Gründer Vom Glück, Unternehmer zu sein

Sich selbstständig zu machen, ist nicht einfach. Aber es lohnt sich: Unternehmer gehören zu den zufriedensten Menschen weltweit – weil sie selbstbestimmt leben und ihre eigenen Ideen verwirklichen können.

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Gründer sind glücklicher Quelle: Getty Images, Montage

Wen reizt es nicht, auf den Schnellzug der Popkultur im modernen Entrepreneurship aufzuspringen? „Gründest du schon oder arbeitest du noch – studierst womöglich sogar?“, zwitschert es in Abwandlung des erfolgreichsten Werbeslogans unserer Zeit über die Twitter-Ticker, naiv verkennend, wie viel mehr an Arbeit die Selbstständigkeit gegenüber dem Angestelltenverhältnis bereithält.

Das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Selbstverwirklichungskultur, zu sehen bei Studierenden der Generation Z oder jungen Berufstätigen der Generation Y, trübt zunächst den Blick für eine der arbeitsintensivsten Tätigkeiten, die man für den Berufseinstieg oder Jobwechsel wählen kann; aber auch für eine der faszinierendsten und motivierendsten Tätigkeiten, die man sich vorstellen kann. Schließlich geht es darum, die eigenen Ideen und Fähigkeiten umzusetzen.

Der Studienabbrecher, der als Mittzwanziger den etablierten Konzernlenkern den Kampf ansagt, wird zum neuen Star einer Populärkultur, die auf Konventionen im Managerleben keine Rücksicht nimmt.

Zur Person

Wer möchte nicht aus dem Abhängigkeitsverhältnis einer unendlich lang erscheinenden Karriereleiter im Großkonzern auf den Fast-track zur schnellen Million im coolen Start-up wechseln? Immer mehr frönen diesem mehr oder weniger realistischen Gedanken. Sie hauchen damit der Volkswirtschaft einen vergessen geglaubten Lebensgeist des Innovierens und Experimentierens ein.

Weniger Geld - mehr Befriedigung

Die Möglichkeit, sich einem interessanten Problem mit all seinen Sinnen und Energien widmen zu können, packt uns alle. Man fühlt sich zurückversetzt in die Jugendzeit, wo einem die Welt offenstand und man nach seinen Fähigkeiten einem Berufswunsch nachhing.

Im Unterschied zu damals ist man nun an einem Punkt im Berufsleben angekommen, an dem man viel Wissen im Beruflichen und Privaten sammeln konnte und damit über das Erfolgsdoping im Entrepreneurship schlechthin verfügt – Erfahrung. Erfahrung, gemünzt auf ein bisher ungelöstes, wichtiges Problem, ist der Startpunkt in die eigene unternehmerische Zukunft.

Wie meistern deutsche Topmanager den digitalen Wandel? Welche Fähigkeiten brauchen moderne Chefs? Und was können sie von Start-ups lernen? Die Antworten finden Sie in unserem Sonderheft „Digital Leadership“.

So wie bei Olivia Bosshart. Sie folgte zunächst den klassischen Karrierepfaden als Unternehmensberaterin und Bankerin, stellte sich dann aber immer häufiger die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Tuns. Schließlich brach sie die Bankerkarriere ab und gründete KION – eine Internetplattform für Zeitgeistthemen. Ihre Motivation schilderte sie vor einigen Jahren den Autoren Mathias Morgenthaler und Marco Zaugg: „Heute bevorzuge ich eine Arbeit, bei der ich ein Drittel verdiene, dreimal so viel arbeite und zehnmal mehr Befriedigung finde.

Dann denken die Leute meistens: "Die hat gut reden, sicher ist sie reich von Haus aus." Das trifft nicht zu. Ich finde nur, dass kein noch so hohes Salär einen eklatanten Mangel an Freude, Freiheit und Unabhängigkeit kompensiert. Für mich fällt am meisten ins Gewicht, dass ich heute eine Idee, die mich mitten in der Nacht heimsucht, am nächsten Tag umsetzen kann. Es ist wunderbar, Leute zusammenzubringen und zu erleben, wie da etwas Neues entsteht. Manchmal gehe ich spät nach Hause und finde keinen Schlaf, weil ich so beglückt bin.“

Unternehmer als moderne Geschichtenerzähler

Unternehmer belohnen sich mit Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit und Zufriedenheit und zahlen mit einem Verzicht auf Freizeit, Geld und Ruhm. Ja, richtig gehört, bekannt zu werden wie Jil Sander oder reich wie Mark Zuckerberg sind Ausnahmeerscheinungen, die die unbestechliche Einkommensstatistik mit Zahlen widerlegt, nach denen Angestellte in Ländern wie Deutschland oder der Schweiz durchschnittlich besser verdienen als Unternehmer. Dafür gehören Entrepreneure zu den glücklichsten Menschen weltweit.

