Zustimmung zu Code-Reform Die Bitcoin-Spaltung ist abgewehrt – vorerst

Die drohende Spaltung des Bitcoins ist vorerst aufgehalten. Die Gemeinschaft der Produzenten hat eine Reform des Programmcodes genehmigt. Die Nutzer atmen auf. Doch der Kampf um die Zukunft der Währung hat erst begonnen.

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Der schwelende Streit über die Zukunft der Digitalwährung könnte gelöst sein. Zumindest für den Moment. Quelle: CHINAFILE/EPA/REX/Shutterstock

Düsseldorf Am Ende ging alles schneller als gedacht: Mit einer Zustimmung von über 93 Prozent hat sich die Gemeinschaft der Bitcoin-Produzenten (der sogenannten Miner) auf eine wichtige Reform des Programmcodes geeinigt. Nutzer auf der ganzen Welt feierten den Schritt, der die Zukunftsfähigkeit der Digitalwährung sichern soll. Überweisungen sollen beschleunigt, der Bitcoin fitgemacht werden für die weiter ansteigende Nutzerzahl.

„Mich persönlich hat die Entscheidung extrem gefreut. Die Bitcoin-Community hat einen Schritt in die richtige Richtung gemacht“, sagt der Kieler Unternehmer Darius Karampoor, Bitcoin-Investor der ersten Stunde und Betreiber eines Onlinehandels, der das digitale Zahlungsmittel akzeptiert. Bitcoin-Fans in New York und San Francisco, Hong Kong und Tokio trafen sich zu spontanen Parties und feierten auf Twitter den Durchbruch. Der Kurs der Digitalwährung schnellte um 15 Prozent nach oben und lag zuletzt bei rund 2.350 Euro, in Sichtweite des Allzeithochs von knapp 2.500 Euro Anfang Juni.

Hintergrund des Jubels ist eine Reform des Programmcodes mit dem kryptischen Namen Segwit2x. Segwit2x soll den Bitcoin fit für die Zukunft machen. Die Digitalwährung basiert auf einer verteilten Datenbank, der sogenannten Blockchain. In dieser sind alle Transaktionen seit Schaffung des Bitcoins 2009 verzeichnet. Weil alle Zahlungen nachvollziehbar sind, gilt die Technik als praktisch fälschungssicher. Überweisungen erfolgen direkt zwischen den Nutzern, Banken sind überflüssig. Geführt wird die Datenbank von den Minern, die sie mit neuen Blöcken erweitern. Das verschlingt eine enorme Rechenleistung, zur Entlohnung erhalten sie Bitcoins.

Das System ist jedoch an seine Kapazitätsgrenzen geraten: Die Blockchain speichert maximal sieben Transaktionen pro Sekunde – viel zu wenig für die vielen neuen Nutzer. Aktuell kann es Stunden dauern, bis eine Überweisung ausgeführt wird, auch die Kosten sind gestiegen. All das unterminiert die Vorteile gegenüber anderen Zahlungsmitteln. Während der Kurs auf Talfahrt ging, schwenkten die Investoren auf andere Digitalwährungen um. Laut Zahlen des Informationsdienstes Autonomous wurden 2017 bislang 1,3 Milliarden Dollar in neu aufgelegte Kryptowährungen investiert, nach 222 Millionen Dollar im Vorjahr.


Streit um Ausrichtung

Der schwelende Streit über die Weiterentwicklung drohte, die Bitcoin-Gemeinschaft zu zerreißen. Zuletzt stand eine Spaltung der Währung („hard fork“ genannt) in zwei Einzelwährungen bevor. Die jetzt akzeptierte Code-Reform muss in den kommenden Tagen umgesetzt werden, sonst könnte es immer noch zu einer Spaltung kommen. Im November soll die Umstellung abgeschlossen sein.

Segwit2x stellt einen Kompromiss dar zwischen dem harten Kern der Bitcoin-Gemeinde, den Programmierern, und den Produzenten, den Minern. Zahlungen werden effizienter gespeichert und die Kapazität eines Blocks (und damit der ganzen Datenbank) steigt von einem auf zwei oder sogar mehr Megabyte. Für ersteres hatten viele Programmierer, für letzteres viele Miner geworben.

Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, was der Bitcoin eigentlich sein soll. Die Anhänger der ersten Stunde träumen von einer globalen Alternativwährung, die unabhängig ist von Staaten und Banken. Andere sehen die Währung eher als Möglichkeit für schnelle Spekulationsgewinne. Zuletzt hat die Bundesbank aufgrund der großen Kursschwankungen erneut vor dem Bitcoin gewarnt.

„Die Kryptowelt befindet sich noch im Zustand des Wilden Westens“, sagt auch Ingo Fiedler, der an der Universität Hamburg zu digitalen Währungen forscht. Die Technik sei häufig noch nicht ausgereift, der Umgang der Nutzer mit ihr fehlerhaft. Fiedler empfiehlt Neuanlegern daher, zunächst nur mit geringen Summen an Digitalgeld zu agieren und dabei zu lernen: „Je mehr Verständnis für die Technologie entwickelt wird, umso eher können auch größere Summen bewegt werden.“

Bitcoin-Enthusiasten wie Darius Karampoor sehen die Währung dagegen schon auf einer höheren Entwicklungsstufe. Er hat seinen ersten Bitcoin noch zu Schulzeiten gekauft – für im Rückblick unschlagbar günstige 100 Euro. Inzwischen investiert er überwiegend in Kryptowährungen – trotz des vorhandenen Risikos. „Die Reform zeigt, dass das System funktioniert. Alle Beteiligten haben an einem Strang gezogen, jede Fraktion hat die eigenen Interessen ein Stück weit zurückgestellt“, sagt der Unternehmer.

Die Bitcoin-Gemeinschaft ist zum Erfolg verdammt. Sie weiß: Scheitert die Erneuerung der Währung, verschwindet das Vertrauen der Anleger. Und mit ihm ein Vermögen im digitalen Nirwana.

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