Coaching Der Markt der Schwarzen Schafe

Coaching boomt wie nie zuvor. Inzwischen wird der Begriff inflationär für alles und jedes benutzt. Doch um die Spreu vom Weizen zu trennen, also qualifizierte Job-Nachhilfe zu finden, fehlen verbindliche Qualitätskriterien.

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Was einen guten Coach auszeichnet, darüber besteht bis heute keine Einigkeit. Quelle: Archiv

Der Hund als Ihr Sparrings-Partner für ungeschminktes Feedback Ihres Gesamtausdrucks. Sofortige Wirkung garantiert", mit diesem Slogan wirbt die Firma Coach Dogs. Andere locken mit Lomi-Lomi-Coaching, benannt nach einer hawaiianischen Massageform oder sogar einer "Typologie-Beratung inklusive der Reflektion genetischer Merkmale". Wenn es um das Thema Coaching geht, sind dem Unsinn anscheinend keine Grenzen gesetzt.

Ursprünglich kommt der englische Begriff Coaching aus dem Sport. Als persönlicher Trainer begleitet der Coach den Sportler durch Höhen und Tiefen. Er kennt die Stärken und Schwächen des Athleten und entwickelt mit ihm den optimalen Trainingsplan. Später wurde dieses Betreuungskonzept auf das Berufsleben übertragen. Auch im Job soll ein Coach seinen Klienten gezielt unterstützen.

Doch inzwischen wird der Begriff inflationär für alles und jedes benutzt und es fällt schwer, in der Anbieterszene die Spreu vom Weizen zu trennen. Vom Hochschulabsolventen über den pensionierten Personalmanager bis hin zu Verkaufs- und Managementtrainern fühlt sich jeder zum Coach berufen. Längst ist Coaching auch zur Einflugschneise für esoterische Spinner und Psychogurus geworden, die ihren Kunden Wunder versprechen. Sektenberatungsstellen wissen von Betroffenen, die durch sündhaft teure Coachings in psychische Abhängigkeit und den finanziellen Ruin getrieben wurden.

Die Selbstreinigungs-Mechanismen in der Coaching-Szene sind - wie konkrete Fälle zeigen - beschränkt. Insider wissen zwar häufig, welcher Coach fragwürdig ist, aber keiner sagt es öffentlich - nicht einmal diejenigen, die sich gern als Qualitätsverfechter feiern lassen. "Scharlatane sind immer die anderen", fasst Stefan Kühl, Soziologieprofessor an der Universität Bielefeld, seine Beobachtungen zusammen.

Was einen guten Coach auszeichnet, darüber besteht bis heute keine Einigkeit. Braucht der Job-Trainer eine Coaching-Ausbildung und wie muss diese aussehen? Muss der Trainer der Topmanager selbst über Führungserfahrung verfügen? Darüber streiten inzwischen über 20 Coachingverbände, die zudem ihre eigenen Qualitätsstandards und Zertifizierungen entwickelt haben. "Viele dieser Professionalisierungsversuche dienen lediglich dazu, den Marktzugang der eigenen Mitglieder zu verbessern", kritisiert Kühl.

Auch Wolfgang Looss, einer der führenden Köpfe der Coaching-Branche, hält wenig von den Zertifizierungsaktivitäten. Mit dem Verbandskürzel auf Visitenkarten und Broschüren versuche man lediglich eine Kompetenzvermutung beim Kunden zu erzeugen. Bei der Wahl eines geeigneten Coaches ergehe es dem Coachee wie Patienten "bei der Suche nach einem guten Arzt", sagt Looss. Sein Rat: "Herumfragen und sich dann ein paar der empfohlenen Coaches genauer anschauen."

Dabei sollte das Vorgespräch kostenlos sein. "Wir sind verpflichtet, es unseren Klienten zu ermöglichen, selbst urteilsfähig zu werden", sagt Looss. Unabdingbar ist auch eine klare Vertragsgestaltung: Dauer und Anzahl der Stunden sowie das Honorar sollten festgelegt sein, wobei der Klient jederzeit ohne Zusatzkosten aussteigen können sollte - sei es, weil er mit dem Coach nicht klarkommt oder sein Problem bereits gelöst ist.

Die Palette der Coaching-Anlässe ist breit: Überforderung oder Frust im Job, Konflikte mit dem Chef, eine neue Position oder der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung. Manchmal genügt dafür eine Handvoll Sitzungen, manchmal dauert es länger.

Im Gegensatz zur Psychotherapie geht es jedoch nicht um eine Analyse oder Veränderung der Persönlichkeit, sondern um die Lösung eines konkreten beruflichen Problems. Bei ihrer Arbeit setzen Coaches auf verschiedene Methoden. Das reicht von der Fragetechnik über systemische Ansätze bis hin zu Visualisierungsübungen und Kreativitätstechniken.

