Eine Erkältung, erhöhte Temperatur oder Kopfschmerzen - es gibt viele Menschen, die trotz dieser Krankheiten zur Arbeit gehen. Das Marktforschungsinstituts GfK befragte für das Patientenmagazin "Hausarzt" 600 Arbeitnehmer, ob sie ab und zu auch krank arbeiten. Das Ergebnis: 46,2 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten nicht konsequent zu Hause geblieben waren, obwohl sie unter einer Krankheit litten oder sich krank fühlten.
Zwar gaben etwa ein Drittel der Teilnehmer in der Umfrage an, sich im vergangenen Jahr kein einziges Mal krank gefühlt zu haben. Aber es gab auch genug Menschen, welche durchaus mehrfach krank zu ihrer Arbeit gegangen waren.
Jeder zehnte Teilnehmende der Umfrage ging an einem bis drei Tagen gesundheitlich beeinträchtigt zu seiner Arbeit. Weitere zehn Prozent der befragten Menschen gaben an, im vergangenen Jahr vier bis fünf Tagen krank zur Arbeit gegangen zu sein. Und 13 Prozent der Befragten gingen trotz einer Krankheit an sechs bis zehn Tagen zu ihrer Arbeitsstelle. Zwölf Prozent der Menschen gingen sogar an mehr als zehn Tagen trotz einer Erkrankung zur Arbeit. Nur jeder fünfte Befragte blieb immer zu Hause, wenn er krank war.
Diese Berufsgruppen gehen krank zur Arbeit
Eine Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbundes unter 4600 Arbeitnehmern zeigt: 60 Prozent der Angestellten aus dem Sektor „Medizinische Gesundheitsberufe“ – also Ärzte, Pfleger, Arzthelfer, Physiotherapeuten & Co. – gehen krank zur Arbeit. Mindestens eine Woche lang verteilen sie ihre Viren und Bazillen an ihre Patienten, bevor sie zuhause bleiben.
55 Prozent der Gebäudetechniker waren mindestens eine Woche krank arbeiten.
In dieser Berufsgruppe waren 54 Prozent der Befragten mindestens eine Woche trotz Krankheit am Arbeitsplatz.
Im Bereich der lehrenden Berufe erschienen immerhin 53 Prozent auch krank mindestens eine Woche am Arbeitsplatz.
53 Prozent der Vertreter der nichtmedizinischen Gesundheitsberufe waren mindestens eine Woche lang krank arbeiten.
Trotz Krankheit arbeiteten 52 Prozent der Befragten dieser Berufsgruppe trotz Krankheit.
51 Prozent der Angestellten aus Militär und Überwachung waren mindestens eine Woche krank im Büro.
Aus dieser Berufsgruppe gaben 51 Prozent an trotz Krankheit auf der Arbeit gewesen zu sein.
51 Prozent der Befragten aus den Metallberufen gaben an krank arbeiten gewesen zu sein.
Exakt die Hälft der Befragten gaben an, mindestens eine Woche krank zur Arbeit gegangen zu sein.
49 Prozent der Verkäufer erschienen krank zur Arbeit - und gefährdeten damit auch die Gesundheit ihrer Kunden.
49 Prozent der Befragten erschienen im vergangenen Jahr krank im Büro.
48 Prozent der befragten Reinigungskräfte gaben an, mindestens eine Woche krank gearbeitet zu haben.
47 Prozent der Befragten aus dieser Berufsgruppe gaben an, krank zur Arbeit erschienen zu sein.
Durchschnittlich 47 Prozent aller Befragten waren mindestens eine Woche krank arbeiten.
46 Prozent der Befragten aus der Lebensmittelbranche waren im vergangenen Jahr mindestens eine Woche lang krank arbeiten.
44 Prozent der befragten aus dieser Berufsgruppe gaben an, mehr als eine Woche krank arbeiten gewesen zu sein.
47 Prozent der Befragten waren im vergangenen Jahr mindestens eine Woche lang krank auf der Arbeit.
44 Prozent der Angestellten anderer Dienstleistungsberufe erschienen krank auf der Arbeit.
43 Prozent der Befragten dieser Berufsgruppe waren in den vergangenen zwölf Monaten mindestens eine Woche trotz Krankheit arbeiten.