Homo entrepreneurialis

Nach der Glücksforschung hängt unser Glück nicht vom Materiellen ab, und es ist keine lineare Beziehung zwischen Einkommen und Glück zu beobachten. Zwar braucht es Wohlstand zum Glück, aber viel weniger, als wir meinen. Der Weg zum Glück führt über Erfahrungen und gelebtes Engagement. Die Balance zwischen Wohlstand, der mir das Sammeln von Erfahrungen erleichtert, und dem Abwurf von Wohlstandsballast, der einen Gewinn an Zeit und Selbstbestimmung verspricht, ebnet den Weg zu einem selbstbestimmten, unternehmerischen Leben. In einem nationalen Glücksindex findet dies über die unternehmerische Freiheit und Selbstbestimmung mindestens genauso seinen Niederschlag wie im nationalen Wohlfahrtsindex.

Warum die Deutschen gründen

Der unternehmerische Mensch lebt sein Leben mit Unternehmertum. Der Homo entrepreneurialis unternimmt etwas, um zu gestalten, statt zu gewinnen. Im Unterschied zum Homo oeconomicus prägt er damit einen positiven Kapitalismus in einer unternehmerischen Gesellschaft, die keine des Geizes ist. Er lebt ohne den Staat, der ein Menschenbild des „Antragsartisten“ für Grundeinkommen, Stipendien, Förderungen prägt, wie es Günter Faltin, Gründer der Teekampagne, so treffend formulierte.

Der unternehmerische Mensch löst Probleme, im Idealfall nicht nur die eigenen, sondern auch die vieler anderer Menschen, indem er sein Stärkeninventar mit dem Dreiklang seiner bereits vorhandenen Mittel – Wer bin ich? Was kann ich? Wen kenne ich? – einsetzt. Seine Unzufriedenheit mit bestehenden Lösungen wandelt er in positive Energie um, die durch seine Unterforderung im bisherigen Leben kurz vor der Explosion steht.

Gelebtes Unternehmertum

Auch wenn er schon viel probiert hat, nicht immer erfolgreich war und auch keine klare Zielvorstellung hat, nutzt er seine Vorstellungskraft für ein ganzes Zielportfolio. In der Problemlösung mit den Betroffenen entwickeln sich die Geschäftsidee und das Geschäftsmodell. Erst mit der Präsentation des Businessplans in seiner letzten Version als Plan X, Y oder Z erzählt er seine Erfolgsgeschichte, aber auch die Misserfolge, die zu diesem Erfolg durch die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells geführt haben.

Der Unternehmer wird zum modernen Geschichtenerzähler, der andere im Sinne von Aristoteles mit Ethos (Glaubwürdigkeit), Logos (Beweisführung) und Pathos (emotionalem Appell) mitreißt und zum unternehmerischen Tun bewegt. Gemeinsam oder auf unterschiedlichen Pfaden co-kreieren sie eine unternehmerische Gesellschaft, die die Zukunft gestaltet. Ist das der Kern von gelebtem Unternehmertum?

Eine Managementberatung hat die Lebensläufe internationaler CEOs untersucht – Studium, Jobs, Titel. Ergebnis: Die Dax-Chefs haben sich im Unternehmen hochgedient. In den USA sind CEOs dagegen oft Gründer.
von Kerstin Dämon

Lassen wir uns auf eine kleine literarische Reise entführen, die zum Nachdenken anregt. Der Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll veröffentlichte vor gut einem halben Jahrhundert in Deutschland eine Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral. In Ausschnitten erzählt sich die Geschichte wie folgt: An der westlichsten Küste Europas wird ein amerikanischer Tourist auf einen einheimischen Fischer aufmerksam, der in seinem Boot liegt und zufrieden vor sich hin döst.

