Gefährlicher Computerhandel Börsen auf Speed

Es herrscht Aufruhr an der Börse, so sagt man. Doch für die extremen Kursschwankungen sind nicht aufgeregte Händler verantwortlich, sondern kühle Rechner, High-Speed-Computer, die binnen von Millisekunden handeln.

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Börse in Frankfurt: Mit den High-Speed-Rechnern können die Händler nicht mithalten. Quelle: handelsblatt.com

Weit über tausend Punkte hat der wichtigste deutsche Aktienindex seit vergangener Woche verloren. An den anderen Börsenplätzen der Welt sah es nicht anders aus. Heute geht es wieder aufwärts. Sprünge von mehreren hundert Punkten im Dax innerhalb eines Tages sind keine Seltenheit. Viele Großinvestoren rufen zwar zur Besonnenheit auf und verweisen auf die Chancen, die jede Krise den Mutigen bietet. Doch offenbar will und kann sich niemand gegen den Trend stemmen. Wie auch?

Der Aktienhandel wird mittlerweile weniger vom Wissen und Instinkt der Händler und Investoren bestimmt, sondern von ausgeklügelten Computerprogrammen, die über komplexe Algorithmen Handelsschwankungen aufspüren und in Sekundenbruchteilen eine Flut von Orders tätigen. Dabei können sich selbst minimale Kursveränderungen zu beträchtlichen Gewinnen summieren, oder, wenn eine Verkaufsorder weitere Verkaufsorder auslöst, zu größeren Verlusten führen. Ein Drittel der weltweiten Umsätze werden durch dieses sogenannte "High Frequency Trading" erzeugt. In den USA liegt der Anteil bei etwa 70 Prozent, und Europa holt schnell auf.

Zwar dürfte der Absturz – anders als der "Flash Crash" vor einem Jahr an der Wall Street, als der Dow Jones innerhalb weniger Minuten und ohne erkennbaren Grund um fast zehn Prozent zurückfiel – nicht allein durch den Hochfrequenzhandel ausgelöst worden sein. Schließlich gibt es dieses Mal sehr reale Gründe, dass Aktionäre massenhaft Aktien abstoßen: die Schuldenkrise in den USA und Europa und die Furcht vor einem Rückfall in die Rezession. Aber: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der hochautomatisierte, blitzschnelle Handel mit Aktien den jüngsten Kurssturz verstärkt hat.

Die These: Schnäppchenjäger, die bei fallenden Kursen zuschlagen und auf diese Weise die Kurse stabilisieren, gehen in der Menge an Verkaufsorders unter. Dafür spricht, dass diesmal selbst wichtige charttechnisch Marken, an denen in der Vergangenheit eine kurze Verschnaufpause eingelegt wurde, ohne Zögern durchbrochen wurden. Bestes Beispiel ist der Dax, der ansatzlos durch die 6.000-Punkte-Marke krachte. An diesem Punkt gesetzte Stopp-Loss-Orders dürften den Verfallsprozess weiter beschleunigt haben.

Ein anderer Hinweis ist der massive Umsatzanstieg, der sich nach Meinung vieler Trader nicht anders erklären lässt als mit den Automatismen des Hochfrequenzhandels. Zum Vergleich: Im Juli wurden an den Kassamärkten der Deutschen Börse insgesamt 96 Milliarden Euro in Aktien umgesetzt; allein in den ersten Tagen des Augusts waren es bereits 46 Milliarden.

Angesichts dieser Gefahren für die Finanzmärkte verwundert es kaum, dass die Behörden einem solchen "Blitzhandel" mit Skepsis gegenüberstehen. Wie das Handelsblatt exklusiv berichtete, will die EU die üblichen Praktiken und Akteure strikter überwachen. Es zählt jede Millisekunde.

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