Schlussbericht: Börse Frankfurt Dax beendet 2008 mit 40 Prozent Minus

Der deutsche Aktienmarkt hat sich am letzten Handelstag des Jahres von seiner besseren Seite gezeigt. Für die Anleger allerdings ist das ein ganz schwacher Trost. 2008 wird als eines der schlechtesten Börsenjahre in die Geschichtsbücher eingehen.

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Auf ein Besseres im Neuen Jahr: Kursgewinne des Dax an den letzten Handelstagen sind allerdings noch kein Omen für 2009. Quelle: dpa

HB FRANKFURT. Der deutsche Aktienmarkt hat am Dienstag seine Mini-Rally vom Vortag fortgesetzt und komfortabel im Plus geschlossen. Der Dax legte 2,24 Prozent auf 4 810 Zähler zu. Der MDax mittelgroßer Werte kletterte um 1,59 Prozent auf 5 601 Punkte und der TecDax stieg um 1,96 Prozent auf 508 Zähler. Die Börse schloss bereits um 14 Uhr.

Trotz versöhnlichem Jahresausklang wird das Jahr 2008 den Anlegern vor allem als Horrorjahr in Erinnerung bleiben. Gut 40 Prozent hat der Dax in den vergangenen zwölf Monaten an Wert verloren. Damit geht 2008 als das zweitschlechteste Jahr in die 20-jährige Geschichte des Leitindex ein. Nur 2002 hatte er mit 44 Prozent noch mehr verloren. Seither hatte der Dax kontinuierlich zugelegt - fünf Jahre in Folge. "Gut, dass dieses Jahr vorbei ist", sagte Aktienhändler Stefan de Schutter von alpha Wertpapierhandel.

Kaum besser sieht es für den MDax aus. Auf Jahressicht steht ein dickes Minus von 43,22 Prozent zu Buche. Das Technologiebarometer TecDax verabschiedete sich 47,84 Prozent leichter als noch Anfang Januar aus dem Handel.

Einziger Gewinner im Dax sind mit großem Abstand die VW-Aktien, die gegenüber dem Vorjahresschluss 60 Prozent zugelegt haben. Zweitbester Dax-Wert waren die Titel des Index-Aufsteigers K+S, die das Jahr nahezu unverändert mit einem relativ moderaten Abschlag von 1,8 Prozent abschlossen. Auf Platz drei landeten die Aktien des Dialysespezialisten FMC mit einem Minus von 9,2 Prozent.

Besonders schwach entwickelten sich 2008 die Aktien der Finanzbranche. Im Dax lagen die Titel der Commerzbank mit einem Verlust von 74,7 Prozent und die der Postbank mit einem Minus von 74,5 Prozent weit hinten. Abgeschlagen auf dem letzten Platz waren aber die Titel des Chipherstellers Infineon. Die Aktien rutschten als erster Dax-Wert unter die Ein-Euro-Schwelle. Am Dienstag schlossen die Titel mit 96 Cent zwar 16 Prozent höher. Zum Vorjahr belief sich das Minus aber immer noch auf 88,1 Prozent.

Insgesamt seien Werte mit hoher Verschuldung am deutlichsten abgestraft worden, sagte ein weiterer Börsianer. Ein Beispiel hierfür sei Pro Sieben Sat.1 Media . Mit einem Plus von 9,09 Prozent auf 2,40 Euro übernahm die Vorzugsaktie des TV-Senders zwar zum Jahresausklang nochmal die Spitze im MDax - insgesamt mussten Anleger aber ein Minus von 85 Prozent schlucken. Auch die in den vergangenen Jahren hochfliegende Solarbranche habe die Schattenseiten an der Börse gezeigt bekommen. Der Branchenprimus Solarworld war zu Anfang des Jahres noch fast dreimal soviel wert.

"Die negativen Höhepunkte 2008 waren sicherlich ausgehend aus den USA die zahlreichen Bankenpleiten. Mittlerweile hängen viele Banken am Tropf des Staates und nehmen kaum mehr am Kapitalmarktgeschehen teil. Dabei wurde in den USA mit dem Zusammenbruch der Investmentbanken eine ganze Branche zerstört", sagte de Schutter. Damit falle für die internationalen Börsen ein großer Nachfrager auch für das kommende Jahr weg. Insgesamt sei viel Geld und Reputation vernichtet worden, die nun vom Staat und den Notenbanken zurückgeholt werden soll.

Den ersten großen Schlag gab es Ende Januar, als sich der Händler Jerome Kerviel von Societe Generale verspekuliert hatte und der Markt zunächst ohne erkennbaren Grund einbrach. Die ausufernde Finanzkrise hat dem Markt dann den Rest gegeben.

2009 steht den Märkten ein schwieriges jahr bevor. Experten rechnen damit, dass die Auswirkungen der Finanzmarktkrise in der ersten Jahreshälfte voll durchschlagen werden und der Deutsche Aktienindex Dax im Januar und Februar neue Rekordverluste verzeichnen könnte. Nach Aufräumarbeiten in den Bilanzen könnte dann frühestens in der Jahresmitte ein schwaches Leuchten am Ende des Tunnels erkennbar werden. Das zarte Licht könnte die Hoffnung und Investitionsfreude der Börsianer entfachen und den Dax nach Meinung von Experten in der zweiten Jahreshälfte über die Hürde von 5 000 Punkten tragen. Ende des Jahres 2009 könnte das Börsenbarometer dann - günstige Rahmenbedingungen vorausgesetzt - bei 5 500 oder 6 000 Punkten liegen.

