Die Vorstände hätten dem Evans-Randall-Fonds ein Darlehen von 52 Millionen Pfund gewährt, das in dieser Höhe nicht vom Aufsichtsrat genehmigt war, haben die Hengeler-Mueller-Juristen herausgefunden. Sie halten wegen dieser „Pflichtverletzung der handelnden Vorstandsmitglieder“ eine Klage durch den IVG-Aufsichtsrat „für aussichtsreich“ und „empfehlen Klageerhebung“. Die Manager haben gegenüber der WirtschaftsWoche zu den Vorwürfen nicht Stellung genommen.
Es dürfte für die vier Herren aber noch dicker kommen. Derzeit wird bei der IVG diskutiert, ob das Gesamtverhalten des IVG-Managements unter Leichnitz „so schadensgeneigt“ war, dass man daraus eine allgemeine Schadensersatzpflicht ableiten könne. Bestätigt sich das, könnte die erwogene Sonderprüfung zu einem der größten Fälle von Managerhaftung in der deutschen Wirtschaft eskalieren.
Korruptionsvorwürfe, Kartelldelikte, Fehlspekulationen – immer massiver werden Unternehmen für Compliance-Verstöße zur Kasse gebeten. Und immer mehr von den Bußen und Wiedergutmachungszahlungen holen sie sich von verantwortlichen Managern zurück.
Versicherungsnehmer bei D&O-Policen ist das Unternehmen. Es schließt sie zum Schutz des Privatvermögens der Manager ab – als Vertrag zugunsten Dritter. Dass die Manager die Rechte aus der Police geltend machen, wenn ihr Arbeitgeber von ihnen Schadensersatz fordert, hilft aber auch der Firma: Sie bekommt Geld nicht nur im Rahmen des Privatvermögens ihrer Führungskräfte zurück, sondern bis zur Deckungssumme in oft zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe.
Genaue Zahlen gibt es nicht, denn D&O-Fälle werden dem Versicherungsverband nicht gemeldet. Unstrittig ist aber: Das Geschäft boomt. Zahlten deutsche Unternehmen laut Berater Hendricks von 2001 bis 2005 insgesamt eine Milliarde Euro an D&O-Versicherungsprämien, erwartet er für 2011 bis 2015 schon 3,5 Milliarden Euro. Auszahlungen und Rückstellungen der Versicherer haben sich im selben Zeitraum auf vier Milliarden Euro verdoppelt.
Die Forderungen machen vor keinem wirtschaftlichen Würdenträger mehr halt, seit Siemens infolge seines Mega-Korruptionsskandals Ex-Vorstandschef Heinrich von Pierer in Haftung nahm. Der Doyen der deutschen Wirtschaft einigte sich mit dem Siemens-Aufsichtsrat vor vier Jahren auf Zahlung von fünf Millionen Euro Schadensersatz an Siemens, Nachfolger Klaus Kleinfeld opferte zwei Millionen Euro.
Die geforderten Summen werden immer höher. So verlangt der Stahlriese ThyssenKrupp von einem früheren Spartenvorstand wegen illegaler Preisabsprachen im Eisenbahngeschäft 103 Millionen Euro Schadensersatz. Beim früheren MAN-Chef Hakan Samuelsson geht es um 237 Millionen Euro und beim Ex-Chef der früheren Karstadt-Mutter Arcandor, Thomas Middelhoff, um 175 Millionen. Die fordert der Insolvenzverwalter von Middelhoff, weil dessen Vorvorgänger Wolfgang Urban einst beim Verkauf von Karstadt-Immobilien ungünstige Verträge abgeschlossen haben soll und Middelhoff nicht dagegen vorging. Dafür wiederum sei er selbst haftbar, was Middelhoff bestreitet.