




Robert Frost kannte sich aus. „Das Gehirn ist ein wundervolles Organ“, soll der amerikanische Schriftsteller einmal gesagt haben, „es fängt sofort an zu arbeiten, wenn man morgens aufwacht, und hört nicht auf damit, bis man im Büro ist.“
Zwar ist nicht restlos geklärt, ob der Autor wirklich der Urheber des Zitats ist. Fakt ist aber: Gehirne lassen uns im Berufsalltag genau dann im Stich, wenn es darauf ankommt. Warum sonst kommt der Blackout gerade in einem wichtigen Vortrag? Wieso unterlaufen uns immer dann Fehler, wenn wir unter Beobachtung stehen?
Unser Gehirn braucht zwar ständig Feedback von der Umwelt, doch das kann mitunter auch zu viel werden – vor allem dann, wenn es zu häufig auf uns einprasselt. Wer unter permanentem Beobachtungsdruck steht, macht dabei häufiger Fehler, als wenn er selbstständig vor sich hin arbeitet.
Zum Autor
Henning Beck ist Neurobiologe. Er klärt als Autor über die größten Mythen der Hirnforschung auf und ist außerdem Deutscher Meister im Wissenschaftswettbewerb Science Slam.
Ständige Kontrolle beeinträchtigt nämlich unterbewusst unsere Leistung. So weiß man von Konzertpianisten, dass diese vor Publikum kräftiger auf die Tasten drücken, als wenn sie alleine spielen. Und wer jemals versucht hat, sich vor einer Gruppe Schaulustiger in eine kleine Parklücke zu zwängen, weiß, dass einen spätestens dann die besten Einparkkünste verlassen. Wohl dem, der eine Einparkhilfe hat.
Unser Gehirn braucht Routinen





Mentale Einparkhilfen gibt es auch in unserem Gehirn. Und zwar in Form von Denkmustern, die wichtige Abläufe routiniert abspulen. Doch diese geistigen Gedankenstützen können durch zu viel Kontrolle gestört werden. Denn sobald das Gehirn bemerkt, dass es von kritischen Beobachtern in seiner Handlung überwacht wird, unterdrückt es messbar die Aktivität jener Regionen, die normalerweise für die konkrete Handlung notwendig sind.
Mit anderen Worten: Eine offensichtliche Kontrolle legt das Gehirn tatsächlich organisch lahm und blockiert eine akkurate Bewegungssteuerung. Selbst eingeschliffene und automatisierte Abläufe können so ins Stocken geraten. Zwar kann man sich gegen einen Vortrags-Blackout schützen, indem man ihn zunächst vor freundlich gesinntem Publikum übt und sich gratis Applaus holt. Doch viele Kontrollsituationen lassen sich nicht so leicht trainieren und blockieren das Gehirn im Ernstfall.
Natürlich ist eine Leistungsüberprüfung und -beobachtung im Arbeitsleben unerlässlich. Controlling und Monitoring mögen dabei gut sein, um Prozessabläufe zu überwachen. Doch wer seine Mitarbeiter ständig überprüft, braucht sich nicht zu wundern, wenn ihre Performance spürbar leidet. Optimale mentale Leistung erreicht man nämlich am besten durch eine End- statt einer Prozesskontrolle. Denn kein Gehirn ist darauf ausgelegt, bei jedem seiner Schritte kontrolliert zu werden.
Geistige Leistungsstärke entsteht vielmehr dann, wenn man dem Gehirn messbare Ziele setzt, anschließend genügend Freiheiten und Möglichkeiten zum Handeln lässt – und erst am Ende das Ergebnis überprüft. Das ist wie auf der Bühne: Gebuht oder applaudiert wird immer zum Schluss.