Macht & Psychologie Die Waffen der Intriganten

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Psycholgin Regina Michalik, Autorin des Buches

Eine Begleitmethode der vier Kategorien möchte ich noch erwähnen: Verstellung und Verkleidung, Tarnung. Sie dienen dazu, die verschiedenen Intrigenwerkzeuge einzusetzen, ohne dass der Täter erkannt wird. Der gesamte altbekannte Fundus aus Theater und Opernhaus steht Intriganten auch bei modernen Intrigen zur Verfügung: Da findet sich die Intrigenstimme und Intrigenschrift aus Shakespeares »Fal­staff« oder die Annahme einer komplett anderen Identität wie bei Beethovens »Fidelio«. Wenn’s schnell gehen muss mit der Verstellung, wirft man sich kurz den Tarnmantel über, schlüpft hinter den Paravent oder unter den Tisch und platziert vorher noch schnell ein Intrigenrequisit: ein Taschentuch, einen Brief oder ein Goldstück, scheinbar zufällig verloren.

Alles nicht mehr modern? Das passt nur in Sage und Oper? Keinesfalls. Das passt auch in Großkonzerne, den Mittelstand und den Non-Profit-Sektor. In einer modernen Geschichte um Softwarediebstahl in einem Großkonzern platzierte der Manager einen Brandsatz, warf sich einen Trenchcoat über, der dem des Intrigenopfers ähnelte, und verließ am Pförtner vorbei unerkannt das Unternehmen. Der Verdacht fiel so auf das Opfer, das angeblich versucht haben soll, durch den Brand die Spuren seines angeblichen Diebstahls zu vernichten. In einem mittelständischen Betrieb verstellte die intrigante Angestellte ihre Stimme, als sie den Geschäftsführer anonym beschuldigte, Geld veruntreut zu haben; der Telefonanruf ging natürlich von einem fremden Telefon aus. In einer Umweltorganisation ließ der stehlende Mitarbeiter die Indizien auf einen andern zeigen. Und Edeka Süd tarnte Detektive als Praktikanten, um Mitarbeiter auszuspionieren und dabei Kündigungsgründe zu finden. Der moderne Intrigant tarnt sich auch elektronisch durch Anonymisierungsdienste und ausländische Provider oder durch Fälschungen elektronischer Signaturen, von Mail- und www-Adressen; häufig benutzt er auch reale Identitäten von anderen und verschickt beispielsweise Mails von fremden Accounts. Dies kann bis zum Identitätsdiebstahl gehen. Keine Angst, als Intrigenwerkzeug ist das eher selten; dafür dient er aber in Betrugsfällen dazu, mit Ihren Bankdaten Geschäfte zu tätigen oder unter Ihrem Namen Verbrechen zu begehen.

Auch hinter Heuchelei kann eine Intrige stecken

Auch Heuchelei ist eine Tarnung, hinter der manchmal eine Intrige steckt. Interesse an der Befindlichkeit der Ehefrau oder den Schulerfolgen der Kinder? »Ach, das tut mir aber sehr, sehr leid«, wird dann geheuchelt, wenn der Kollege die Scheidung oder den Schulabbruch gesteht, dabei freut man sich über den entstandenen Schaden und benutzt ihn systematisch. Auch Journalisten, professionelle Informationsbeschaffer, spielen gern das Heuchelspiel: Nach dem offiziellen Interview, vertraulich, am Biertisch, teilen sie die Einschätzung über die Unfähigkeit des parteiinternen Konkurrenten, um ihm dann genau dieses ein paar Tage später zu berichten – natürlich wieder vertraulich und mit Bezug auf eine »vertrauliche Quelle«.

Wo hier Mitgefühl oder Informationsbedürfnis und wo bewusste Schädigungsabsicht im Spiel sind, ist schwer zu entscheiden – auch im Nachhinein. So wurde der Geschäftsführer der Partei Die Linke, Dietmar Bartsch, zitiert, wie er über die Nachfolge des an Krebs erkrankten Parteivorsitzenden Lafontaine spekulierte. War dies eine Falle eines übelwollenden Journalisten? Oder eine wahre, weitblickende Überlegung des Zitierten selbst? Unbeabsichtigt und wohlwollend oder bewusst und zielgerichtet mit Schädigungsabsicht platziert? Oder war dies eine böswillige Unterstellung eines parteiinternen Konkurrenten? Auf jeden Fall war es in der Öffentlichkeit und es half nichts, es klarzustellen oder zu dementieren.

Schauspielerisches Verstellungstalent kommt in Büros tagtäglich zum Zuge: »Glauben Sie mir, das habe ich aber nun wirklich nicht gewusst, was das Board in Chicago vorhat« oder »Das tut mir herzlich leid für Sie, aber ich habe nun mal strikte Anweisung«. Täuschungen, Heucheleien und Lügen sind, als Kette geplant und systematisch angewandt, intrigentauglich.

Sie sind beliebig kombinierbar, die vier Kategorien von Intrigenwerkzeugen, gut zu verbinden mit der Begleitmethode »Tarnung«. Knüpft man sie intelligent und planvoll zusammen, als Kette von kleinen und größeren Listen und Gewalttätigkeiten, und führt sie dann geschickt durch, so bilden sie eine Intrige und haben große Chance auf Erfolg.

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