Attraktive Einzelwerte Freie Bahn mit Übernahmeaktien

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Keine Blase

Milliardenabschreibungen statt fetter Gewinne
Ron Sommer investierte 2001 rund 40 Milliarden Euro in die Übernahme des US-Mobilfunkanbieters Voicestream. Der damalige Telekom-Chef wollte damit den US-Markt erobern - der Plan ging schief. Bis heute leidet die Telekom unter der Übernahme. Im dritten Quartal 2012 hat die Telekom den Buchwert der US-Tochter um brutto 10,6 Milliarden korrigiert. Insgesamt hat die Telekom schon rund 20 Milliarden Euro auf das Übersee-Geschäft abgeschrieben. Der aktuelle Telekom-Chef René Obermann möchte dem Debakel durch eine Fusion mit den Konkurrenten MetroPCS Herr werden. Quelle: AP
2001 kaufte die Deutsche Post unter Klaus Zumwinkel den amerikanischen Expressdienst DHL - für 22 Milliarden Euro. 2005 legte er 5,6 Milliarden Euro für den britischen Kontraktlogistiker Exel hin. Beide Zukäufe brachten das Unternehmen nicht voran. Im Gegenteil: Das US-Inlandsnetz DHL erwies sich als katastrophaler Geldvernichter. DHL konnte sie nie gegen die US-Konkurrenten Fedex und UPS durchsetzen. Mit dem Kauf des Flugdienstes Airborne, der dazu gedacht war, das DHL-Geschäft auszubauen verbrannte der Post-Chef nur weitere 310 Millionen Dollar. 2008 beschloss der neue Konzernchef Frank Appel den Ausstieg aus dem desaströsen US-Geschäft. Quelle: dpa/dpaweb
Unter Jürgen Schrempp fusionierte Daimler 1998 mit den US-Autobauer Chrysler. 36 Milliarden Dollar flossen in die Hochzeit. Die Ehe erwies sich als eine der größten Pleiten der Automobilindustrie. Dank Chrysler rutschten die Stuttgarter in die roten Zahlen. Schrempp-Nachfolger Dieter Zetsche machte der glücklosen Verbindung 2007 ein Ende und verkaufte Chrysler. Kosten für den Fehlgriff: 30 Milliarden Euro. Weitere Milliarden verbrannte Daimler-Chef Schrempp mit der Beteiligung an Mitsubishi - 2005 stiegen die Schwaben wieder aus. Quelle: dpa/dpaweb
Ursprünglich wollte Ex-E.On-Chef Wulf Bernotat den spanischen Energiekonzern Endesa komplett übernehmen und dafür 42,3 Milliarden Euro locker machen. Stattdessen kamen die italienische und spanische Konkurrenz zum Zug. E.On musste sich mit Beteiligungen im Wert von 11,5 Milliarden Euro zufrieden gegeben - immer noch viel zu viel wie sich herausstellte. Ende 2011 waren die Beteiligungen nur noch gut 9,4 Milliarden Wert. Durch die missglückte Expansion nach Südeuropa hat den Energiekonzern bisher Abschreibungen im Wert von 6,5 Milliarden Euro angehäuft. Quelle: AP
Siemens-Chef Peter Löscher zieht 2009 die Übernahme des israelischen Solarthermie-Unternehmens Solel durch. Kosten: 284 Millionen Euro. Jetzt will er die Sparte wieder loswerden. Im Geschäftsjahr 2010/11 musste Siemens auf Solel insgesamt 231 Millionen Euro abschreiben. Etwa fünf Milliarden Euro zahlte Siemens für das US-Unternehmen Dade Behring, mehr als das Vierfache des Jahresumsatzes oder fast das 19-Fache des Gewinns vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen. Als völlig überteuert kritisierten viele Analysten den Deal – und behielten recht. Im Herbst 2010 musste Löscher auf Dade Behring schließlich 1,1 Milliarden Euro abschreiben. Grob verschätzt hat sich Löscher auch beim Kauf der oberbayrischen Leuchtenfirma Siteco durch die Siemens-Tochter Osram im Februar 2011. Der Kaufpreis lag bei 260 Millionen Euro. Siteco entwickelt sich, etwa wegen der schwächeren Margen im Lichtgeschäft, schlechter als erwartet. Ende Juni schrieb Osram 100 Millionen Euro ab. 2010 fuhr Siteco einen operativen Verlust von 6,9 Millionen Euro ein. Weder Siemens noch Osram verraten, ob die Tochter inzwischen profitabel ist. Quelle: REUTERS

