Eine allgemeingültige Ursache für häufiges oder chronisches Aufschiebeverhalten gibt es nicht. Im Gegenteil, denn die Hintergründe können aus allen Richtungen kommen. „Es können etwa die hohen Erwartungen an sich selbst blockieren und zu einem Aufschub der zu bearbeitenden Aufgaben führen oder die Unterschätzung des Umfangs und der Leistung den sprichwörtlichen „Aufgabenberg“ wachsen lassen.“, vermutet der Freiburger Professor Matthias Nückles.
Aber auch andere Ursachen sind möglich. Aufschieberitis tritt häufig auf, wenn die Betroffenen unter Versagens- oder Kritikängsten leiden. Sie gelten dann lieber als faul denn als unfähig bestimmte Aufgaben, beispielsweise die nächste BWL-Klausur, zu bestehen. Andere haben schlicht Motivations-, Zeiteinteilungs- oder Prioritätensetzungsprobleme. Prokrastination kann aber auch als Teil einer diagnostizierbaren psychischen Störung, wie einer Depression, einer Angststörung oder von ADHS auftreten. Amerikanische Prokrastinationsforscher wie der Psychologieprofessor Joe Ferrari vermuten die Ursachen hingegen in der frühen Kindheit, etwa wenn Eltern zu früh und zu häufig Leistung von den Kindern fordern. Nur in der Babywiege liegt die Prokrastination noch nicht. Ferrari betont: „Niemand wird als Prokrastinator geboren, dafür gibt es kein Gen.“
Wenn das Vertagungsmuster als Teil einer Depression oder von ADHS auftritt, dann hilft meistens nur die akute Behandlung der psychischen Ursprungsstörung. Für Studenten der Universität Münster gibt es mittlerweile auch konkrete Hilfen von Seiten der Hochschule. In einer speziellen Prokrastinationsambulanz gibt es Beratung und Therapieangebote –für einfache Bummler wie für chronische Aufschieber. Bereits mehrere Hundert Studenten haben das Angebot angenommen.
In einer gründlichen Diagnostik werden dann zuerst die individuellen Faktoren analysiert, die das Aufschieben auslösen und aufrechterhalten. Dabei helfen unter anderem Selbstbeobachtungen und Fragebögen. Anschließend beginnt die Therapie in Form von Beratungen , Gruppen-Trainings und sogar Psychotherapie. Besonders erfolgreiche Methoden sind dabei die Strukturierung des Arbeitsverhaltens, das Setzen realistischer Ziele und ein positiver Umgang mit Ablenkungsquellen und negativen Gefühlen. Durch systematisches Üben des alternativen Arbeitsverhaltens soll das „Aufschieben“ Schritt für Schritt abgebaut werden.
Den unangenehmen Anruf verschieben, die Rechnung erst morgen bezahlen oder mit dem Lernen noch ein bisschen warten: Den kleinen Aufschieber in sich kennt vermutlich jeder. Der erste Schritt um ihn zu besiegen, wäre jetzt mit dem Lesen aufzuhören und endlich den Vermieter anzurufen. Endlich die VWL-Bücher hervorzukramen. Oder sich noch schnell die besten Tipps gegen das Aufschieben anzusehen.