
In zwei Wochen beginnt wieder die CeBIT, die weltgrößte Messe für Informationstechnik. Thema in diesem Jahr - wenig überraschend - die Digitalisierung. Oder wie es auf Seiten der Messe heißt: "d!conomy: join - create - succeed". Fakt ist, die digitale Transformation ist in vollem Gange - und alle wollen mitmachen. Vom Mittelständler bis zum Dax-Konzern verweigert sich per se niemand dem Fortschritt. Zumindest nach außen hin nicht.
Die Digitalberatung etventure hat bei den 2000 Großunternehmen in Deutschland mit einem Jahresumsatz von mindestens 250 Millionen Euro nachgefragt, wie es um die digitalen Zukunftspläne der Betriebe bestellt ist. Ergebnis: Bei sechs Prozent ist die Digitalisierung das wichtigste Thema, bei 78 Prozent kommt sie unter die Top drei beziehungsweise Top zehn. Nur 16 Prozent sagen: "Digitalisierung? Och, vielleicht morgen."
Unternehmen überlassen das Feld der Konkurrenz
Prima, könnte man jetzt sagen und der funkelnden neuen Welt beim Entstehen zuschauen. Nur: Obwohl alle mitmachen wollen, verläuft die Umsetzung der digitalen Transformation nur schleppend. Auf ein verändertes Kundenverhalten reagieren viele zögerlich bis gar nicht und auch gegenüber neues Technik herrscht oftmals Skepsis, wenn nicht sogar Schockstarre.
So entwickeln Sie die richtige Digitalstrategie
Bernd Holitzner ist seit 2010 Geschäftsführer des Beratungsunternehmens menovo GmbH, das sich auf Automation, Optimierung und Beratung von Geschäftsprozessen spezialisiert hat.
Er rät: "Ermitteln Sie den aktuellen Prozessablauf – über Abteilungsgrenzen hinweg. Stellen Sie Start- und Endpunkt des Gesamtprozesses fest und definieren Sie Haupt- und Subprozesse. Zum Schluss eruieren Sie die verwendeten Tools. Wahrscheinlich haben Sie erste Schwachstellen und Optimierungspotenziale aufgedeckt. Jetzt können Sie sich vergewissern, ob die gestellte Anforderung diese berücksichtigt."
"Prüfen Sie, ob die Anforderung die Unternehmensstrategie berücksichtigt. Ein Beispiel ist der Onboarding-Prozess. Die IT-Abteilung erwartet, dass Software installiert und Berechtigungen angelegt werden. Die Unternehmensstrategie fordert, dass der Prozess effizienter wird. Diese Bedürfnisse müssen Sie in Einklang bringen."
"Analysieren Sie die Optimierungspotenziale des aktuellen Prozesses. Das sind Prozessschritte, die die Unternehmensstrategie nicht unterstützen. Wenn Sie eine fundierte Auswertung benötigen, führen Sie eine Prozesskennzahlenanalyse durch. Dokumentieren Sie die Optimierung anschließend detailliert."
"Anhand des Optimierungskonzeptes erkennen Sie, wo technische Unterstützung sinnvoll ist. Formulieren Sie, welchen Bedarf die Technik erfüllen soll. Soll die Fehleranfälligkeit im Dokumentenmanagement reduziert werden? Sollen Informationen firmenweit zugänglich werden?"
"Häufig existieren in Unternehmen Tools, die die Anforderungen erfüllen. Durch Kommunikationsdefizite oder mangelnde Prozesskenntnis werden diese nicht berücksichtigt. Überprüfen Sie genauer den Nutzen und die Potenziale der eingesetzten Tools. Erfüllen bestimmte Tools den Bedarf nicht? Dann untersuchen Sie mit der gleichen Akribie die Auswahl neuer Tools."
"Heutzutage ändert sich der Bedarf eines Unternehmens kontinuierlich. Stellen Sie sicher, dass Tools schnell und mit geringem Aufwand angepasst werden können. Zum Beispiel indem Funktionen via Konfiguration geändert werden können."
"Nachdem die Digitalisierung erfolgreich umgesetzt wurde, ist die größte Herausforderung, sie kontinuierlich anzupassen. Der digitale Prozess muss kontrolliert, hinterfragt und weiterentwickelt werden."
Das ist gefährlich. „Was der Buchmarkt und die Musikindustrie bereits schmerzlich erfahren mussten, könnte bald auch auf andere Branchen zutreffen: Wer jetzt nicht digitalisiert, überlässt die Wertschöpfung den großen Technologiekonzernen wie Google, Amazon oder Apple oder auch ganz neuen digitalen Angreifern, die in den Markt drängen“, sagt Philipp Depiereux, Gründer und Geschäftsführer von etventure.
Dass Unternehmen offenbar Schulter zuckend das Feld räumen, liegt an zwei Dingen: Zum einen, dass nur in knapp der Hälfte der Fälle die Digitalisierung tatsächlich Chefsache ist. Die anderen 52 Prozent überlassen den Job der IT-, der Marketing- oder sonstigen Abteilungen. Dabei geht es doch um eine Modernisierung des Kerngeschäftes und nicht um eine neue Buchhaltungssoftware oder eine neue Werbekampagne.
"Wenn komplette Geschäftsmodelle und -abläufe eines Unternehmens digitalisiert werden sollen, greift das tief in sämtliche Prozesse des Unternehmens ein. Das bedeutet für das Unternehmen: Ist der Vorstand nicht Treiber des Digitalprozesses, wird die digitale Transformation nicht gelingen", ist Depiereux überzeugt. Das belegen auch die Daten der etventure-Studie eindeutig: Je stärker Vorstände und Geschäftsführer die Digitalisierung steuern, desto häufiger werden erfolgreiche Ergebnisse in den Großunternehmen sichtbar.