Wichtig: Die Avancen der meisten Aufkäufer sind aktuell nicht spekulativ getrieben, Anleger investieren also nicht in eine Blase. "Die derzeit laufenden Übernahmen entspringen nahezu alle einer industriellen Logik, um die Wertschöpfung zu verbessern", sagt Ulmer.

Mit knapp 59 Milliarden Dollar in den ersten neun Monaten 2012 liegt das Volumen an angekündigten Übernahmen in Deutschland zehn Prozent höher als 2011 und auf dem höchsten Niveau seit 2009. Große Übernahmen sind der Kauf von 50,1 Prozent an Porsche durch VW für umgerechnet 8,8 Milliarden Dollar und der ankündigte Einstieg der Telekom bei der amerikanischen MetroPCS. Zwei Ligen darunter will die niederländische Technologie-Holding THK den Münchner Konkurrenten Augusta schlucken, und die Luxemburger Redline Management Capital versuchte gerade, den Online-Kunsthändler Artnet feindlich zu übernehmen. Freundlich erwarb vor gut einer Woche der Regensburger Immobilienunternehmer Johann Vielberth zehn Prozent am Computerhändler Cancom – da könnte kurssteigernd noch mehr gehen.

Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln

Keine Gewinne im Wildwest-Segment

Doch auch bei vielen mittelständischen Industrieunternehmen sind für Anleger lukrative Gewinne nach Übernahmen drin. So hat sich der Kurs des Kranbauers Demag seit 2009 mehr als vervierfacht, nachdem US-Wettbewerber Terex sukzessive 82 Prozent der Aktien eingesammelt hat. Zuletzt boten die Amerikaner 45,50 Euro je Demag-Aktie, der Kurs jedoch notiert um gut zehn Prozent über dem Angebot, weil der gefürchtete Londoner Hedgefonds Elliott gegen die Offerte vor Gericht gezogen ist, um mehr Geld herauszuschlagen.

Elliott hält 12,7 Prozent an Demag. Sollten sich Terex und Elliott auf eine höhere Abfindung einigen, hätten Privataktionäre in diesem speziellen Fall möglicherweise nichts davon. Denn Demag hat kürzlich das regulierte Börsensegment verlassen und ist in das Wildwest-Segment Entry Standard mit schlaffen Regeln gewechselt. Dort müssen Unternehmen nicht alle Aktionäre gleich behandeln. Ein Trost aber bleibt: Alle Aktionäre erhalten zukünftig jedes Jahr 3,33 Euro je Aktie, zumindest bis 2017. Erst dann kann ein Beherrschungsvertrag, den Terex und Demag dieses Jahr geschlossen haben, erstmals gekündigt werden.

Technologie bevorzugt

Höchste Chancen in der ersten Phase

Grundsätzlich läuft eine Übernahme in vier Phasen ab, die unterschiedlich hohe Kursgewinne für Aktionäre versprechen.

In der ersten Phase erwirbt ein Aktionär einen wesentlichen, aber nicht dominierenden Anteil. Ab einem Anteil von drei Prozent am Unternehmen ist ein Käufer erstmals verpflichtet, seine Beteiligung zu melden. Die weiteren Schwellen sind 5, 10, 15, 20, 25, 50 und 75 Prozent. Zudem sind Derivate, über die später Aktien erworben werden können, ebenfalls meldepflichtig, ab einer Schwelle von fünf Prozent. In der Phase des Ersteinstiegs eines potenziellen Aufkäufers sind generell die Chancen auf hohe Kurssteigerungen am höchsten einzuschätzen. "Privatanleger können beobachten, wann und zu welchem Preis größere Aktionäre einsteigen, aufstocken oder bestimmte Schwellen überschreiten und sich dann entscheiden, mitzuziehen oder eventuell bei höheren Kursen im Übernahmeprozess auch auszusteigen", sagt Ulmer von Allen & Overy.

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