Energie Wie Hausbesitzer ihre Energiekosten halbieren können

Eis-Winter und Ölpreisanstieg treiben die Energiekosten drastisch hoch. Doch mit innovativer Technik, Minikraftwerken, Erd- und Sonnenwärme können Hausbesitzer die Kosten mehr als halbieren und dem Preisdiktat der Versorger entgehen.

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Solarstrom: Noch immer Quelle: ZB

Gas? Auf gar keinen Fall! „Da fliegt doch fast jede Woche irgendein Haus in die Luft.“ Irmgard Lachenmeyer schüttelt den grauen Schopf, um ihr Veto zu unterstreichen. Doch auch Heizöl war für Ehemann Edmund keine Alternative zur Strom-Nachtspeicherheizung des 125-Quadratmeter-Hauses im rheinland-pfälzischen Braubach.

Dabei waren die Stromfresser in dem Sechzigerjahrebau „völlig veraltet und unwirtschaftlich“, sagt der frühere Berufsschullehrer: „Der Kram musste raus, neue, effiziente Technik her.“ Doch welche? Denn für Tank, Brenner und Speicher einer Ölheizung fehlte im Keller ebenso der Platz wie für den Brennstoffbunker einer mit Holzpellets befeuerten Heizung.

In der Vergangenheit wäre das für Hausbesitzer wie die Lachenmeyers schnell zum Problem geworden. Da reduzierten sich die Optionen bei der Suche nach der geeigneten Heizung auf Öl oder Gas. Inzwischen aber haben die Heizungshersteller einen massiven Innovationsschub vollzogen, ist das Angebot breiter denn je. Heute steht eine Vielzahl höchst flexibler Techniken bereit, Haus oder Wohnung zu heizen, Warmwasser zu liefern und – zumindest zum Teil – sogar Strom zu produzieren.

Auswahl optimaler Technik ist Wissenschaft für sich

Das Angebot reicht von der Wärmepumpe über Solar- und Erdwärmekollektoren bis zum eigenen Minikraftwerk im Keller, das außer Wärme auch Strom produziert. „Heute ist die Auswahl der optimalen Technik zu einer Wissenschaft für sich geworden“, sagt Dirk Mobers, der oberste Experte für energieeffizientes und solares Bauen bei der EnergieAgentur Nordrhein-Westfalen.

Grafik: Anteil erneuerbarer Energien

Zumal insbesondere die deutlich gesteigerte Effizienz der Energiezentralen fürs Eigenheim lockt: Denn die längst wieder rapide steigenden Energiepreise für Strom, Öl und Gas treiben immer mehr Immobilieneigner dazu, Wege aus der Kostenfalle zu suchen und dem Preisdiktat der Versorger zu entgehen. Das zeigt sich auch im Beratungsbedarf bei den Energiefachleuten. „Es gibt einen ausgeprägten Wunsch nach Autarkie“, weiß Energieberater Mobers.

In einer exklusiven Auswertung für die WirtschaftsWoche haben die Fachleute der EnergieAgentur NRW daher die Spar- und Effizienzpotenziale der neuesten Energietechnik für daheim analysiert.

Fazit der Experten: Wer die Komponenten geschickt kombiniert, kann bei Neubau oder Renovierung seine Energiekosten gegenüber herkömmlichen Systemen mehr als halbieren. Schon die billigste Variante, der Einbau eines effizienteren Brennwertkessels, senkt die Heizkosten um 21 Prozent. Wer kostenlose Sonnen- und Erdwärme nutzt, kann sogar bis zu 54 Prozent sparen. Da wundert es nicht, dass der Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung in den vergangenen drei Jahren von 7,7 auf 9,6 Prozent gestiegen ist.

Ein Trend, der durch den aktuellen Eis-Winter noch verstärkt wird. Denn nach dem Ende dieser Heizperiode landen in Kürze die Energie-Jahresabrechnungen in den Briefkästen. Mietervereinigungen rechnen wegen des strengen Winters mit Aufschlägen von bis zu 30 Prozent. Und Hausbesitzer trifft es nicht minder hart.

