Verkehrte (Finanz)welt
Wie erkennt ein Fondsmanager, ob ein Unternehmen die Anforderungen eines Nachhaltigkeitsindex erfüllt – und wann müssen Aktien verkauft werden, wenn die ESG-Informationen nicht den Anlagerichtlinien entsprechen? Quelle: imago images

Nachhaltigkeitsberichte: Darauf sollten Anleger achten

Im Zuge des Green Deal der EU steht vielen Unternehmen eine erweiterte Berichtspflicht ins Haus, die auf Nachhaltigkeit und nichtfinanzielle Kennzahlen abzielt. Wie Privatanleger und institutionelle Investoren diese Informationen nutzen sollten.

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Eine neue EU-Richtlinie zur verantwortlichen Unternehmensführung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD) soll dazu beitragen, dass Chancen und Risiken aus ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales, Governance) künftig transparenter in die unternehmerische Berichterstattung einfließen. Von der Direktive sind, wenn der Vorschlag alle Instanzen passiert, ab dem Jahr 2023 alle großen (auch nicht kapitalmarktorientierten) Firmen betroffen. Zu den Adressaten zählen Aktionäre und Investoren, Kreditgeber aber auch Nichtregierungsorganisationen, Arbeitnehmer und Geschäftspartner. Entscheidend für den Nutzen der neuen Berichterstattungen wird sein, dass die neuen Unternehmensangaben für diese Stakeholder (entscheidungs-)relevant sind. Oder kurz: Wird ein Anleger die Informationen für seine Investitionsentscheidungen berücksichtigen?

Helfen nichtfinanzielle Kennzahlen den Anlegern?

Die CSRD ist eine Überarbeitung der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) aus dem Jahr 2014. Neben der angesprochenen Ausweitung des Anwenderkreises beinhaltet die CSRD vornehmlich folgende Elemente:

  1. Detailliertere Vorgaben der Berichtsinhalte
  2. Einführung einer Prüfungspflicht durch einen externen Prüfer
  3. Aufnahme der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Lagebericht unter Berücksichtigung eines digitalen, maschinenlesbaren Formats

Mit Blick auf die Verlässlichkeit und bessere Vergleichbarkeit der EU-Standards ist dieser Schritt zu begrüßen. Die zentrale Frage dürfte jedoch lauten, inwieweit ESG-Informationen für Anleger so relevant sind, dass sie einen Unterschied bei Investitionsentscheidungen machen. Neben dem Kleinanleger, der etwa für die Altersvorsorge oder zum Vermögensaufbau spart, gilt dies auch für weitere Investorentypen sowie für Fremdkapitalgeber.

Kann eine Bank etwa erkennen, wie grün ein potenzieller Darlehensnehmer ist? Kann eine Kommune auf Basis von ESG-Informationen eine Entscheidung treffen, mit welchem Anbieter sie zusammenarbeiten soll? Wie erkennt ein Fondsmanager, ob ein Unternehmen die Anforderungen eines Nachhaltigkeitsindex erfüllt – und wann müssen Aktien verkauft werden, wenn die ESG-Informationen nicht den Anlagerichtlinien entsprechen?

Dies können Unternehmen tun

Zwar sind (ESG-)aktive Investoren vermeintlich noch die Ausnahme, es gibt aber bereits einige prominente Beispiele. Dazu gehört der „Dear CEO“-Letter von Larry Fink, Chef des weltweit größten Fondsmanagers BlackRock. Darin adressiert Fink klare und anspruchsvolle Erwartungen zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken an CEOs aus aller Welt. Ebenfalls in diese Kategorie fällt die Norges Bank, die mit dem Pensionsfonds Norwegens den größten Staatsfonds der Welt managt. In ihren sogenannten „Expectation Documents“ formuliert das Institut konkrete Erwartungen an (potenzielle) Zielgesellschaften zum Umgang mit einzelnen Nachhaltigkeitsaspekten wie Wassermanagement sowie Menschen- oder Kinderrechte.



Was aber können Unternehmen tun, um (entscheidungs-)relevante ESG-Informationen zu veröffentlichen? Sicherlich wird ESG zunehmend ein integraler Bestandteil der Geschäfts- und Risikostrategie werden. Dadurch ergeben sich neue strategische und operative Ziele sowie Leistungsindikatoren, welche die Zielerreichung messbar machen. Auf dieser Basis sollte, so die folgerichtige Denke, auch eine verbesserte Kapitalmarktkommunikation erfolgen, die wiederum Stakeholder in die Lage versetzt, bessere Entscheidungen zu treffen.

Progressive Unternehmen haben die Bedeutung von Nachhaltigkeit für den langfristigen Unternehmenserfolg bereits erkannt. Sie binden ESG-Faktoren ganzheitlich ein, anstatt den Aufwand zur Umsetzung der neuen Anforderungen auf das Nötigste zu beschränken.

Deshalb sollten sich Anleger mit Nachhaltigkeitsberichten beschäftigen

Für Anleger wird zunehmend (entscheidungs-)relevant, auf welche Weise das Geschäftsmodell angepasst wird, um den nachhaltigen Unternehmenserfolg unter Berücksichtigung von ESG-Risiken und Chancen sicherzustellen. Besonders relevant ist dabei, welche quantitativen Ziele sich ein Unternehmen selbst steckt und wie gut es diese Ziele erreicht.

Wenn beispielsweise ein der Altersvorsorge dienendes Aktienportfolio Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß wie Zementherstellung, Stahlproduktion oder Kohleverstromung beinhaltet, wird ein langfristig orientierter Anleger wissen wollen, ob und auf welche Weise das Unternehmen seine Treibhausgasemissionen verringern wird und welche Annahmen bezüglich der gesetzlichen Rahmenbedingungen (vor allem CO2-Preis) der Unternehmensplanung zugrunde liegen.

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Denn hieraus können sich erhebliche Risiken ergeben: So könnten sich etwa Lieferanten und Abnehmer aufgrund von ESG-Inaktivität von diesem Geschäftspartner abwenden. Noch schlimmer: Mögliche Reputationsschäden oder sogar – bei Nicht-Einhaltung gesetzlicher Auflagen – ein Scheitern des Geschäftsmodells könnten zu einem dauerhaften Wertverlust der Aktie führen. Anleger sollten sich daher bei der Investitionsentscheidung mit Nachhaltigkeitsberichten und der Integration von ESG in die Geschäfts- und Risikostrategien beschäftigen. Diese helfen, die Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen, die Transparenz der Unternehmensführung sowie den Zielkanon der Unternehmen, in die sie investiert sind, nachzuvollziehen. Die neue EU-Richtlinie CSRD möchte zusätzlich dazu beitragen, dass Anlegern und Anlegerinnen für diese Entscheidung bessere Informationen zur Verfügung stehen.

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