Währungsunion 10 Jahre Euro: Eine Erfolgsgeschichte

Der Euro wird zehn Jahre alt. Volkswirte feiern den Erfolg der jungen Währung - trotz aller Widrigkeiten. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise beobachten Experten die Entwicklung des Euros allerdings mit Sorge. Eine weitere Aufwertung des Euros könnte die Exportmöglichkeiten der Wirtschaft des Euro-Raums verschlechtern.

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Mit einer überdimensionalen Münze stimmten sich die Menschen in Frankfurt Ende 2001 auf die Einführung des Euro-Bargelds ein. Inzwischen ist auch das internationale Gewicht des Euros enorm. Quelle: dpa

FRANKFURT. Die Bilder gingen um die Welt. Um Mitternacht, am 31. Dezember 1998, stießen der erste Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, und die Finanzminister der gerade gegründeten Währungsunion in Brüssel mit Champagner auf die neue europäische Währung an. Zehn Jahre später, Ende Dezember 2008, zollen namhafte Volkswirte dem Euro und der Euro-Bank Respekt. "Ich bin stolz auf die EZB und ihre Führung und die Reputation, die sie weit über Europa hinaus erreicht hat", sagt der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter.

"Die EZB hat ihre Sache insgesamt gut gemacht", bekräftigt der Chefvolkswirt Europa der Bank of America, Holger Schmieding. "Ich glaube nicht, dass die Bundesbank es besser gemacht hätte." Nur auf den ersten Blick weniger überschwänglich äußert sich der Bonner Wirtschaftsprofessor, Manfred J.M. Neumann. "Für mich ist der Euro weder eine geliebte, noch eine gehasste, sondern eine ganz normale Währung, zu der man kein besonderes Verhältnis hat", sagt er. Mit anderen Worten: "Wir haben uns vollständig an den Euro gewöhnt und sehen ihn als selbstverständlich an." Hätte man ihm nach nur einem Jahrzehnt ein schöneres Kompliment machen können?

Walter merkt dennoch "ein paar kleine Enttäuschungen" an. Dazu zählt, dass die sogenannten "pre-ins" - Großbritannien, Dänemark und Schweden - der Währungsunion bisher fern geblieben sind. "Die Engländer haben sich dem Club aus ,religiösen? Gründen versagt", meint er. Die 2003 vom damaligen britischen Finanzminister Gordon Brown formulierten fünf Bedingungen, die für einen Beitritt Großbritanniens zur Währungsunion erfüllt sein müssten, sind für Walter "billige Ausreden". Unter anderem hielt Brown die britische Wirtschaft nicht für flexibel genug, um den Euro zu übernehmen. Zudem befürchtete er negative Auswirkungen auf die Beschäftigung. "Die Engländer sorgen durch eigenes Handeln für Nichterfüllung", meint Walter. Allerdings sind nach den jüngsten Umfragen immer noch 95 Prozent der Briten gegen einen Euro-Beitritt.

Dagegen begännen die Dänen jetzt offenbar zu erkennen, dass die Vorteile mitzumachen größer sind, als die des Zuschauens, sagt Walter. Die Schweden schienen die nächste EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2009 als günstigen Zeitpunkt für einen Beitritt zu sehen. Enttäuscht hat Walter auch, dass Altmitglieder der Währungsunion, inklusive der EZB, die Euro-Anwärter in Mittel- und Osteuropa "immer weiter aufs Wartebänkchen schubsen und einige politische Kräfte in diesen Ländern Souveränität mit Souveränitätsillusion verwechseln".

Zudem sei der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht ordnungsgemäß eingehalten worden, kritisiert Walter. Es habe "zu viele Weichmacher" gegeben. "Die Sünder haben nicht erkannt, dass es ihnen politisch und wirtschaftspolitisch genutzt hätte, den blauen Brief demütig in Empfang zu nehmen."

Dass sich die Renditen von Staatsanleihen der verschiedenen Euro-Länder in letzter Zeit drastisch auseinander entwickelt haben, beunruhigt die befragten Experten nicht. So lag die Rendite der zehnjährigen griechischen Staatsanleihe vergangene Woche bei 5,18 Prozent und die ihres italienischen Pendants bei 4,28 Prozent. Deutsche Zehnjährige rentierten mit 2,94 Prozent. Schon wurde diskutiert, ob Italiens und Griechenlands Mitgliedschaft in der Währungsunion gefährdet sein könnte. "Es war aber anormal, wie gering die Renditedifferenzen waren", beruhigt Neumann. "Die realen Schuldnerrisiken wurden fast nicht mehr abgebildet." Die Finanzmarktkrise habe das Bewusstsein für unterschiedliche Risiken wieder geschärft.

Für Peter Bofinger, Wirtschaftsprofessor an der Universität Würzburg, sind die großen Zinsdifferenzen "zurzeit eher Ausdruck extremer Risikoscheu - als Gegenbewegung zu der übertriebenen Risikofreudigkeit der letzten Jahre". Bofinger ist zuversichtlich. "Ich bin überzeugt, dass die Währungsunion Bestand hat", sagt er. "Es gibt dazu keine Alternative."

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise beobachten die Fachleute die Entwicklung des Euros allerdings mit Sorge. Walter sagt im Durchschnitt von 2009 einen Euro-Kurs von 1,55 Dollar voraus. Zurzeit notiert die Einheitswährung bei rund 1,40 Dollar. "Die Amerikaner wollen den schwächeren Dollar, weil sie konjunkturell unbedingt aus dem Tal herauswollen und sie ihr wirtschaftspolitisches Pulver weitgehend verschossen haben", sagt Walter. Er befürchtet die Ausbreitung eines Abwertungswettlaufs infolge der Krise. Die Briten hätten durch ihre Politik einen deutlich sinkenden Pfundkurs ausgelöst. Die Chinesen erklärten das Ende der seit einigen Jahren zugelassenen Aufwertung des Yuan. Gleiches gelte für die Russen.

Auch Neumann ist besorgt, dass der Euro zu stark aufwertet. Das könnte die Exportmöglichkeiten der Wirtschaft des Euro-Raums zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Nachfrageausfall verschlechtern. "Es besteht die Gefahr, "dass die Welt japanisch wird und wir jahrelang kein Wachstum haben werden," sagt der Professor.

Bofinger kann "japanische Verhältnisse" ebenfalls nicht ausschließen. Eine weitere Aufwertung des Euros bedeute vor allem für Deutschland ein Deflationsrisiko. Unter dem Eindruck der verschlechterten Auftragslage könnten die Unternehmen mit ihren Mitarbeitern Lohnkürzungen vereinbaren. "Das ist der Weg, der Japan in die Deflation geführt hat", erklärt Bofinger.

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