Rohstoff-Roulette Hitzewelle treibt Getreidepreise in die Höhe

Die Preise für Getreide schießen erneut in die Höhe. Händler sagen, das liege an der Dürre in Südamerika. Doch nicht nur das Wetter beeinflusst die Agrarpreise. Auch die Spekulanten treiben die Preise in die Höhe. Selbst ein angesehener Geistlicher mischt im Rohstoffpoker mit. Nur die deutschen Bauern profitieren davon bislang nicht.

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Ein Bauer fährt die Ernte ein: Von steigenden Preisen hatten die Landwirte bisher wenig. Quelle: ap

hac/HB FRANKFURT. An der Rohstoffbörse in Paris hat sich der Weizenpreis am Mittwoch auf 249 Euro je Tonne verteuert. Es war der höchste Stand seit März 2008. Auch andere Getreidepreise kennen seit Wochen nur eine Richtung: Der Preis für Mais ist im vergangenen Monat um 16 Prozent gestiegen, auf Jahressicht hat er mehr als 50 Prozent zugelegt.

Es ist die Sorge vor einem Angebotsengpass, die die Preise in die Höhe treibt. Jeder habe nur einen Gedanken im Kopf; nämlich die Risiken für die Ernten in Argentinien und Brasilien, sagte ein Händler. Die anhaltende trockene Hitze in den südamerikanischen Staaten bedrohe einen großen Teil der Weizenernte. "Wir haben so um die 16 Euro in zehn Tagen zugelegt, und es wird definitiv noch mehr, falls wir Beweise kriegen, dass die Ernte in Südamerika beeinträchtigt ist" Der Markt sei ein echter Wettermarkt.

In den vergangenen Monaten sorgten Wetter-Kapriolen immer wieder für enorme Kursausschläge: Die Jahrhundert-Dürre und die Waldbrände in Russland führten im Sommer binnen weniger Wochen zu einer Verdoppelung des Weizenpreises. Schlechte Ernten sorgten bei Rohzucker zu einem Plus von bis zu 150 Prozent.

Doch nicht nur das Wetter beeinflusst die Agrarpreise. Die Ursachen für steigende Preise liegen tiefer. "Langfristig werden Agrar-Rohstoffe teurer", ist sich Rohstoff-Analyst Axel Herlinghaus von der DZ Bank sicher. "Die drei wichtigsten Faktoren sind dabei das Bevölkerungswachstum, die steigende Nachfrage aus Schwellenländern und der Trend zu Bio-Kraftstoffen."

Infolge des wachsenden Wohlstands in Boom-Ländern wie China oder Indien leisten sich dort immer mehr Menschen beispielsweise Milchprodukte oder Genussmittel wie Schokolade. Gleichzeitig hält der Trend zu Treibstoffen aus Pflanzen an: In Deutschland solle der Anteil von Bioethanol im Benzin ab Januar 2011 auf zehn Prozent verdoppelt werden. In den USA ist sogar eine Beimischung von bis zu 15 Prozent möglich.

Wenn die Aussicht auf steigende Preise lockt, sind findige Investoren nicht weit. Die Banken vermarkten Rohstoffe längst als eigene Anlageklasse. Von Goldman Sachs über Deutsche Bank bis Credit Suisse - die gesamte Finanzbranche baut den Rohstoffhandel aus. Das zeigt auch ein Blick auf die Handelsstatistik der US-Aufsichtsbehörde für den Handel mit Rohstoff-Derivaten (CFTC): Der Anteil der von Finanzinvestoren gehaltenen Agrar-Futures steigt kontinuierlich.

Während früher vor allem professionelle Investoren in Rohstoffe investierten, sind inzwischen auch Kleinanleger auf den Geschmack gekommen und stecken ihr Geld in Kakaobohnen, Soja oder Weizen. Selbst ein Geistlicher hat sich dem Trend angeschlossen. Pater Anselm Grün, der seit 34 Jahren die Finanzen des Klosters im unterfränkischen Münsterschwarzach betreut, investiert in "Rohstoffe jeglicher Art", verriet er kurz vor Weihnachten in einem Interview.

Die deutschen Bauern profitieren indes wenig von höheren Erzeugerpreisen, zumindest bislang noch nicht. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbands (DBV) war dieses Jahr für die deutschen Ackerbaubetriebe schon das zweite schwierige Jahr in Folge. Extreme Witterungs- und Erntebedingungen hätten zu Mindererträgen geführt.

Nach den vorläufigen Ergebnissen wurden im Jahr 2010 in Deutschland rund 44 Millionen Tonnen Getreide geerntet. Im Vergleich zum Vorjahresergebnis ist die diesjährige Ernte damit gut elf Prozent geringer ausgefallen.

Gleichzeitig hatten die Bauern wenig von steigenden Preisen, da Teile der Ernte 2010 bereits im Frühjahr über Vorkontrakte zu erheblich niedrigeren Preisen vermarktet worden sind. Außerdem war die Qualität großer Mengen an Weizen nicht gut genug für die Herstellung von Nahrungsmitteln, so dass der Weizen zu geringeren Preisen als Tierfutter verkauft werden musste. Auch die seit einiger Zeit wieder steigenden Düngemittelpreise kosteten die landwirtschaftlichen Betriebe mehr Geld.

Immerhin sehen die Aussichten dank des kräftigen Preisanstiegs besser aus: Wenn die Vorkontrakte für die Ernte 2011 abgeschlossenen werden, können die Bauern deutlich höhere Preise als zuletzt verlangen.

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