43 Prozent der Leiter von Unternehmen waren krank arbeiten.
42 Prozent der Befragten dieser Berufsgruppe erschienen krank auf der Arbeit.
von den Befragten gaben 41 Prozent an, mindestens eine Woche krank arbeiten gewesen zu sein.
Aus dieser Berufsgruppe gaben 41 Prozent an, in den vergangenen 12 Monaten mindestens eine Woche krank auf der Arbeit gewesen zu sein.
39 Prozent der Befragten gaben an mindestens eine Woche lang krank gearbeitet zu haben.
39 Prozent der Führer von Fahrzeug- und Transportgeräten gaben an in den vergangenen 12 Monaten krank gearbeitet zu haben.
Nur 24 Prozent der Befragten gaben an im vergangenen Jahr mindestens eine Woche lang trotz Krankheit gearbeitet zu haben.
Der Deutsche Gewerkschaftsbunde hat 4600 Arbeitnehmern befragt. Erhoben wurde, wie groß der Anteil der Beschäftigten einer Berufsgruppe ist, die innerhalb des vergangenen Jahres trotz Krankheit eine oder mehr Wochen auf der Arbeit waren.
Quelle: DGB, 2015
Anwesenheit am Arbeitsplatz, obwohl der Arbeitnehmer krank ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Arzt krankgeschrieben würde, bezeichnet man als Präsentismus. Doch was bewegt Beschäftigte dazu, krank zur Arbeit zu gehen? „Präsentismus entsteht vor allem durch Verantwortungsbewusstsein den anderen Kollegen gegenüber“, sagt Gesundheitspsychologe Tim Hagemann von der Fachhochschule der Diakonie. Vor allem in kleinen Teams in den sozialen Berufsfeldern seien einzelne Mitarbeiter kaum ersetzbar.
Frauen arbeiten öfter krank als Männer
Das könnte auch erklären, dass das krank zur Arbeit zu gehen unter Frauen weiter verbreitet ist als unter Männern. Von den befragten Frauen gingen etwa 50 Prozent krank zur Arbeit. Unter den teilnehmenden Männern war die ermittelte Quote geringer. Sie lag bei 43 Prozent. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: „Frauen arbeiten rein statistisch häufiger in sozialen Berufen als Männer“, sagt Hagemann. Deshalb hätten sie meist mehr soziale Verantwortung ihren Kollegen gegenüber: „Kurzfristig eine Kita-Betreuerin zu ersetzen ist wesentlich schwieriger, als auf einen Mitarbeiter in einer Produktionsfirma zu verzichten“, meint Hagemann.
Doch auch Angst um den Arbeitsplatz sei ein Grund für Mitarbeiter, krank zur Arbeit zu kommen. Das falle besonders auf, wenn die gesamtwirtschaftliche Situation schlecht sei: „Viele Mitarbeiter fürchten, zuerst entlassen zu werden, wenn es dem Betrieb schlecht geht, deshalb arbeiten sie auch trotz Krankheit“, sagt Hagemann. Ein weiterer Grund, krank zu arbeiten, sei der interne Betriebsdruck durch den Chef, aber auch durch andere Kollegen.
Schaden für Mitarbeiter und Unternehmen
Wenn Menschen krank zur Arbeit gehen, kann dies zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen für die betroffene Person selber und auch für die anderen Mitarbeiter führen. Denn kranke Arbeitnehmer schaden mit ihrem Pflichtbewusstsein ihrer Firma nachweislich mehr, als sie ihr nützen.
Die Unternehmensberatung Booz & Company hat sich schon vor einiger Zeit des Themas Präsentismus angenommen. Nach ihren Berechnungen entstehen zwei Drittel der Krankheitskosten in den Unternehmen durch die Präsenz von kranken Mitarbeitern. Im Schnitt haben die Unternehmen pro Mitarbeiter im Jahr 1.199 Euro Verlust durch Fehlzeiten. Demgegenüber belaufen sich die Kosten, wenn der Kranke ins Büro kommt, auf 2.399 Euro. Ein kranker Mitarbeiter im Büro kostet den Arbeitgeber also rund doppelt so viel wie einer, der sich zuhause auskuriert.
