Ferienimmobilien Leerstand und Preisrutsch an Spaniens Stränden

Um Zwangsversteigerungen zu verzögern und ihre Bilanzen zu schonen, tricksen Banken bei Krediten. Die Ferienhauspreise dürften weiter fallen.

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Camp de Mar, Mallorca Quelle: CONCEPT HAUSBAU

Für Golfer ist die Lage ein Traum: ein Penthouse mit Blick über die felsige Westküste Mallorcas, auf das türkisfarbene Wasser der Bucht von Camp de Mar. Gutbetuchte verbessern ihr Handicap auf dem nahegelegenen Golfplatz. Die Luxuswohnungen sollen 25 bis 30 Prozent billiger als vor drei Jahren den Besitzer wechseln. 580.000 statt wie zuvor 800.000 Euro kostet jetzt ein 84-Quadratmeter-Apartment. 6900 Euro pro Quadratmeter – das ist immer noch viel mehr, als Käufer selbst in Top-Lagen von Frankfurt oder München hinlegen müssen.

Während die Preise teurerer Objekte noch fallen, tendieren Gebrauchtimmobilien im mittleren Preissegment auf Mallorca wieder ins Plus. In Calvía im Südwesten von Palma etwa stiegen sie 2010 im Durchschnitt um satte 16 Prozent. „Das liegt auch daran, dass es hier bereits in den Vorjahren enorme Einbrüche gab“, sagt Tim Wirth, ein auf Mallorca lebender deutscher Rechtsanwalt. Immer mehr Russen entdeckten die Insel, und auch die Deutschen kämen wieder als Käufer zurück, vor allem der guten wirtschaftlichen Situation in der Heimat wegen.

Zu viele Immobilien

So gesehen ist Mallorca eine Insel der Glückseligen. Insgesamt drückt in Spanien ein gigantisches Immobilien-Überangebot auf den Markt. Laut einer Studie der spanischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Acuña y Asociados stehen 650.000 Neubauwohnungen und Häuser sowie rund 580 000 Gebrauchtimmobilien in Spanien zum Verkauf. Weitere 1,35 Millionen Apartments, zum Großteil unverkauft, sind noch im Bau. Immobilien, die zwangsversteigert werden müssten, sind in diesen Zahlen noch nicht eingerechnet.

Wer die Wohnungen alle kaufen soll, ist unklar. Eine Befragung der Sparkasse Caixa Cataluña ergab, dass in den kommenden Jahren nur 166.000 Wohnungen benötigt werden. Das Interesse von Briten, Deutschen und anderen Ausländern an Ferienimmobilien an der Küste wird auf zusätzlich 15.000 Einheiten geschätzt, an Inländer könnten ungefähr 40.000 Objekte in den kommenden zwei Jahren zusätzlich als Zweitwohnungen verkauft werden. Unter dem Strich bliebe ein Überhang von rund 2,5 Millionen Immobilien.

San Juan de Terreros, Andalusien Quelle: CONCEPT HAUSBAU

„Vor allem der Küstenbereich des spanischen Festlandes erlebt das Platzen der Blase auf besonders dramatische Weise“, sagt Fernando Encinar, verantwortlich für die Marktforschungen beim spanischen Immobilienportal Idealista.com. Im Strandort Altea an der Costa Blanca, der für teure Häuser und Wohnungen bekannt ist, sank der Wert der Immobilien 2010 um knapp zwölf Prozent. In der Region Alicante, zu der Altea gehört, stehen rund 17.100 Immobilien zum Verkauf. Auch die in den vergangenen Jahren vor allem von den Osteuropäern und Russen angesteuerte Costa del Sol erlebte in 2010 erneut einen Preisrückgang. „Hier war die Spekulation in den Jahren 1999 bis 2007 besonders heftig, und die Spanier fallen als Käufergruppe fast komplett weg“, sagt Matthias Meindel von der Concept Hausbau AG in Leipzig, der als Investor und Berater von Immobilienfirmen in Spanien tätig ist. „Der Tiefpunkt der Wohnungsmarkt-Krise ist noch nicht erreicht.“

