Finanzprodukte Gutes Gewissen zu verkaufen

Das Geschäft mit der nachhaltigen Geldanlage hat sich in den vergangenen Jahren von der Nische für Gutmenschen zum Aufenthaltsraum für aufgeklärte Anleger gewandelt. Doch die Anbieter stellen sich selbst ein Bein: Weil die Palette so bunt ist, fällt es Anlegern immer schwerer, sich zurechtzufinden.

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Per se grüne oder ethische Geldanlage gibt es nicht. Beispiel Atomkraft: Ist Kernenergie, hier das Atomkraftwerk Biblis, grün oder nicht? Quelle: dpa

BERLIN/FRANKFURT. Sie heißen Bauminvest, Invera Invest Ethic, Oeco Capital und Umweltbank: An Anlaufstationen für ethisch und ökologisch korrekte Geldanlage mangelt es den knapp 15 000 privaten Anlegern, die bis Sonntag auf der größten deutschen Anlegermesse Invest in Stuttgart nach Ideen fürs Geld anlegen suchten, nicht. Von heute dann können professionelle Anleger auf dem zweitägigen Sustainibility-Congress in Bonn entscheiden, wo sie mit ihrem Vermögen hinwollen.

Keine Frage: Das Geschäft mit der nachhaltigen Geldanlage hat sich in den vergangenen Jahren von der Nische für Gutmenschen zum Aufenthaltsraum für aufgeklärte Anleger gewandelt. Mit dem Aufschwung von Bionade und T-Shirts aus ökologisch korrekter Baumwolle hat sich auch die Geldanlage verändert.

Der Markt ist so unübersichtlich wie seine Kriterien

Und natürlich lassen sich auch in der Investmentbranche Produkte für ein gutes Gewissen gut verkaufen. Begriffe wie green, öko, ethic oder sustainability gehen immer. Die Produktvielfalt ist in den vergangenen Jahren, ausgelöst durch Klimawandel und ein hohes ethisches Bewusstsein, enorm gestiegen. Doch Masse schafft nicht Klasse. Im Gegenteil: Der Markt ist inzwischen genauso unübersichtlich wie das Anlagespektrum, die Kriterien und die potenziellen Interessenten.

"Nachhaltigkeit lässt sich nicht an Finanzkennziffern messen", sagt Hendrik Garz, Analyst bei der WestLB. Deswegen stellen sich viele Anleger unter diesem Begriff auch völlig unterschiedliche Konzepte vor. Den einen geht es darum, nicht direkt in Waffen und Rüstung, Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Pornografie oder Abtreibung zu investieren. Andere sehen eher den Umweltaspekt im Vordergrund, Dritte wiederum differenzieren nach unternehmerische Standards wie Gleichberechtigung, Arbeitsschutz oder gerechter Entlohnung.

Zu guter Letzt soll natürlich auch die Rendite klingeln. "Eine nachhaltige Geldanlage muss zunächst denselben Anspruch haben wie jede andere Geldanlage auch: Rentabilität, Liquidität und Risiko müssen stimmen", sagt Daniela Ludin, Professorin an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg mit dem Schwerpunkt Nachhaltige Geldanlage.

Um in den Wust der unterschiedlichen Produkte Ordnung zu bringen, hilft die Unterteilung in eine grüne und eine blaue Gruppe, wie sie die Stiftung Warentest gerade in der aktuellen Ausgabe ihrer Zeitschrift "Finanztest" beschrieben hat. Grün steht dabei für den Schutz der Umwelt, blau für ethische Standards.

Allerdings ist auch das kompliziert. Die per se grüne oder ethische Geldanlage gibt es nicht. Beispiel Atomkraft: Während nachhaltige Investoren diese Energiequelle hierzulande kategorisch ablehnen, gilt Atomkraft in Frankreich als Lösung gegen den Klimawandel und ist deswegen grün.

Großinvestoren üben direkten Einfluss aus

Ähnlich driften die Meinungen gegenüber ökologisch bedenklichen Branchen wie der Luftfahrt oder der Automobilindustrie auseinander. Während sie mancher Investor generell als umweltschädigend ablehnt, gibt es beispielsweise viele, die einen sogenannten "best-in-class"-Ansatz wählen. Eine Branche wird damit nicht generell abgestempelt, sondern stattdessen der nachhaltigste Vertreter herausgefischt. Bei den Autobauern gilt BMW laut den Analysten der Schweizer Ratingagentur SAM Group als führend. Doch andere Kriterien, andere Ratings: Bei der Schweizer Bank Sarasin steht BMW-Konkurrent Peugeot an erster Stelle.

Schwer zu durchblicken sind die Renditen, die angeblich mit nachhaltigen Investments zu erzielen sind. So haben Nachhaltigkeitsfonds in den äußerst turbulenten vergangenen fünf Börsenjahren im Schnitt eine Rendite von 7,5 Prozent über diesen Zeitraum erbracht, während der globale Leitindex MSCI World auf der Stelle getreten ist. Das zeigt die Untersuchung des Sustainable Business Institute unter 60 Nachhaltigkeitsfonds.

Soweit, so gut. Die jüngsten Untersuchungen der Stiftung Warentest aber ergeben wegen anderer Herangehensweise ein anderes Ergebnis. Die sauberen Fonds konnten demnach mit den herkömmlichen in den vergangenen fünf Jahren lediglich gut mithalten. Die Ökofonds haben sich etwas besser als die Masse entwickelt, die Ethikfonds etwas schlechter.

Diese Erfahrung deckt sich auch mit langfristigen Untersuchungen. "Nach 30-jähriger Forschung wissen wir, dass nachhaltige Anlagen marktfähige Renditen erbringen und in Einzelfällen outperformen", sagt Henry Schäfer, Professor an der Universität Stuttgart. Doch es gibt auch negative Erfahrungen. Beispielsweise haben in den 1990er-Jahren viele Anleger blauäugig in den Bereich Windkraft investiert. "Die Erträge waren häufig unterdurchschnittlich", sagt Robert Borm, Analyst bei der Ratingagentur Scope und spezialisiert auf Fonds für Erneuerbare Energien.

Manchen nachhaltigen Investoren geht es allerdings tatsächlich weniger um Rendite als darum, direkten Einfluss auf ein Unternehmen auszuüben, so dass es ethische, soziale und ökologische Standards besser umsetzt. Das gelingt natürlich nur Großanlegern, die eine entsprechend hohe Zahl an Aktien im Depot haben. Dann aber ist die Marktmacht beträchtlich.

Ein norwegischer Pensionsfonds, der rund ein Prozent aller Metro-Aktien hält, forderte von Konzernchef Eckhard Cordes kürzlich ein Gespräch über Kinderarbeit und soziale Standards in der Zuliefererkette. Seither gibt es im Metro-Konzern, zu dem der Kaufhof, Real, Media-Markt und Saturn gehören, ein konzernübergreifendes Sustainability Board mit Cordes als Vorsitzendem.

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