Das liegt daran, dass Menschen, die krank zur Arbeit gehen, statistisch nachweisbar mehr teure Fehler machen. Ihre Konzentration lässt schneller als gewöhnlich nach, die Arbeit dauert länger und die Arbeitsergebnis sind oftmals schlechter als normalerweise. Aber auch das Risiko, andere Kollegen mit der Krankheit anzustecken, steigt erheblich. Zudem hat das Arbeiten gesundheitliche Folgen für den Betroffenen: Eine nicht auskurierte Krankheit kann chronisch werden oder im schlimmsten Fall sogar zum Burnout führen. Deshalb ist es fürs Unternehmen grundsätzlich besser, wenn der Mitarbeiter zuhause bleibt und schnellstmöglich gesund wird.
Depression: Volkskrankheit mit Versorgungsdefiziten
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Bis 2020 werden sie laut Weltgesundheitsorganisation weltweit die zweithäufigste Volkskrankheit sein, vor Diabetes mellitus (Zuckererkrankung) oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dabei gibt es immer noch erhebliche Versorgungsdefizite, so das Robert Koch Institut (RKI).
Je nach Statistik haben schätzungsweise vier bis fünf Millionen Menschen in Deutschland eine Depression. Nach Zahlen des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gab es 2015 insgesamt 1,12 Millionen stationäre Fälle von GKV-Patienten, die die Diagnose Depression hatten. Der weitaus größte Teil davon wurde jedoch wegen anderer Erkrankungen stationär behandelt. Depression war also häufig „nur“ Nebendiagnose. GKV-Patienten mit Hauptdiagnose Depression gab es insgesamt bei rund 316 500 stationären Fällen. Genaue Zahlen über ambulante Fälle gibt es nicht.
Betroffene leiden unter einer gedrückten Stimmung, Traurigkeit oder inneren Leere, Antriebs-, Freud- und Interessenlosigkeit. Weitere Symptome können Konzentrationsmangel, schwindendes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sein. Dann auch Müdigkeit, Schlafstörungen sowie Appetitlosigkeit und entsprechend Gewichts- sowie Libidoverlust. Auch Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit kommen vor. Wenn eine bestimmte Anzahl dieser Grund- und Zusatzsymptome über 14 Tage anhält, spricht man je nach Anzahl und Schwere von einer leichten, mittelschweren oder schweren depressiven Episode. Bei schweren Depressionen kann es zu lebensmüden Gedanken kommen, die das Risiko einer Selbsttötung steigen lassen.
Depressionen haben auch körperliche Grundlagen, denn im Gehirn findet da etwas statt oder besser nicht statt. Bisher geht man davon aus, dass in bestimmten Regionen des Gehirns die Botenstoffe zwischen den Nervenzellen reduziert sind, so dass nicht ausreichend oder falsche Signale übertragen werden. Einer dieser Botenstoffe ist Serotonin. Hier setzen auch die Medikamente an. Sie sollen die Konzentration dieser Botenstoffe an den sogenannten synaptischen Spalten erhöhen.
Grundsätzlich ja. Heute gehe man von einem bio-psycho-sozialen Erklärungsmodell für Depressionen aus, erläutert die Direktorin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses in Berlin-Weißensee, Iris Hauth. Bio meint dabei auch, dass man eine angeborene Empfänglichkeit haben kann. „Es gibt mehrere Gene, die mittlerweile in unserer Erbausstattung identifiziert worden sind, die eine mögliche Anfälligkeit für Depressionen mit sich bringen.“ Doch Depressionen müssten nicht zum Ausbruch kommen. „Da müssen psychische und soziale Faktoren hinzukommen.“ Etwa schlimmer akuter Stress nach einem Autounfall oder längerer Stress, etwa durch Arbeitslosigkeit.