Verwundert fragt der Tourist den Einheimischen, ob er denn nicht zum Fischen hinausfahre, das Wetter sei doch günstig. Der Fischer erzählt dem Fremden, dass er schon am frühen Morgen auf dem Meer gewesen sei und einen derart großen Fang gemacht habe, dass ihm die Fische sogar noch für morgen und übermorgen reichen würden. Doch der Tourist lässt nicht locker. Wenn er ein zweites, ein drittes, vielleicht sogar ein viertes Mal ausfahre, könne er die Fangmenge doch erheblich steigern.

Entrepreneure schaffen Neues

Würde der Fischer dies an günstigen Tagen wiederholen, könne er sich spätestens in einem Jahr einen Motor kaufen, in zwei Jahren ein zweites Boot, dann vielleicht einen Fischkutter mit Mannschaft. Er könne ein Kühlhaus bauen, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber rundfliegen, die Fischschwärme ausmachen und der Fangflotte Anweisung geben. Er könne die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren und dann ... „Was dann?“, fragt der Fischer. „Dann können Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen und auf das herrliche Meer blicken.“ Darauf der Fischer: „Aber das tu ich ja jetzt schon.“

Wer ist nun der wahre Entrepreneur? Bölls glücklicher Fischer oder der vor Tatendrang sprühende Tourist? Die Entrepreneurship-Forschung trifft hier eine klare Unterscheidung: Der Fischer ist selbstständig, da er in keinem Angestelltenverhältnis steht und sein eigener Herr ist.

Grichniks unternehmerische Roadmap zum Entrepreneurial Living

Zum Entrepreneur wird er aber erst, wenn er wie der Tourist denkt und auch handelt. Entrepreneurship impliziert die Schaffung von etwas Neuem, das mit Unsicherheit behaftet ist und einen Wert schafft – nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere. Ob als darwinistischer Entrepreneur, der seinen Erfolg im Konkurrenzkampf mit anderen misst, als kommunitaristischer Unternehmer, der mit seinen Produkten nach Anerkennung in seiner Community strebt, oder als missionarische Unternehmerin, die die Welt verbessert, Wert entsteht so oder so für die Wirtschaft und die Gesellschaft.

Wie viel Einsatz soll es sein?

Aber der Fischer scheint doch zufriedener als der Tourist? Das ist die Message von Heinrich Böll, der im Wirtschaftswunderland für das Lebensmotto „Arbeite, um zu leben!“ statt „Lebe, um zu arbeiten!“ sensibilisierte. In heutiger Zeit knapper Zeitressourcen aktueller denn je, aber die vielen glücklichen Entrepreneure erzählen uns eine andere Geschichte. Auch wenn das „Walk the extra mile!“ für viele Entrepreneure Arbeitsalltag ist, treibt sie die persönliche Gestaltungsfreiheit zu Höchstleistungen an.

So ist es weltweit um den Gründergeist bestellt

Ohne den Zeitaufwand für ein unternehmerisches Leben bagatellisieren zu wollen, muss jeder selber entscheiden, welchen Einsatz er zu leisten bereit ist. Beim Entrepreneurial Living ist der Unternehmerlohn nicht das Geld, sondern geschenkte Zeit, die sinnvoll gelebt wird. Aber das Teufelchen in deinem Ohr flüstert dir zu: Bedenke, was alles schiefgehen kann! Florian Langenscheidt, Verleger und Start-up-Investor, sagt dazu in seiner Rede anlässlich der Preisverleihung zum Entrepreneur des Jahres 2013: „Es gibt eine wahnsinnig interessante Statistik, an die ich fünfmal pro Tag denke: 92 Prozent aller Sorgen, die wir uns vor einem mutigen Schritt machen – ob ich mich von jemandem trennen oder meine Liebe gestehen möchte, ob ich meinen Job wechseln oder eben ein Unternehmen gründen will –, erweisen sich im Nachhinein als unbegründet. Es kommen andere Dinge hinzu, lauter Probleme und Herausforderungen, an die ich vorher gar nicht gedacht habe. Aber 92 Prozent treten nicht ein!“

Denke an die 92 Prozent und die Opportunitätskosten der Sinnhaftigkeit in deiner aktuellen Tätigkeit. Unternimm dein Leben, und fange gleich mit deiner eigenen unternehmerischen Roadmap an.

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