Frauen in der Fintech-Branche „Du kannst noch so gut sein, ich werde trotzdem mehr verdienen“

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„Warum bin ich eigentlich jetzt gerade hier?“

Was ist aus dem Unternehmen geworden?
Wir haben das Unternehmen zwei Jahre vorangetrieben und viel ausprobiert. Im zweiten Jahr hatten wir einen riesigen Erfolg, als wir unsere Software an eine Sparkasse verkauft haben. Die Idee ist aber nicht so durch die Decke gegangen, wie wir es uns damals in der ersten Gründungswoche erhofft hatten. Wir sind dann im Guten auseinander gegangen und haben uns neuen Projekten gewidmet.

Würden Sie sich noch einmal selbstständig machen?
Ja, auf jeden Fall. Jetzt gerade ist es für mich kein Thema; ich bin sehr glücklich bei der Solarisbank. Irgendwann werde ich das aber bestimmt noch einmal machen, selbst zu gründen war eine tolle Erfahrung.

Wie in Ihrem Studium gibt es auch in der Fintech-Szene nicht besonders viele Frauen. Was erleben Sie da?
Ich hatte das Glück, in meinen bisherigen Jobs mit tollen Chefs zu arbeiten, die mich extrem gefördert haben. Mir ist aber auch aufgefallen, je weiter ich aufgestiegen bin: Es gibt noch immer wenige Frauen in Führungspositionen. In einer solchen Position denkt man sich dann auch manchmal: Warum bin ich eigentlich jetzt gerade hier? Verdiene ich das? Auch wenn mir solche Fragen gelegentlich kommen, weiß ich, dass Selbstzweifel nicht angebracht sind. Ich wäre nicht hier, wenn ich es nicht mit meiner Leistung erarbeitet hätte.

Gab es Situationen, in denen Sie sich besonders unterrepräsentiert gefühlt haben?
Ich erinnere mich an ein Meeting, bei dem rund 20 Manager im Raum saßen. Ich war die einzige Frau – und ich glaube auch die einzige unter 30. Meine älteste Schwester ist ebenfalls in einer Führungsposition in einer männerdominierten Branche und ich habe ihr damals geschrieben, wie alleine ich mich in dieser Situation fühle. Sie hat dann geantwortet: „Überleg mal: Du hast jetzt gerade die Chance, der Runde zu zeigen, dass auch jemand weibliches, junges genau dorthin gehört und das rocken kann.“ Das hat mich motiviert. Man kann den Anfang für viele weitere Frauen in diesen Runden machen.

Es ist zwar wichtig, über die Herausforderungen von Frauen im Arbeitsleben zu reden. Gleichzeitig dürfen Genderthemen natürlich nicht die Berichterstattung zu Frauen ausmachen. Wie sehen Sie das?
Generell finde ich es wichtig, dass mehr erfolgreiche Frauen in den Medien zu sehen sind. Die deutsche Fintech-Szene besteht fast ausschließlich aus männlichen CEOs. Auch wenn man an die CEOs großer Fintechs in Europa denkt – bis auf wenige Ausnahmen sind alles Männer. Es fehlen mehr weibliche Vorbilder. Im Gegensatz dazu war ich letzte Woche beim Global Summit von Forbes, der dieses Mal das Thema Female Entrepreneurship hatte. So viele tolle Frauen, die ihr Ding trotz jeglicher Vorbehalte durchgezogen haben – das war extrem inspirierend!

Wie gehen Sie damit um, dass Sie trotz allem auch wegen Ihres Geschlechts und Ihres jungen Alters auffallen?
Ich hoffe, dass wir irgendwann an den Punkt kommen, an dem mehr über Ideen als über Frauen-Männer-Verhältnisse geredet wird. Irgendwann ist das hoffentlich kein Thema mehr. Ich will mit Ergebnissen überzeugen, anstatt aufgrund meines Alters in eine Schublade gesteckt zu werden. Die traditionelle Bankenwelt wird von Männern dominiert, die schon sehr lange in ihrem Job sind und schon sehr lange in dieser Industrie gearbeitet haben. Gerade in solchen Runden ist es schwer, als junge Person wirklich mitreden, an einem Tisch sitzen und Entscheidungen treffen zu können. Die Bankenwelt ist noch sehr in einem traditionellen Mindset gefangen, in dem Alter etwas über Fähigkeiten aussagt. Dadurch werden zu wenig Innovationskraft, neue Ideen und agile Unternehmensformen in die Banken getragen.

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