Engelmanns Eigenhandel

Griechenlands Debakel und Orakel

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Oliver Engelmann, Rentenmarktexperte bei der Citi

Nachdem mit Moody's auch noch die letzte Ratingagentur, die die griechischen Staatsschulden zuvor mit einem Rating im A-Bereich bewertete, ihre Einstufung Mitte Juni auf Ba1 gesenkt hatte, erfüllten die hellenischen Anleihen nicht länger die Voraussetzungen für ein Verbleiben in jenen Indizes, die die Märkte für Staatsanleihen erstklassiger Bonität abbilden. Und das blieb nicht folgenlos. Denn viele Portfolio Manager, in Europa ebenso wie in Amerika und Fernost, die Indizes wie den WGBI als Benchmark nutzen, waren so zum Verkauf ihrer Positionen in griechischen Staatsanleihen gezwungen. Das Konzept, die ihnen anvertrauten Gelder auf einen repräsentativen Querschnitt erstklassig bewerteter Staatsanleihen aus der ganzen Welt zu verteilen und sich zu diesem Zweck an einem entsprechenden Index zu orientieren, ist keines, das Vermögensverwalter und Asset Manager erst dieser Tage erfunden haben. Aber vielen - vor allem in Europa - wurde in der vergangenen Woche erstmals richtig bewusst, welche Auswirkungen die Entscheidungen von Rating Agenturen haben können.

Ohne Notenbank wäre es schlimmer

Seit der Herabstufung Griechenlands am 14. Juni und der zwar erst etwas später bekannt gegebenen, aber nichtsdestotrotz vorhersehbaren Entscheidung vieler Indexanbieter, die griechischen Anleihen aus ihren Produkten zu entfernen, stiegen deren Renditen deutlich an. So rentierten zehnjährige Anleihen aus Athen noch am Abend des 14. Juni bei 8.33 Prozent, nur um wenige Tage später bis auf 10,65 Prozent anzusteigen. Rechnet man diese Werte einmal am Beispiel der  Griechenland-Anleihe mit Laufzeit bis 19.06.2020 (Nominalzins 6,25 Prozent) in greifbare Zahlen um, so hat ein Investor, der nominal 10.000 Euro jener Anleihe vor der Herabstufung durch Moody's bei einer Rendite von 8,33 Prozent zum Kurs von 86.11 erworben und zum nachfolgenden Renditehoch am 29.06. bei 10,65 Prozent beziehungsweise 73.58 im Kurs wieder verkauft hat, 1.253 Euro verloren. Über diesen Verlust trösten auch 25,69 Euro aufgelaufener Stückzinsen nicht hinweg.

Auch die Europäische Zentralbank, die seit geraumer Zeit Staatsanleihen der Euro-Zone aufkauft, konnte mit ihren Maßnahmen diese Entwicklung nicht verhindern. Seit die Rendite zehnjähriger griechischer Anleihen von ihrem Anfang Mai erreichten Hoch bei annähernd zwölf Prozent im Gefolge der Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB) bis auf knapp unter 6.5 Prozent sank, ist sie peu à peu wieder angestiegen. Ist dies nun ein Beweis dafür, dass die Maßnahmen der Notenbank am Markt wirkungslos verpuffen? Ich denke nicht. Griechische Anleihen stünden ohne die Unterstützung der Notenbank vermutlich deutlich schlechter da. Im Übrigen kann und will die EZB sicherlich nicht das gesamte Angebot absorbieren, das auf Grund des Ausscheidens der Hellenen aus den verschiedenen Government Bond Indizes zwischenzeitlich auf den Markt gekommen ist.

Ausdauer gefragt

Wie schon in einer meiner früheren Kolumnen an dieser Stelle erwähnt, bedarf es eines etwas längeren Atems, bis die drastischen Sparmaßnahmen der griechischen Regierung ihre Wirkung entfalten und damit auch das Vertrauen der Anleger in die Anleihen des Landes zurückkehrt. Dass das geschehen wird, steht für mich - als unverbesserlichem Optimisten - außer Zweifel. Und dann werden die griechischen Bonds auch wieder in jene Indizes zurückkehren, aus denen sie in der vergangenen Woche so unsanft entfernt wurden. Spätestens an diesem Tage werde ich meine alte Demis-Roussos-Scheibe wieder hervorkramen und das Lied "Wenn ich wiederkomm" abspielen, dessen letzte Zeilen lauten: "Wenn ich wiederkomm, Freunde, dann kann nichts mehr uns trennen, und die schöne Zeit geht nie wieder vorbei!"

Hinweis: Herr Engelmann ist Mitarbeiter der Citigroup in Deutschland. Der von ihm verfasste Artikel gibt allein seine persönliche Meinung wieder und ist keine Analyse, Beratung oder Empfehlung der Citigroup.

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