Die Aktien von Ölraffinerien haben bei Anlegern einen zweifelhaften Ruf; sie gelten als sehr schwankungsanfällig, ja fast unberechenbar. Diesen Ruf haben sie zuletzt leider bestätigt. So verloren Marathon Petroleum im Sommer binnen weniger Wochen 32 Prozent und Tesoro 42 Prozent an Wert. Fallende Spritpreise hatten die Gewinnmargen der Ölveredler unter Druck gebracht. Inzwischen haben die Papiere sich erholt und notieren nur noch knapp unter ihren früheren Hochs. Speziell für HollyFrontier und Tesoro könnte nun der Zeitpunkt für einen (Wieder-)Einstieg günstig sein. Beide haben ihre Standorte in der Nähe des Zentrums des Schieferölbooms in den USA und sollten profitieren, unabhängig vom Auf und Ab des Ölpreises.
Mit dem Anstieg der Lagerbestände in den USA ist der Preis für ein Barrel Rohöl der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) in den letzten Monaten von in der Spitze 110 auf 94 Dollar gesunken. Die Benzinpreise basieren jedoch auf Brent, dem internationalen Ölstandard, und der liegt derzeit bei fast 110 Dollar je Barrel (159 Liter). US-Raffinerien können das Rohöl zu WTI-Preisen kaufen und die Endprodukte zu Brent-Preisen verkaufen. Je teurer also die Sorte Brent im Vergleich zu WTI, desto höher tendenziell die Gewinne. Der Brent-Preis dürfte 2014 weiter steigen, getrieben von globalen Spannungen und der Verknappung des Angebots.
HollyFrontier betreibt seine Raffinerien im Herzen der USA und kommt so durch die Nähe zu den reichen Schieferölvorkommen in den Genuss von Kostenvorteilen, denn der Preis für Schieferöl schwankt lokal stark, liegt jedoch im Mittelwesten noch einmal deutlich unter dem Handelspreis für WTI. Derzeit investiert Holly in seine Raffinerien, um die Produktion effizienter zu machen. Damit dürfte sich Holly einen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern verschaffen, zumal auch das Problem der Lieferengpässe von den boomenden Ölfeldern mit dem Bau neuer Pipelines demnächst behoben sein sollte. Den Aktionären gegenüber ist Holly großzügig. Kürzlich kündigte das Unternehmen seine vierte Sonderdividende in diesem Jahr an. Damit steigt die Rendite auf aktuellem Kursniveau auf rund sieben Prozent. Ohne Sonderausschüttungen liegt sie bei 2,7 Prozent.
Gewinne durch Standortvorteile
Die Aktie ist bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von zwölf für 2014 günstig. Laton Spahr, Manager des Oppenheimer Small Cap Value Fonds, gefällt, dass Holly seinen derzeit zusätzlich verdienten Cash-Flow nur in die Leistungssteigerungen seiner Raffinerien investiert. Goldman Sachs wiederum sieht bei der Aktie ein Wertsteigerungspotenzial von 25 Prozent binnen Jahresfrist. Diese Prognose basiert auf Schätzungen des zukünftigen Cash-Flows bei normalisierten US-Ölpreisen. Goldman empfiehlt neben Holly auch Delek, Marathon Petroleum, Western Refining, Alon USA Partners und und Northern Tier Partners zum Kauf.
Wie HollyFrontier hat auch Tesoro Raffinerien mit Standortvorteilen. Credit Suisse hat das Kursziel der Tesoro-Aktie kürzlich auf 62 Dollar angehoben – mit der Begründung, Tesoro sei eines der Unternehmen mit den „besten Standortvorteilen im US-Raffineriesektor“. Tesoro betreibt Raffinerien in Utah, North Dakota, Washington und Alaska. Das Unternehmen verfügt – dank einer in diesem Jahr von BP erworbenen Raffinerie – auch in Kalifornien über beträchtliche Kapazitäten und erwirtschaftet dort höhere Margen als andere Unternehmen an der Golfküste.
Noch nicht berücksichtigt hat die Börse auf dem aktuellen Kursniveau jene Vorteile, die durch die geplante Ausgliederung der Pipelines und Öllager in eine sogenannte Master Limited Partnership (MLP) entstehen: Das ermöglicht Tesoro höhere Barausschüttungen an seine Aktionäre, weil MLPs Gewinne auf Konzernebene nicht versteuern müssen, solange sie ausgeschüttet werden – ähnlich wie börsennotierte Immobilienfonds (REITs). Seine Anlagen auf Hawaii hat Tesoro dagegen verkauft und damit seine Cash-Position im dritten Quartal auf 1,5 Milliarden Dollar gesteigert. Analysten erwarten für 2014 eine Ertragssteigerung um 71 Prozent; dennoch notiert die Aktie mit einem KGV von nur 9,8 auf Basis der Gewinnschätzungen für das kommende Jahr.
Klar: Anleger müssen bei Raffinerieaktien auch künftig mit erheblichen Kursschwankungen rechnen – schon, weil deren Geschäft nun einmal stark von den schwankenden Rohölpreisen abhängt. Fondsmanager Spahr beugt diesem Risiko vor, indem er in regionale Öl- und Gasproduzenten investiert. Die Aktienkurse der Letzteren steigen, wenn Raffinerietitel fallen und umgekehrt.
Unter dem Strich könnten die richtigen US-Raffinerieaktien die Wertentwicklung von Aktienportfolios 2014 kräftig befeuern.