Grafik: Verteilung Heizwärme

Für die stellt sich damit die Frage, ob sich – unabhängig von Neubau oder Austausch defekter Technik – Wärme, Duschwasser oder Strom zu Hause nicht kostengünstiger und umweltschonender erzeugen lassen? Denn 80 Prozent ihrer Energieausgaben zahlen private Haushalte für Heizung und Warmwasser, so die Deutsche Energie-Agentur. Der nahende Frühling ist die perfekte Zeit, sich gegen ausufernde Energiekosten zu wappnen. Dabei ist, neben der wirksamen Dämmung des Hauses, der Austausch der betagten Heizung gegen ein effizientes Sparmodell besonders lohnend. Pünktlich zum nächsten Winter steht die Sparvariante dann im Keller.

Wer baut, kommt an neuer Technik ohnehin nicht mehr vorbei. Der Grund: Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) schreibt die Nutzung regenerativer Quellen in neuen Gebäuden vor – egal, ob sie selbst bewohnt oder vermietet werden. Fällt die Wahl auf einen Sonnenkollektor, muss der mindestens 15 Prozent des jährlichen Energiebedarfs decken, eine Biogasanlage gar 30 Prozent.

Eigentümer können der Pflicht nur entgehen, wenn sie ihr Haus besonders stark dämmen, es ans Fernwärmenetz anschließen oder die sogenannte Kraft-Wärme-Koppelung nutzen, indem sie mit einem Blockheizkraftwerk (BHKW) Strom und Wärme zugleich erzeugen. Baden-Württemberg verlangt Öko-Energie auch für Altbausanierungen. Nach dem Kesseltausch müssen Sonne, Erdwärme oder Biomasse mindestens zehn Prozent zur Wärmeerzeugung beisteuern. Für Hersteller und Installateure von Heiztechnik – darunter Branchengrößen wie Buderus, Vaillant und Viessmann, aber auch ungezählte weitere Technikspezialisten – ist das ein Milliardengeschäft. Fast 640 000 Heizungen wurden laut Bundesindustrieverband Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) 2009 in Deutschland installiert. Der Branchenumsatz lag bei rund 11,6 Milliarden Euro.

Ölpreis wird bald wieder Rekordniveau erreichen

Und der nächste Kostenschock, der für einen weiteren Investitionsschub sorgen wird, zeichnet sich bereits ab. Der Chefvolkswirt der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol, befürchtet, dass sich der Ölpreis bald wieder den Rekorden aus dem Sommer 2008 nähert. Damals kostete ein Barrel (159 Liter) fast 150 Dollar – gegenüber rund 80 Dollar derzeit. Damit steigt auch der Gaspreis, der an die Entwicklung beim Öl gekoppelt ist.

Da trifft es sich gut, dass die Finanzierung moderner Heiztechnik derzeit so günstig ist wie selten zuvor. Die Hypothekenzinsen liegen mit durchschnittlich vier Prozent auf einem historischen Tief. Zugleich quellen die Fördertöpfe des Staates über. Erst jüngst hat die Bundesregierung die diesjährigen Mittel für die energetische Gebäudesanierung von 1,1 auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockt.

Was die Entscheidung fürs passende System für Hauseigentümer trotzdem nicht erleichtert: „Den Königsweg gibt es nicht“, betont Mobers. „Jeder Fall muss für sich betrachtet werden.“ Denn die Amortisation schwankt mit vielen Faktoren wie den lokalen Energiepreisen oder Fördermitteln des örtlichen Versorgers, den Bankzinsen oder den Handwerkerkosten, aber auch den Sonnenstunden in der Region. „Ändert sich eine Variable, sieht die Rechnung schnell ganz anders aus“, sagt Experte Mobers. Bei der Berechnung helfen neutrale Energieberater wie etwa von den Verbraucherzentralen.

Die Lachenmeyers aus Braubach haben sich für eine Wärmepumpe entschieden. Die Technik ist der große Gewinner am Heizungsmarkt und wird in fast einem Viertel aller Neubauten installiert. Sie zapft Erdreich, Grundwasser oder Luft als Energiequelle an und entzieht ihnen Wärme. Was bleibt sind die Kosten für den Strom. Dafür decken Wärmepumpen – je nach Bauart – bis zu 80 Prozent des Heizenergiebedarfs gratis aus der Natur. Im Falle der Lachenmeyers ist das ein sattes Wärmeplus, das nun ausreicht, die doppelte Fläche im Haus zu beheizen – bei konstanten Energiekosten von 800 bis 1100 Euro pro Jahr.