Wichtig ist, dass der Coach mehrere theoretische Ansätze und Methoden beherrscht. Denn nicht jeder Ansatz eignet sich für jedes Problem. "Ein Coach sollte themen- beziehungsweise problemorientiert und nicht methodenfixiert vorgehen", sagt Achim Mollbach, Coachingexperte von der Managementberatung Kienbaum.

Zudem müsse er in der Lage sein, die Komplexität eines Problems zu verstehen. So entpuppt sich so manche Schwierigkeit bei genauerem Hinsehen als strukturelles Problem des Unternehmens, an dem der Einzelne nichts ändern kann. Sind zum Beispiel die Kompetenzen zweiter Abteilungen nicht klar definiert, wird es immer zu Konflikten kommen.

Unabdingbar ist auch eine psychodiagnostische Grundkompetenz. "Ein Coach muss erkennen, wann der Klient besser in einer Psychotherapie aufgehoben ist", betont Mollbach. Gerade hier sieht Madeleine Leitner jedoch erhebliche Defizite. "Viele Coaches erkennen gravierende psychische Probleme nicht", sagt die Münchner Karriereberaterin.

Gar nicht selten steckten hinter den Schwierigkeiten im Job Depressionen oder sogar Zwangsvorstellungen. So betreute die Psychologin einen Bankmanager, der über Überstunden und Lustlosigkeit im Job klagte. Erst durch die sorgfältige Analyse seiner Biographie wurde deutlich, dass er unter einer Depression litt, die sich medikamentös in den Griff bekommen ließ.

"Die meisten Coaches wissen noch nicht einmal, was sie nicht wissen und verschlimmern damit oft sogar die Situation", kritisiert Leitner.

Man müsse immer genau prüfen, ob ein Thema überhaupt für ein Coaching geeignet ist, betont auch Dorothee Helbig. Sie ist Direktorin für den Bereich Training und Führungskräfteentwicklung bei der Citibank in Düsseldorf. Eine grundlegende Veränderung der Persönlichkeit ließe sich damit nicht erreichen. Coaching sei jedoch ein sehr effektives Mittel, um Führungskräften gezielt zum Erfolg zu verhelfen. Geeignete Einsatzbereiche seien die Übernahme einer neuen Führungsposition sowie Situationen, bei denen es um das Verhalten einer Person geht, etwa beim Delegieren oder bei der Kommunikation mit anderen.

Allerdings kämen bei der Bank nur sehr gute Führungskräfte oder solche mit hohem Potenzial in den Genuss der Einzelberatung. "Das ist bei uns eine Auszeichnung", erklärt Helbig. Die Bank hat über die Jahre ein Netzwerk mit etwa 15 Coaches aufgebaut, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeitet. Wer Bedarf hat, bekommt zwei bis drei Coaches zur Auswahl und klärt im Vorgespräch mit dem Berater, dem Personalmanager und seinem Vorgesetzten das konkrete Thema ab.

Wie bei der Citibank hat Coaching inzwischen bei vielen Unternehmen einen festen Platz in der Personalentwicklung. Das belegt eine aktuelle Studie der Managementberatung Kienbaum in Kooperation mit dem Harvard Businessmanager, bei der Topmanager und Personalverantwortliche aus deutschen Konzernen und dem Mittelstand befragt wurden. Danach bieten 60 Prozent der befragten Unternehmen ein Coaching im Anschluss an ein Zielvereinbarungs- oder Mitarbeitergespräch an.

Bei knapp der Hälfte der Befragten ist die Einzelberatung bereits Bestandteil des Managemententwicklungs-Programms und 43 Prozent setzen es bei der Übernahme einer neuen Führungsaufgabe ein. Besonders häufig kommen Topmanager und obere Führungskräfte in den Genuss eines Coachings, seltener Mittelmanager und der Führungsnachwuchs.

Verbindliche Kriterien für die Auswahl von Coaches gibt es laut Kienbaum-Studie jedoch nur bei 36 Prozent der befragten Unternehmen. Die wichtigste Rolle spielt das persönliche Auftreten (94 Prozent), gefolgt von Berufserfahrung als Coach (90 Prozent) und einer Coachingausbildung (82 Prozent).

Knapp acht von zehn Befragten setzen auf die Empfehlung durch andere. Auf wenig Zustimmung stoßen dagegen die von den Coaching-Verbänden entwickelten Zertifizierungen. Stattdessen nehmen die Unternehmen den Auswahlprozess zunehmend selbst in die Hand. Das bestätigt auch Citibank-Personalmanagerin Helbig. Ein Unternehmen müsse selbst wissen, welcher Coach zu seiner Führungskultur passe. "Da hilft auch ein Zertifikat nicht." Da geht es Unternehmen nicht anders als jedem einzelnen: Die mühsame Suche nach dem oder der Richtigen bleibt ihnen nicht erspart.

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