Finanzkrise und Mindestlohn Der Markt schlägt zurück

Ob Finanzkrise oder Mindestlohn - der Markt wird sich durchsetzen. Das Zusammenspiel zwischen Angebot und Nachfrage lässt sich nicht aushebeln. Nur wer das anerkennt, kann Arbeitsplätze sichern und Wohlstand fördern.

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Warum ist das Öl so teuer? Antwort: Weil die Nachfrage weltweit so groß ist, besonders in Schwellenländern wie China und Indien. Und warum sind Neuwagen in Deutschland so billig? Weil die Käufer aufgrund des hohen Ölpreises und der Klimadebatte verunsichert sind und abwarten. Dem hohen Angebot steht schlicht eine zu geringe Nachfrage gegenüber. Zwei Beispiele, eine Binsenweisheit: Angebot und Nachfrage beeinflussen auf den Märkten maßgeblich die Preisbildung, daran ändern auch Wehklagen aus Politik und Verbänden nichts.

Es wäre hilfreich für die politische Kultur und das volkswirtschaftliche Vorankommen in Deutschland, wenn sich einfachste ökonomische Zusammenhänge in den politischen Zirkeln herumsprechen würden. Dann würde vielleicht niemand mehr auf die naive Idee kommen, einen möglichst hohen Mindestlohn zu fordern. Hier lautet die Binse: Je höher der Stundenlohn, desto weniger werden ihn zahlen, desto höher steigt die Arbeitslosenzahl. Die Tatsache, dass sich nur noch vermögende Haushalte einen Klempner leisten können und alle anderen auf Baumärkte und schwarzarbeitende Nachbarn zurückgreifen, wenn die Wasserleitung verstopft ist, kann man ja nicht wirklich als Erfolgsmodell sehen.

In südlichen Ländern werden Mindestlöhne übrigens vor allem dazu genutzt, das Lohnniveau auf breiter Front niedrig zu halten: Der Staat legt dort fest, wie sich der Mindestlohn entwickelt, die Tarifvertragsparteien gucken zu. Auch kein Vorbild, oder?

Der Markt lässt sich nicht überlisten. Zu einem vernünftig laufenden Markt gehört seit dem Ende der Tauschwirtschaft zum Beispiel auch ein funktionierender Geld- und Zahlungsverkehr. Binse: Der, der zu viel hat, stellt dem Markt Geld zu Verfügung, und der, der Geld braucht, fragt es nach. Das hat jahrhundertelang geklappt, und zwar zunehmend besser und immer globaler. Jetzt stottert das System: Der Interbankenmarkt ist so gut wie tot, weil sich die Banken untereinander nicht mehr vertrauen, weshalb der Geldverkehr nur mit Milliardenhilfen der Zentralbanken vor dem Kollaps bewahrt werden kann. Käme es zum Zusammenbruch einer Bank, wäre ein Dominoeffekt nicht ausgeschlossen, dann könnte es kleinen Privatkunden ans Ersparte gehen. Das soll verhindert werden. Die Aussichten der ehrwürdigen Kreditwirtschaft für das neue Jahr sind alles andere als ermunternd.

Dass es überhaupt so weit kam, war absehbar für alle, die die Marktmechanismen durchschauen. Die Geschichte begann mit der ungesunden Überschwemmung der Vereinigten Staaten mit viel zu billigem Geld. Ziel der US-Zentralbank Federal Reserve war es, mit niedrigen Zinsen die Konjunktur anzukurbeln. Die Nachfrage wurde künstlich hochgeschraubt, indem vor allem diejenigen mit Krediten überhäuft wurden, die bei nüchterner Betrachtung keine ausreichende Bonität hatten, die vorher also keine Chance auf ein Darlehen hatten. Mark Twain hat nicht ohne Grund einmal gesagt: "Die Bank leiht Ihnen Geld, wenn Sie beweisen können, dass Sie es nicht brauchen." Die krasse Missachtung dieser alten Bankerregel funktionierte, solange die amerikanische Wirtschaft brummte und die Zinsen billig blieben. Das System brach erst zusammen, als die Zinsen steigen mussten, weil sich die Wirtschaft zu überhitzen drohte. Marktkenner wussten das vorher.

Jede Bank weltweit, die an diesen Subprime-Krediten und ihren Verbriefungen Gefallen gefunden hatte, hängt jetzt mehr oder weniger in den Seilen. Wären sie vernünftig geblieben - hätten die Banker also ihren Job gemacht, das Risiko richtig eingeschätzt und bepreist, mehr auf die Bonität und die nachhaltige Zinsmarge geachtet -, wäre das Desaster so nicht passiert.