Sicher: Am stärksten belasten den Immobilienmarkt die Leerstände in den riesigen Neubauvierteln rund um Madrid und Barcelona. Aber auch auf dem Markt für Ferienimmobilien sieht es kaum besser aus. Die Küstenregionen wurden zugepflastert, halb fertige Bauten und leer stehende Immobilien prägen das Bild. Im Immobilienboom von 1999 bis 2005 wurden Wohnungen und Häuser meist komplett kreditfinanziert. Seit die Blase in 2007 platzte, sind viele Hypotheken tief unter Wasser – der Marktwert der beliehenen Immobilie liegt unter der Höhe der Restschuld.

Zehn Prozent Ausfallrate

Banken und Sparkassen tricksen nach Kräften, um die wahren Ausmaße der Immobilienbaisse zu verschleiern: „Crédito Super Standard“ ist für Spaniens Institute zu einem Zauberwort geworden. In der so getauften Bilanzposition verstecken sie derzeit einen Großteil ihrer faulen Hypotheken. Das beschönigende Prädikat erhalten Kredite, deren Tilgung bis auf Weiteres ausgesetzt wurde, die aber noch nicht als faul abgeschrieben wurden. Die Banken geben den Super-Standard-Schuldnern zusätzlich weitere Kredite, aus denen diese die Zinsen für das erste Darlehen zahlen können. „Wir müssen damit rechnen, dass durch die hohe Anzahl der Super-Standard-Kredite die aktuelle Finanzlage schlechter ist, als viele Institute angeben“, sagt Manuel Romero von der Business School IE.

Der spanische Finanzexperte und Buchautor Borja Mateo („Die Wahrheit über den spanischen Immobilienmarkt“) schätzt, dass die Super-Standard-Kredite bei den Banken bereits ein Volumen von rund 120 Milliarden Euro erreicht haben.

Banken und Schuldner gewinnen durch die Verzögerungstaktik erst einmal Zeit. Wie Immobilienbesitzer aber dauerhaft aus der Schuldenfalle herauskommen -sollen, weiß niemand. Angesichts einer in der Rezession steckenden Volkswirtschaft und der hohen Arbeitslosigkeit von 20 Prozent sind die Aussichten trüb. Die Banken geben Häuser mitunter in die Zwangsversteigerung. Dort gibt es aber nur selten Bieter.

Dass die Banken ihre Verluste decken, ist ausgeschlossen. „Fügt man die 105 Milliarden Euro an wirklich faulen Krediten hinzu, kommen wir in Spanien auf ein Finanzloch bei Banken und Sparkassen von 225 Milliarden Euro und bei den Krediten auf eine tatsächliche Ausfallrate von über zehn Prozent statt der offiziellen fünf Prozent“, hat Mateo berechnet.

Bei der spanischen Notenbank, die gleichzeitig oberste Banken-Aufsichtsbehörde des Landes ist, weiß man um das Super-Standard-Problem. Die Notenbank hat Fusionen und Übernahmen erzwungen und dadurch die Zahl der Cajas bereits von 45 auf 17 Sparkassen reduziert. Jetzt aber deckt sie die Praxis der Kreditverschleierung: „Wir würden das Finanz-system komplett destabilisieren, wenn wir diese Kredite auch als Verluste buchen würden. Banken und Sparkassen haben keinen Spielraum mehr, um für alle faulen Kredite die gesetzlich vorgesehenen Rücklagen zu bilden. Viele würden pleitegehen“, sagt ein spanischer Notenbank-Offizieller.

