Büroeinrichtung Was der Arbeitsplatz über Motivation und Charakter verrät

Unaufgeräumter Schreibtisch, der Bildschirm voller Merkzettel, Partyfotos an den Wänden: Das eigene Büro verrät viel über die Arbeitsweise, Motivation und den Charakter seines Bewohners. Kluge Insassen nutzen die subtilen Signale der Boards, Bilder und Bücher für eine gelungene Inszenierung – und für die Karriere.

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Büro einer Beamtin des Quelle: dpa

Drei Räume, drei Charaktere, ein Job: Kanzler. Stets wandelten sich die Büros der deutschen Regierungschefs mit ihren Besitzern. Legendär war die Elefantensammlung von Endloskanzler Helmut Kohl. Nachfolger Gerhard Schröder ließ seinen Vater für sich werben – einfach, indem er ein Schwarz-Weiß-Foto des Kriegsgefallenen auf seinem Schreibtisch platzierte. Angela Merkel wiederum präsentiert sich in einem nüchternen Arbeitsumfeld mit wenig Privatem: hinter sich ein Porträt von CDU-Übervater Adenauer, neben sich ein Globus. Das Büro als Understatement.

Ob wir es wollen oder nicht: Jedes Büro spricht mit seinen Besuchern. Die Pflanzen in der Ecke, die Bilder an der Wand oder das Chaos auf dem Tisch – all diese Details verraten, welcher Typ Mensch hier arbeitet. So sitzt ein kreativer Kopf selten im schweren Eichensessel. Und kein Bankenvorstand lädt zum vertraulichen Gespräch an einen Besprechungstisch, den er aus dem eigenen Surfbrett entworfen hat.

Solche Status- und Charakter-Indizien nimmt aber jeder von uns unbewusst und binnen Sekundenbruchteilen wahr, sobald er einen fremden Raum betritt. So schickte der US-Psychologe Samuel Gosling von der Universität Austin-Texas Probanden in die Büros wildfremder Leute. Nach dem Besuch sollten sie die Persönlichkeit des abwesenden Bewohners einschätzen. Alle kamen der Wirklichkeit erstaunlich nahe. Dabei beurteilten sie die Besitzer anhand ihrer Kaffeetassen, Papierstapel und Drehstühle sogar treffender als deren beste Freunde.

Nach zehn Jahren Forschung ist Gosling überzeugt: „Die Art, wie wir unsere Umgebung gestalten, spiegelt unser Inneres wider.“ Die Botschaften sind zwar teilweise banal – dafür wirken sie fundamental: Wer etwa viele Bücher im Schrank hat, erscheint gebildet, weise, smart – auch wenn die Bände ungelesen sind. Wer Bilder aktuell angesagter Künstler an seine Wand hängt, wirkt kreativer und lebensfroher als der Kollege im kahlen Nachbarzimmer. Ein imposanter Schreibtischstuhl macht selbst Subalterne mächtiger. Und wer im Büro Filofax, Telefon, Uhr und Laptop stets im Blick hat, erscheint uns bestens organisiert – allerdings nur, wenn er auch daran denkt, in den zur Schau gestellten Kalender ein paar Termine einzutragen.

Gewissenhaftigkeit wird in der Arbeitswabe genauso sichtbar wie die Verbundenheit zu dem Unternehmen und Leidenschaft für den Job. So strahlen eine Partyfoto-Kollektion oder eine Voodoo-Puppe, die dem Chef verdächtig ähnlich sieht, wohl kaum Loyalität oder Verantwortungsgefühl aus. Wer große Strandaufnahmen oder zu viele Urlaubsfotos aufhängt, signalisiert wiederum, dass er sich vom Arbeitsplatz wegträumt. Und die Spielzeugsammlung aus Ü-Eiern sagt potenziellen Gästen nur: Hier haust ein Eierkopp.

Wer regelmäßig Kunden, Kollegen und den eigenen Chef empfängt, sollte deshalb prüfen, welche Signale sein Büro sendet, und womöglich einige Korrekturen vornehmen. „Sobald jemand verstanden hat, dass er den Eindruck, den sein Büro hinterlässt, auch manipulieren kann, kann er Botschaften senden, die über das hinausgehen, was er tatsächlich ist“, sagt die britische Verhaltenspsychologin Donna Dawson.

Nahezu 90 Prozent der amerikanischen Arbeitnehmer personalisieren ihre Büros oder Cubicals, so eine Untersuchung der Eastern-Kentucky-Universität. Für Deutsch-land liegen zwar keine vergleichbaren Studien vor, aber das Ergebnis dürfte ähnlich ausfallen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: In den meisten Fällen dient das Dekor zusätzlichem Komfort. Umgeben von vertrauten Dingen, fühlen sich Arbeitnehmer automatisch wohler und sind dadurch meist produktiver. Zugleich markieren die privaten Gegenstände eine Art Territorium: Wer hier eindringt, tritt in einen privaten Schutzraum.

„Jeder Raum enthält zwei grundsätzliche Objekttypen“, sagt Gosling: Identitätskörper, die der Bewohner bewusst dort drapiert hat und mit denen er sich ausdrücken will, wie etwa Bilder, Schmuckstücke oder Trophäen – und Verhaltensrückstände, die unbewusst Rückschlüsse auf seinen Charakter zulassen, wie etwa ein vollgekritzelter Tischkalender oder Unordnung. Im Arbeitsumfeld spricht sogar das Ausmaß der Personalisierung selbst Bände: Je wohnlicher das Zimmer, desto größer das Wohlfühlbedürfnis des Mitarbeiters, desto mehr fühlt er sich dort aber auch zu Hause. Das Büro avanciert zum (zweiten) Heim.

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