Vertrauen in der Wirtschaft So gewinnt man neues Selbstvertrauen

Etlichen Managern mangelt es an Selbstvertrauen - auch wenn sie nach außen anders tun. Mentaltrainer versprechen Abhilfe, auf Wunsch ganz diskret im Einzeltraining. Wie das funktioniert? Ein Selbstversuch in Sachen Ego.

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Grafik: Birgit Jansen, bürgie Illustration & Grafik, www.buergie.de Quelle: Birgit Jansen

Köln Mein ganzes Leben liegt hinter mir. Alles fein säuberlich auf Karteikarten geschrieben. Rot für die schönen Ereignisse, gelb für die traurigen, enttäuschenden. Angefangen mit meiner Geburt – natürlich rot –  über meine Einschulung, Freundschaften und Feindschaften, den ersten Kuss, die erste Abfuhr, Abi, Studium, das gewonnene Fußballturnier…

Annette Auch-Schwelk hat das mit den Karteikarten vorgeschlagen. Sie ist mein Coach, sie hilft mir, mein Selbstvertrauen zu stärken und arbeitet mit mir an meinem Auftreten, ich mache einen Selbstversuch. „Wenn Sie hinter sich sehen, können Sie sich freuen“, sagt sie und deutet auf die Karteikarten, die auf dem Boden des Seminarraums im Kölner Süden liegen. „Fast nur rote Karten!“ Also schöne Erinnerungen und positive Ereignisse

„Führen Sie sich vor Augen, was Sie schon erreicht haben, woran Sie Spaß haben. Und seien Sie stolz darauf“, rät mir meine Trainerin. Normalerweise erteilt sie Managern solche Ratschläge, ihren eigentlichen Klienten. Mittleres Konzernmanagement, gestandene Unternehmer oder Führungskräfte aus dem Mittelstand.

Ich habe immer gedacht, dass es denen höchstens an Freizeit mangelt, aber nicht an Selbstvertrauen. Doch Auch-Schwelks Terminkalender sagt etwas anderes. Kurz vor Weihnachten hat sie in einer Woche Seminare und Coachings in fünf Städten gegeben. „Im Kern geht es dabei immer um Selbstvertrauen“, sagt die Trainerin.

Für viele Firmen wie Siemens, die Deutsche Bahn und die Deutsche Post ist die Zusammenarbeit mit externen Coaches zur Normalität geworden. Mehr als 1.600 Coaches und Trainer sind in den sechs größeren deutschen Berufsverbänden organisiert, dazu kommen nochmals mehrere tausend, die sich nicht in Verbänden organisieren. Genaue Zahlen sind da nicht bekannt – aber: die Branche boomt.

„Seitdem Burnout-Erkrankungen so ein großes Thema sind, wenden sich viele Manager von selbst an mich, also ohne, dass ihr Konzern ein Seminar buchen würde“, sagt Annette Auch-Schwelk. Besonders der Selbstmord des Hannoveraner Torhüters Robert Enke habe sich auf ihren Berufsstand  ausgewirkt: Unmittelbar, nachdem Enkes Tod bekannt wurde, hätten sich bei ihr zwei Männer zu Seminaren angemeldet. „Auch das Seminar ‚Umgang mit emotionalen Turbulenzen‘, das ich bei einem großen Konzern anbiete, ist in letzter Zeit immer ausgebucht“, berichtet Auch-Schwelk.

Die Berater sind hochgradig spezialisiert: mal auf Führungsstärke, mal Selbst-Organisation, mal Kommunikation mit Mitarbeitern. Oder eben Selbstvertrauen, die Spezialität meiner Trainerin. Auch-Schwelk arbeitet selbstständig und ist wie die meisten Trainer über zahlreiche Fortbildungen und Lehrgänge zu ihrem Beruf gekommen. Ein Patentrezept für ein solches Coaching gibt es nicht. „Es hängt viel davon ab, wie offen der Klient ist und wo seine Stärken und Schwächen liegen“, sagt Auch-Schwelk.


