noch keine Beihilfenentscheidung der EU-Kommission vorliege.

„Bei Vertragsabschluss im März 2014 gingen beide Parteien davon aus, dass die zweite Kaufpreisrate erst nach der im Sommer erwarteten positiven EU-Entscheidung fließen würde“, teilte der Sprecher der Insolvenzverwalter mit. „Vor diesem Hintergrund entsprach es dem gemeinsamen Verständnis der Vertragsparteien, dass die aktuell fällige Zahlung der zweiten Kaufpreisrate auch erst nach der positiven Entscheidung der EU-Kommission erfolgen wird.“ Intern brannte da jedoch schon längst der Baum.

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