Viele deutsche Banken haben sich bei diesen fernen amerikanischen Krediten deswegen mehr oder weniger die Finger verbrannt, weil sie ebenfalls nicht marktmäßig operiert haben: Häuser wie die Düsseldorfer IKB und die SachsenLB, die im Laufe des Sommers 2007 mühsam vor dem Zusammenbruch bewahrt werden mussten, meinten, ihr ertragsschwaches Kerngeschäft mit Spekulationen dieser Art aufpeppen zu müssen. Obwohl sie offenkundig keine Ahnung hatten, auf welche Risiken sie sich einließen. Andere Marktteilnehmer hatten das durchaus erkannt. Ein Banker erzählte kürzlich, dass sowohl IKB als auch SachsenLB bei den internationalen Verbriefungsexperten in dem zweifelhaften Ruf standen, immer wieder an übergroßen Tranchen von "stupid money" interessiert zu sein. Diese maßlose Gier nach dem gut verzinsten "dummen Geld", das irgendwann versiegen musste, ist beiden Banken zum Verhängnis geworden. Die Spekulation auf den kleinen US-Zinsvorteil kostet jetzt Milliarden an Reparaturgeld.

Ein Ende der Krise ist nicht absehbar, weil der Markt und seine manchmal schonungslosen Selbstheilungskräfte immer noch außer Kraft gesetzt sind. Die Überflutung der Finanzmärkte mit Liquidität, auf die sich die Notenbanken verständigt haben, wirkt wie Methadon bei Drogensüchtigen: Statt eine harte Entziehungskur zu verordnen, setzen die Zentralbanker auf die kontrollierte Ausgabe weiterer Drogen. Die Ursache des Problems wird dabei nicht beseitigt. Doch schon heute ist klar: Die nachhaltige Überwindung der Krise, die Heilung der schwer erkrankten Finanzmärkte, wird nur unter Schmerzen und Blutvergießen möglich sein. Ein Anästhesist kann den Chirurgen nicht ersetzen.

Mehr Vertrauen zum Markt kann helfen, Fehlentwicklungen dieser Art in Zukunft zu vermeiden. Mehr Mut zum marktgemäßen Handeln wäre auch für das öffentlich-rechtliche Bankwesen in Deutschland nötig, das in besonderer Weise unter der Subprime-Krise leidet. Warum? Weil viele Landesbanken und Großsparkassen kein stabiles und zukunftsfähiges Geschäftsmodell haben. Sie müssten sich zu größeren Einheiten zusammenschließen, um Skalen- und Synergieeffekte zu nutzen, stecken aber vielfach immer noch den Kopf in den Sand und versuchen, sich allein durchzumogeln. Die Finanzkrise wird dafür sorgen, dass die seit Jahren verzögerte Konsolidierung im nächsten Jahr große, wahrscheinlich auch überraschende Fortschritte macht.

Leider hat die Politik noch nicht erkannt, dass die Neuordnung der Landesbanken nur dann erfolgreich sein wird, wenn marktfähige Lösungen gefunden werden. Die nette Idee der CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch und Jürgen Rüttgers, WestLB, IKB und Helaba zu einer Bank zusammenzuschweißen, hat einen entscheidenden Haken: Bisher ist nicht erkennbar, wie die beiden schwächelnden Düsseldorfer Institute, die bisher kein tragfähiges Geschäftsmodell haben, gemeinsam mit der gesunden Helaba dauerhaft und renditestark Bankgeschäfte betreiben können. Die Helaba darf ja vom rheinischen Fieber nicht angesteckt werden. Banker waren an der Geburt der Fusionsidee nicht beteiligt. Der Markt wird einem faulen Kompromiss seinen Segen gewiss verweigern - der Markt in Form der Anleihekäufer und Ratingagenturen, die für die Refinanzierung unverzichtbar sind. Wieso thematisiert eigentlich niemand die Marktfähigkeit des Geschäftsmodells?

Eines steht schon heute fest: Der Markt wird sich durchsetzen. Bei den Banken ebenso wie in der Autobranche. Nur der Kunde entscheidet, welche Herstellermarke auch in Zukunft gute Absatzchancen hat. Und nicht die EU-Kommission, die kurz vor Weihnachten mit klimapolitisch ehrgeizigen, aber marktfremden Vorschlägen versucht hat, die Industrie in die Zwangsjacke zu stecken. Brüssel ignoriert, dass allein der Markt entscheidet: Es gibt ja längst Serienautos mit extrem niedrigem CO2-Ausstoß. Aber kaum einer kauft sie. Warum sollte ein Hersteller am Kunden vorbeiproduzieren? Das wäre Selbstmord.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Nur wer anerkennt, dass sich der Markt mit Angebot und Nachfrage, Wettbewerb und Wachstum weiterentwickelt, kann Arbeitsplätze sichern und Wohlstand fördern. Allein darauf sollte sich die Politik konzentrieren. Jeder Versuch, sich gegen die Marktkräfte zu stemmen, ist Geld- und Zeitverschwendung.

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