Cala Domingos, Mallorca Quelle: CONCEPT HAUSBAU

Berater Meindel, der gerade einige Bauprojekte an der Costa del Sol betreut, beobachtet aktuell, wie die mangelnde Transparenz der Banken die Zusammenarbeit mit ihnen erschwert. „Die Bilanzen werden frisiert, Pleite-Projekte werden deshalb nicht als solche ausgewiesen. Es wird überall auf Zeit gespielt.“

Wie Mängel des spanischen Banken-systems und die sich beschleunigende -Immobilienkrise auch deutsche Ferienwohnungsbesitzer treffen können, demonstriert ein Projekt mit dem sinnigen Namen „La Siesta“ . In Denià bei Valencia hatten vor allem Deutsche in das Projekt der mittlerweile insolventen Berliner Bau Projekt La Siesta GmbH investiert. Leute wie Rentner Werner Meusch etwa, der 2003 für stolze 250.000 Euro ein Apartment gekauft hat. Seine Wohnung ist zwar -weitgehend fertiggestellt, er kann sie aber, wie die meisten deutschen Käufer, nicht beziehen. Es gibt zum Beispiel weder Strom noch Wasser: „Uns fehlt die Erstbezugserlaubnis. Diese bekommen wir nur, wenn klar ist, wie es mit dem eigentlichen Pleite-Projekt weitergeht. Die Caja de Ahorros del Mediterráneo will jedoch zu einer möglichen Pleite keine Stellung nehmen“, beklagt Meusch.

Die angeschlagene regionale Sparkasse Caja de Ahorros del Mediterráneo (CAM) hatte den Wohnblock mit zwölf Millionen Euro finanziert, bleibt jedoch bis heute den 50 Käufern und dem deutschen Insolvenzverwalter grundlegende Auskünfte schuldig. Unklar ist zum Beispiel, wie viel Geld der pleitegegangene Bauträger der Bank schuldet, welche Wohnungsbesitzer ihre Darlehen inzwischen nicht mehr bedienen können und vor allem wie es generell weitergehen soll mit La Siesta: „Wir würden das Projekt sanieren, aber dafür müssen wir uns einen Überblick über die Finanzlage machen können“, sagt der zuständige Rechtsanwalt Tobias Hohmann. Den wolle ihnen die angeschlagene Bank aber eben nicht gewähren. Eine Übernahme der Immobilie durch die kreditgebende Sparkasse oder eine Zwangsversteigerung würde für die noch zahlungsfähigen Immobilienbesitzer klarere Verhältnisse schaffen. Beides ist aber nicht in Sicht. So geht die Hängepartie für Meusch und -seine Leidensgenossen weiter.

Verkaufen vor dem Sturm

Die offiziellen Daten geben, genauso wie die Bankbilanzen, das wahre Ausmaß der Krise noch nicht wieder. „Zieht man das enorme Volumen der Super-Standard-Kredite in Betracht und damit die wahre Kreditausfallquote, muss man davon ausgehen, dass die Wohnungspreise in 2010 bereits um 30 Prozent gefallen sind und nicht um fünf Prozent, wie das Statistikamt INE angibt“, sagt Experte Mateo. „Und der Wertverfall wird 2011 anhalten, weil noch einige Sparkassen unter ihrer Schuldenlast zusammenbrechen werden.“

Das ahnt wohl auch so mancher ausländische Immobilienbesitzer in Spanien. Werner Steuber von der Deutschen und Schweizerischen Schutzgemeinschaft für Auslandsgrundbesitz berichtet von zahlreichen deutschen Hausbesitzern, die vor dem großen Sturm verkaufen wollen und nicht können – auch deshalb, weil sie noch nicht akzeptieren wollen, dass ihre Häuser stark an Wert verloren haben. „Der tatsächliche Wert der meisten Immobilien an der spanischen Küste liegt eher bei 1500 Euro pro Quadratmeter als bei den 4000 Euro, die viele bezahlt haben und heute noch haben wollen.“ Aber zu diesen Preisen will derzeit niemand kaufen.

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