Die Analogie zwischen Mensch und Geldschein

Aber Selbstvertrauen – was ist das eigentlich? „Eine geistige Einstellung“, sagt der Psychologe und Ratgeber-Autor Rolf Merkle. Das Wichtigste: „Menschen mit Selbstvertrauen haben eine positive Einstellung zu sich selbst.“ Sie trauen sich was zu, wissen um ihre Fähigkeiten – und ihre Schwächen. Wie das konkret funktioniert, lässt sich nicht pauschalisieren. Zu individuell sind die Wege dorthin, sagt Ulrich Kern, Coach für Manager und Führungskräfte mit Sitz im unterfränkischen Mömbris, man müsse als Coach mit jedem Klienten anders arbeiten.

Doch obwohl Trainer und Psychologen stets auf diesen individuellen Weg zu mehr Selbstvertrauen hinweisen – und damit die eigene Berechtigung untermauern wollen: Preiswerte gedruckte Ratgeber und DVD-Schulungen gibt es ebenfalls zuhauf. Experten wie Kern raten freilich  zum persönlichen Coaching. Und das kostet je nach Coach und Teilnehmerzahl durchaus einen kleinen vierstelligen Betrag pro Tag.

Meine Karteikarten liegen in schönem Ambiente auf einem knarzigen Dielenboden. Altbau, große Fenster, weiße Wände. In der Mitte ein weißer Tisch mit zwei bequemen Stühlen, eine dampfende Kanne Tee auf dem Tisch. Nun muss ich mich öffnen – der erste Schritt zum Stolz. „Wenn man im Alltag an sich zweifelt, helfen oft kleine Gedankenspiele“, sagt meine Trainerin. „Ich zeige Ihnen mal was.“

Die gebürtige Stuttgarterin kramt ihr Portemonnaie aus der Handtasche hervor, zieht einen Zwanzigeuroschein raus und hält ihn mir hin. Was das sei. Ein Zwanzigeuroschein. Was der wert sei. 20 Euro. Dann zerknittert sie ihn, wirft ihn auf den Boden, tritt drauf, hebt ihn auf und zeigt ihn mir wieder. Immer noch 20 Euro wert. „Viele Menschen neigen dazu, sich Kritik zu sehr zu Herzen zu nehmen und direkt als Angriff auf sich selbst zu interpretieren“, sagt Auch-Schwelk zur Erklärung. Doch alle Kritik ändere nichts am persönlichen Wert. Mir kommt dieses Spielchen im Nachhinein etwas banal vor: Die Analogie zwischen Mensch und Banknote erscheint mir etwas gewagt.

Dennoch: „Viele sehen Kritik als Beweis dafür an, dass sie nicht liebenswert seien“, sagt der Mannheimer Psychologe Rolf Merkle.  Zu oft läge der Fokus auf den eigenen Misserfolgen und Schwächen. „Wir müssen lernen, uns selbst angemessen zu bewerten und Kritik einzuordnen.“

Leichter gesagt als getan. Unser Selbstvertrauen steckt nämlich teilweise in den Genen, sagt die Psychologie-Professorin Astrid Schütz von der Universität Bamberg. Das bedeutet: Wie empfindlich jemand auf Kritik reagiert oder ob die Aussicht, eine Rede auf der Jahreshauptversammlung halten zu müssen, schon Tage vorher Schweißausbrüche auslöst, hängt im Zweifel nicht nur von der Vorbereitung ab, sondern von der Biologie.

Erziehung und kindliche Erfahrungen spielten zudem eine sehr große Rolle. Eltern sollten ihre Kinder also loben und bestärken - und Mut machen, wenn mal etwas schiefläuft. In der Führungsetage macht sich das Jahre später bezahlt.

