Finanzkrise Schrumpfkur für den Zertifikatemarkt

Spekulation für jedermann ist nicht mehr. Deutsche Anleger verlieren die Lust an Zertifikaten, Banken streichen Stellen.

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Ex-Goldmann-Aushängeschild Dirk Hess Quelle: LAIF

Die größten Profiteure der fetten Jahre in Frankfurt trifft die Krise hart: die Zertifikate-Banken. 140 Milliarden Euro hatten deutsche Privatanleger bis September 2007 investiert – ein Jahr später sind es weniger als 100 Milliarden Euro. Der Umsatz mit Zertifikaten an der Stuttgarter Börse ist im November im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar um 51 Prozent eingebrochen, auf nur noch 5,8 Milliarden Euro.

Kursverluste, reihenweise ausgeknockte, also wertlose, verfallene Scheine und am Ende noch die Pleite von Lehman-Brothers mit Totalausfall aller Zertifikate verdarben deutschen Anlegern den Spaß an den zum Teil hochkomplexen Papieren.

Bitter für die Banken, die sich stets dafür feierten, dass endlich mal eine Finanzinnovation aus Frankfurt kam – und nicht aus London, wo Privatanleger-Derivate keine Rolle spielen. Hier hatte die Spekulation eine deutsche Heimat, wenn auch in einer Nische.

Doch nun ziehen die Banken die Reißleine und bauen Stellen ab. Bei der Schweizer UBS etwa wechselt der Leiter des deutschen Derivategeschäfts, Markus Bertsch, zum 1. Januar in das Geschäft mit vermögenden Privatkunden – einen Nachfolger wird es nicht geben, bestätigte die Bank der WirtschaftsWoche.

Auch andere frei gewordene Stellen werden nicht mehr besetzt. Drei Derivateexperten wurden von Frankfurt nach Zürich versetzt, aus einst 30 Stellen wurden 20. „Es gibt einfach weniger Geschäft“, heißt es aus dem Umfeld der Bank, „wir sind nicht die Einzigen, die reagieren.“

Wohl wahr. Goldman Sachs hat sich vom Zertifikate-Experten Dirk Hess getrennt. Den Abgang des auf Finanz-Fernsehsendern und bei Anlegermessen stark präsenten Hess werten Banker als Signal dafür, dass die US-Bank das Werben um Zertifikateanleger zurückfährt.

Der Zertifikatemarkt steht vor einer Bereinigung

Insider rechnen mit einer Marktbereinigung: Einige der derzeit 30 Zertifikate-Emittenten dürften sich aus dem Geschäft zurückziehen und die entsprechenden Abteilungen schließen oder ihr Engagement weiter einschränken. Bereits die Nummer zehn, HSBC  Trinkaus & Burkhardt, hat nur 2,4 Prozent Marktanteil. „Einige Anbieter waren vor der Krise so gerade über der Profitabilitätsgrenze und könnten nun darunter fallen“, sagt Stefan Armbruster, Derivatechef der Deutschen Bank.

„Manchem Emittenten könnte es bald nicht mehr wirtschaftlich erscheinen, weiter dabei zu sein“, sagt Rupertus Rothenhäuser, der bei BNP Paribas für Derivate zuständig ist. Wie dünn die Luft geworden ist, zeigt der Blick auf die Nummer acht der Branche, Sal. Oppenheim.

Das Derivategeschäft gilt als das Baby des Gesellschafters Dieter Pfundt. Im ersten Halbjahr 2008 zeigte das Handelsergebnis ein Minus von 58 Millionen Euro, nach einem Plus von 117 Millionen Euro im Vorjahr. „Der Rückgang ist im Wesentlichen auf das durch die Finanzmarktkrise rückläufige Retail-Derivate-Geschäft zurückzuführen“, so die Bank.

Der Global Head of Trading & Derivatives, Siegfried Piel, verließ die Bank im August. Kapitalmarktchef Pfundt investiert noch mal, um das Ruder herumzureißen: Von der Deutschen Bank warb er Frank Langer ab, wie Sal. Oppenheim der WirtschaftsWoche bestätigte. Der leitete bis 2007 dort den Frankfurter Aktienhandel. Als Derivatechef erwartet ihn eine schwierige Aufgabe.

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