Wird eine depressive Erkrankung frühzeitig erkannt, ist sie in den meisten Fällen gut behandelbar. Zwei Drittel der Episoden klingen laut Hauth gut ab, auch wenn eine erhöhte Sensibilität bleiben kann. 20 Prozent werden chronisch. In der Regel gilt: Leichte Depressionen werden mit psychotherapeutischen Maßnahmen behandelt, mittelschwere mit psychotherapeutischen und - wenn der Patient es will - mit Medikamenten. Bei schweren Depressionen kommt auf jeden Fall beides zum Einsatz.
Ja, können sie haben. Um die Kriterien für eine Depression zu erfüllen, muss man sich ausdrücken und Gefühle äußern können. Ein Kleinkind, das keine Fürsorge bekommt, ist traurig und zeigt Zeichen einer frühkindlichen Depression. Aber eigentlich sieht man die klassischen Symptome einer Depression bei Kindern erst vom Schulalter an, erläutert der Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Neuruppin, Michael Kölch. Bei Kindern und Jugendlichen gebe es einen hohen Anteil reaktiver Depressionen, etwa, wenn sich die Eltern trennen, wenn die Eltern umziehen oder wenn der geliebte Opa stirbt. Mobbing in der Schule ist ebenfalls ein Risikofaktor. Die kindliche Symptomatik sei nicht nur traurige und niedergeschlagene Stimmung, sondern drücke sich oft auch in einem gereizten Stimmungswechsel aus.
Im Alter setzen sich Menschen mit ihrem Leben auseinander. Traumatische Ereignisse aus der Vergangenheit können hoch kommen. Verlusterlebnisse beim Tod des Partners oder der Partnerin können Auslöser sein. Zugleich muss man sich immer mehr mit körperlichen Gebrechen und Krankheiten abplagen. Typisch für das Alter sind auch viele Medikamente. Das alles kann psychische Krankheiten nach sich ziehen.
Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz gibt zu bedenken, dass rund 1,2 Millionen der über 60-Jährigen in Deutschland an Depressionen leiden. Doch nur sechs Prozent davon würden behandelt. Depressionen seien Hauptursache für Suizide. In Deutschland geht man insgesamt von 100.000 Suizidversuchen im Jahr aus. Etwa 10.000 Menschen bringen sich tatsächlich um.
Ja. Statistisch haben etwa 10 bis 25 Prozent der Frauen im Leben depressive Phasen, während es bei den Männern 4 bis 10 Prozent sind. Oberarzt Stefan Rupprecht vom Alexianer St. Joseph-Krankenhaus sagt, zwar sei die Depressionsrate bei Männern niedriger als bei Frauen, dafür aber die Suizidrate höher. Männer geben aber ihre Depressionen oft nicht zu, sind eher gereizt beziehungsweise aggressiv oder sind in sich gekehrt.
Unternehmen müssen für genug Ersatz sorgen
Auch arbeitsrechtlich kann das Arbeiten trotz Krankheit Konsequenzen haben - allerdings für den Chef. Denn dieser hat eine Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter. Wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit intern ausweitet und andere Kollegen angesteckt werden, muss der Arbeitgeber ihm das Arbeiten verbieten. Der Angestellte muss nach Hause geschickt werden – auch wenn er selbst arbeiten möchte.
Damit es aber gar nicht erst dazu kommt, dass kranke Mitarbeiter am Arbeitsplatz erscheinen, können Firmen vorsorgen: „Die Unternehmen müssen eine Sensibilität für das Thema Präsentismus entwickeln und erkennen, dass kranke Mitarbeiter dem Betrieb zwar kurzfristig helfen, aber langfristig zu ihrem Nachteil sind“, sagt Hagemann. Auch wenn das Thema wissenschaftlich recht gut erforscht sei, würden Unternehmen zu wenig auf das Phänomen reagieren. „Am besten ist es natürlich, wenn sich das Unternehmen präventiv auf Krankheitsfälle vorbereiten kann, etwa durch genug Personalpuffer“, sagt Hagemann. Wenn der Mitarbeiter das Gefühl bekäme, ausreichend vertreten zu werden, würde er eher zuhause bleiben. Das sei aber leider nicht in jedem Betrieb möglich.