Geheime Neuemissionspläne Unternehmen zittern vor Kapitalmärkten

Nach Ostern dürften gut 20 deutsche Firmen an die Börse drängen. Anders als früher wagen sich die Unternehmen so spät wie möglich aus der Deckung. Aus Angst, dass Kritiker die Pläne zerreden.

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Containerschiff von Hapag Lloyd: Die Tui-Beteiligung gilt als möglicher Eisbrecher für Neuemissionen. Quelle: dpa

FRANKFURT/DÜSSELDORF. Es gab Jahre, da sind in Deutschland 193 Firmen an die Börse gegangen - fast jeden Werktag eine. Es waren Jahre, in denen die Wirtschaft brummte, und die Aktienmärkte boomten. Es waren Jahre wie das vergangene: Mit 3,6 Prozent ist die deutsche Wirtschaft so stark gewachsen wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Doch 2010 zog es lediglich 13 Firmen aufs Parkett.

In diesem Jahr geht der Aufschwung unvermindert weiter. Doch sind mit dem kleinen Fahrradhersteller Derby Cycle und dem Spezialsoftwarehaus RIB gerade zwei Unternehmen an der Deutschen Börse gestartet. Zwei eher mickrige Emissionen.

Wo sind die Gründer, die ihre Firmen kapitalisieren wollen, um weiter zu wachsen? Wo sind die Investoren, die nach Geschäftsideen suchen? Und wo sind die großen Konzerne, die in dem günstigen Umfeld Sparten ausgliedern und dabei Geld einnehmen, das sie in ihr Kerngeschäft investieren?

Der Kapitalismus, so scheint es, ist stehengeblieben. Doch hinter den Fassaden der Unternehmen befassen sich die Strategen durchaus mit dem Thema. Nur wagt sich niemand aus der Deckung. Vorbei sind die Zeiten, in denen Firmen monatelang bei Investoren mit Hochglanzprospekten auf Roadshow gingen, um für ihren Börsengang zu werben und so den Preis noch ein paar Cent hochzutreiben. Heute gilt: Die Börsengänge werden intern zur Geheimsache erklärt.

Konzerne in "Hab-Acht-Stellung"

Den Grund dafür sehen Analysten, Händler und Investmentbanker in den unberechenbar gewordenen Kapitalmärkten. Sie schwanken noch stärker als früher.

"Allen Managern ist klar, dass sich die Fenster für Börsengänge oder Kapitalerhöhungen sehr schnell schließen können. Viele Konzerne sind deshalb in "Hab-Acht-Stellung", sagt Ernst Fassbender, Deutschland-Chef der Investmentbank Lazard. Die Firmen bereiteten den Gang an den Kapitalmarkt im stillen Kämmerchen vor - um dann, "bei günstiger Gelegenheit, schnell herauszukommen und die Transaktion abzuwickeln".

Es hat sich einiges aufgestaut. Laut einer Analyse des Handelsblatts steht eine ganze Welle von Börsengängen bevor. Allerdings erst ab April.

"Die Ampeln für Aktienemissionen schalten allmählich auf Grün", sagt Christoph Kaserer von der TU München. Der Wissenschaftler ermittelt jedes Quartal bei Investoren, Konsortialbanken und Wagniskapitalgebern die Stimmung für Börsenneulinge. Die Schuldenkrise, so sagt er, lähme nicht mehr die Stimmung: "Die Tür ist offen."

Zumal die Investoren im Geld schwimmen. Die hohe Liquidität werde einer der Hauptgründe für Investoren sein, 2011 weiter Aktien zu kaufen, sagt Achim Schäcker, Chef des Aktienemissionsgeschäfts bei HSBC Trinkaus. Nach wie vor würden händeringend lohnende Investitionen gesucht - möglichst mit Wachstumspotenzial. Und dazu zählen Neuemissionen. Das belegt die erfolgreiche Kursentwicklung prominenter Kandidaten wie dem voriges Jahr an der Börse gestarteten Chemiehändler Brenntag.

Dass die Kandidaten jetzt noch warten, hat einen simplen Grund. Den meisten Firmen fehlt die Bilanz für das Boomjahr 2010, mit der sie bei den Investoren mächtig punkten wollen. Derby Cycle konnte das egal sein, der Fahrradhersteller hat ein abweichendes Geschäftsjahr, das am 30. September endet. RIB Software ging mit den Neun-Monats-Zahlen zum 30. September an die Börse.

Weitaus größere Börsenkandidaten wie der Reedereikonzern Hapag Lloyd, das Immobilienunternehmen GSW, der Unterwäsche-Produzent Schiesser oder die Internetseite Groupon dürften ab Ende März auf den Markt drängen. Dann liegen die Zahlen vor, und sie können ihren Anlegern prächtige Ertragssteigerungen gegenüber dem Krisenjahr 2009 präsentieren.

Als möglicher "Eisbrecher" gilt die Tui-Beteiligung Hapag-Lloyd. Marktkreisen zufolge peilen die Konsortialbanken um Goldman Sachs und Credit Suisse als Termin die erste oder zweite April-Woche an. Hapag-Lloyd erhofft sich einen Milliardenerlös. Geht alles nach Plan, könnten Ende 2011 etwa 20 neue Namen auf dem deutschen Kurszettel stehen, glaubt Ralf Darpe von der Société Générale. Das gab es zuletzt im Jahr 2006.

Vor allem Immobilienfirmen drängen an die Börse. Die Berliner GSW Immobilien, die im vergangenen Mai ihre Börsenpläne wegen der Griechenland-Krise absagen musste, soll eine der ersten sein.

Ob die Emission wieder mit bis zu einer halben Milliarde Euro taxiert wird - dazu hält sich die GSW wie viele andere Kandidaten zurück. Kein Wunder: In der Vergangenheit haben sich viele Börsenaspiranten zu früh aus der Deckung gewagt und wurden vom Markt zerredet. Denn je länger über die Angemessenheit eines Ausgabepreises diskutiert wird, desto geringer fällt er in aller Regel aus.

Die Unternehmen, ihre Banken und Berater haben daraus gelernt: Zwischen der ersten Ankündigung und der Erstnotiz vergehen kaum mehr als drei Wochen. Früher waren es oft mehrere Monate. Wer jetzt an die Börse will, der hält das - wie Derby Cycle und RIB Software - so lange wie möglich geheim.

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