Die elf von dpa-AFX befragten Experten rechnen mit einem mehr oder weniger deutlichen Anstieg des Dax über 5 000 Punkte zum Ende des kommenden Jahres. Während die Postbank binnen Jahresfrist einen recht bescheidenen Anstieg auf 5 150 bis 5 350 Punkte erwartet, setzt die Helaba darauf, dass der Dax Ende 2009 die 6 000 Punkte ins Visier nimmt. Die Bremer Landesbank rechnet gar schon innerhalb des zweiten Halbjahres mit einem Anstieg auf 6 000 Punkte, der damit den Höhepunkt des Börsenjahres markieren könnte.

Einige Experten wollen angesichts der bestehenden Schwierigkeiten gar keine Dax-Prognose beziffern, andere wollen sich nur vage äußern. Einen Anstieg von bis zu 15 Prozent erwartet beispielsweise Fortis. Allerdings könne es im schlimmsten Fall auch noch einmal zehn Prozent abwärts gehen. Deutliche Worte findet Fidel Helmer von Hauck & Aufhäuser Privatbankiers: "Diese Prognosen können Sie in den Schornstein werfen. So etwas wie das vergangene Jahr habe ich in den 38 Jahren, in denen ich mich nun mit Börse befasse, noch nicht erlebt."

Die enorme Unsicherheit über die konjunkturelle Entwicklung und den Fortgang der Finanzkrise wird zu Jahresbeginn die Nervosität der Anleger steigern und für einen holprigen Start in das neue Börsenjahr sorgen. "Ich denke, dass wir im Januar und Februar kommenden Jahres die Tiefstkurse sehen werden. Ab Ende des zweiten Quartals dürften sich die Märkte dann langsam wieder erholen", sagte Marktstratege Helmer und entspricht damit der Mehrheit der befragten Experten. "Es wird schlechter, ehe es besser wird", fasst die WestLB zusammen. 2009 werde ein schwieriges Jahr, das aber im späteren Verlauf einen zumindest langsamen Aufstieg aus der globalen Rezession bringen könne.

Die LandesBank Berlin sieht aus charttechnischer Perspektive erst bei einem Dax-Stand oberhalb von 5 300 Punkten eine nennenswerte Verbesserung der Lage. "Ein Unterschreiten der im Herbst markierten Tiefstände halten wir jedoch aus fundamentaler und technischer Sicht eher für möglich und raten Anlegern daher, weiter vorsichtig positioniert zu bleiben", warnen die Experten aus der Hauptstadt. Auch viele Aktienhändler sehen in der aktuellen Schwächephase - aber anders als häufig üblich - für den Privatanleger nicht unbedingt verlockende Einstiegschancen. "Für einen Einstieg ist es noch zu früh", sagte ein Aktienhändler.

Auch bei HSBC sieht man in niedrigen Bewertungen nicht per se eine Garantie für steigende Notierungen. Vielmehr können die Bewertungen in Zeiten unsicherer Gewinn- und Konjunkturprognosen längere Zeit auf niedrigem Niveau verharren, warnt Christian Heger, Verantwortlich für Anlagestrategien bei HSBC Global Asset Management. "Während die Voraussetzungen für eine kurzfristige Rallye an den Aktienmärkten im Zeitraum Dezember bis Februar günstig wie selten erscheinen, ist es aus unserer Sicht für einen nachhaltigen Aufschwung noch zu früh". Der Tiefpunkt dürfte vielmehr erst Mitte 2009 mit dem von HSBC erwarteten Tiefpunkt der Gewinnrevisionen zusammenfallen.

Bei der Privatbank Sal. Oppenheim hoffen die Experten ebenfalls ab dem zweiten Quartal 2009 auf eine allmähliche Stabilisierung der weltweiten Konjunktur. Motiviert durch eine sehr aggressive Fiskal- und Geldpolitik könne der Aktienmarkt Ende des ersten Halbjahres deutlichen Auftrieb spüren. "Zur Jahresmitte könnte der Dax bei 6 000 Punkten stehen", sagt Matthias Jörss, leitender Aktienstratege bei Sal. Oppenheim. Allerdings dürften Zweifel an der Nachhaltigkeit der Erholung den Elan der Börsianer bremsen und in einen neuerlichen Abschwung münden. Am Jahresende könnte der Dax dann wieder auf einen Stand von 4 800 bis 5 400 Punkten fallen.

Für Privatanleger sei der Einstieg in den Aktienmarkt in erster Linie wegen der Abgeltungsteuer anzuraten. Dabei sollten die Anleger vor allem auf Titel mit einer hohen Dividende setzen, die durch einen hohen Mittelzufluss gestützt werde. Weiteres Auswahlkriterium sollte eine niedrige Verschuldung und ein konjunkturstabiles Geschäftsmodell sein.

Optimistisch blickt indes der belgisch-niederländische Vermögensverwalter Fortis auf das Börsenjahr: 2009 werde "das Jahr der Extreme", sagte Fortis-Chefanlagestratege William de Vijlder. "Auch 2009 werden die Finanzmärkte außergewöhnlich volatil bleiben. Die Aktienkurse werden trotz anhaltender Unsicherheiten steigen, weil das derzeitige Kursniveau bereits eine Rezession berücksichtigt." In der zweiten Jahreshälfte 2009 dürfte sich dann eine allmähliche Konjunkturerholung abzeichnen. De Vijlder hält einen Anstieg der Aktienkurse "von 15 Prozent oder mehr für wahrscheinlich". Es sei "an der Zeit, nicht nur die Risiken sondern auch die Chancen zu sehen.

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