Nicht zu vergessen: Negative Erlebnisse gehören einfach zum Leben. Der Beweis: In unserem Kölner Seminarraum drückt mir Annette Auch-Schwelk eine meiner zwei gelben Karteikarten in die Hand. „‘Grausame‘ Grundschulkinder“ steht drauf, denn der eine oder andere Mitschüler hatte mich damals auf dem Kieker. Rückblickend habe ich daraus aber Nutzen gezogen, stellt Auch-Schwelk fest. Ich habe auf dem Schulhof irgendwie gelernt, mir nicht alles zu Herzen zu nehmen und Angriffe an mir abprallen zu lassen, sagt die Selbstvertrauens-Trainerin. In diesem Sinne vielen Dank an die Verantwortlichen.


Mit krummer Nase und faltiger Haut zur Bilanzpressekonferenz

Dieser Prozess - Schwächen nicht nur zu erkennen, sondern sie in Stärken umzuwandeln - ist für den Coach Ulrich Kern ein Hauptziel seiner Seminare: „Einer meiner ehemaligen Klienten litt an einer Aufmerksamkeitsstörung. Seine Krankheit hat stark an seinem Selbstvertrauen gekratzt“, berichtet Kern.

Dann sei es ihm aber im Training gelungen, den Klienten dazu zu bringen, in kurzen Aufmerksamkeitsspannen zu arbeiten. Fortan beantwortete er also nicht alle E-Mails des Tages auf einmal, sondern jede direkt. „Damit ist mein Klient bei seinen Geschäftspartnern als besonders schnell und verbindlich aufgefallen“, sagt Kern. Seine Schwäche sei so in eine Stärke gewandelt worden – einer Stärke, der er sich bewusst ist.

Meine Trainerin hält mir die zweite gelbe Karteikarte hin. „Rastlosigkeit“ steht da, denn ich empfinde meinen Alltag zuweilen als zu schnell. „Es ist wichtig, dass Sie das nicht so hinnehmen“, sagt Auch-Schwelk. „Planen Sie bewusst Pausen ein und machen Sie dann, wozu Sie Lust haben!“ Sport, lesen, Musik hören. Ohne solchen Ausgleich sei ein selbstbewusstes Auftreten langfristig nicht möglich.

„Man muss sich in seiner Haut wohlfühlen, um Selbstvertrauen aufzubauen“, sagt Auch-Schwelk. Also: Pausen machen, Hobbys haben, mal ausgehen – und nicht nur auf das Lob vom Chef stolz sein, sondern auch auf sich selbst und den eigenen Körper.

„Das hat nichts mit Esoterik zu tun“, sagt Auch-Schwelk, als sie meinen zweifelnden Blick sieht. Wer ständig denke, er sei zu dick, die Nase sei zu krumm und die Haut zu faltig, könne nicht selbstsicher auf der Bilanzpressekonferenz eine Präsentation halten. Jemand der sich in seiner Haut wohl fühlt hingegen schon. Auch, wenn er eigentlich zu dick ist.

Zum Ende meines Selbstvertrauens-Coachings schiebt mir meine Trainerin einen Zettel über den Tisch. Ich soll notieren, wo ich mit fünfzig Jahren stehen will. „Es ist wichtig, sich Ziele zu setzen, weil Sie so herausfinden, was Ihnen wichtig ist“, erklärt Auch-Schwelk. Also schreibe ich. Und erhöhe so meine Chance auf ganz viele rote Karteikarten, wenn mein Leben wirklich mal hinter mir liegt.

Buchtipps:

Rolf Merkle – So gewinnen Sie mehr Selbstvertrauen; Palverlag

Astrid Schütz – Je selbstsicherer, desto besser?; Beltz Psychologie Verlags Union

Dieser Artikel ist Teil einer Serie, die sich mit der Bedeutung von Vertrauen in der Wirtschaftswelt beschäftigt. Die Serie ist im Rahmen einer Kooperation zwischen Handelsblatt Online und der Lehrredaktion der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft entstanden.

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