Dabei sind Wärmepumpen beileibe nicht die einzige Option, kostenlose Umweltwärme zu nutzen. Die einfachste ist die Montage von Sonnenkollektoren, die Heizung und Warmwasserbereitung unterstützen. Das spart bis zu 30 Prozent Öl oder Gas. Noch deutlich mehr werden es, wenn zusätzlich ein wasserführender, mit Holz oder Pellets befeuerter Kaminofen Wärme an das Heizungssystem abgibt.

Egal, aus welcher Quelle die Wärme stammt: Wer sie an einem Wärmetauscher vorbeiführt, statt sie zum Fenster hinauszulüften, spart nach Expertenberechnungen weitere rund 60 Prozent Heizenergie. In immer mehr neuen oder sanierten Gebäuden entziehen daher Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung der verbrauchten Luft Wärme und übertragen sie auf die angesaugte Frischluft.

Grafik: Entwicklung der Preise für Strom, Gas und Heizöl

Wahre Multitalente sind die Mini-BHKW für den Keller. Ihre Motoren verbrennen Erdgas, Biogas, Rapsöl oder Pellets und liefern über einen Generator elektrische Energie. Mit der Abwärme wird geheizt und Warmwasser erzeugt. Das spart rund ein Drittel Brennstoff. Zudem ist der private Strom mit sechs Cent je Kilowattstunde (kWh) deutlich günstiger als die Haushaltsstromtarife von rund 20 Cent. Zusätzlich bekommen BHKW-Betreiber für selbst genutzten Strom 5,11 Cent pro kWh vom Stromversorger auf der Rechnung gutgeschrieben. Wer überschüssige Energie ins öffentliche Netz eingespeist bekommt dafür zehn Cent je kWh.

Nach Vaillant mit seiner Gerarer Tochter Powerplus Technologies und dem Schweinfurter Hersteller Senertec sind jüngst die Energieversorger Gasag in Berlin und Lichtblick in Hamburg in den Markt eingestiegen. Die Hanseaten wollen bis zu 100 000 Minikraftwerke mit Gasmotoren von Volkswagen aufstellen. Wegen ihrer hohen Leistung sind sie aber nur für große Gebäude interessant.

Mehr Unabhängigkeit vom Strompreis bringen auch Fotovoltaikanlagen. Sie bleiben trotz der vom Bundeskabinett beschlossenen Kürzung der Einspeisevergütung ab Mitte 2010 um weitere 16 Prozent ein lohnendes Geschäft. Laut Bundesverband der Verbraucherzentralen bringen sie weiter Renditen von acht Prozent und mehr – bei Modulpreisen von 2800 Euro je Kilowatt Leistung und 20 Prozent Eigenkapitalanteil an der Finanzierung.

Zahl der Alternativen wird beständig größer

Eine besonders pfiffige Variante bietet demnächst der Düsseldorfer Hersteller Systaic an. Das Energiedach des Unternehmens ersetzt die Dachziegel und liefert Strom und Wärme. Die Düsseldorfer leiten die bisher ungenutzte Heißluft, die an den Modulen entsteht, an eine Wärmepumpe, die Duschwasser erwärmt oder die Wohnung temperiert. Die einen Quadratmeter großen Solarmodule kosten rund 440 Euro. Der Preis für die Wärmepumpe steht noch nicht fest.

Und die Entwicklung schreitet rasch voran, die Zahl der Alternativen wird beständig größer. So bringt etwa Vaillant im April ein bislang einmaliges Kombiheizsystem namens ZeoTherm auf den Markt. Es ergänzt eine Gas-Brennwerttherme, und auf Wunsch einen Sonnenkollektor, um einen neuartigen Speicher. Er enthält ein spezielles keramisches Material, sogenannte Zeolithe. Sie speichern große Mengen Wasser und arbeiten wie ein Turbolader für die Heizung. Sowohl beim Aufladen des Materials mit Wasser als auch beim Trocknen entsteht Wärme, die die Heizung unterstützt. Der Erdgasverbrauch sinke gegenüber neuesten Brennwertgeräten um 20 Prozent, kalkuliert Vaillant-Chefentwickler Rainer Lang.

Unbestrittener Innovationsführer aber ist das kalifornische Unternehmen Bloom Energy. Dessen nagelneuer Generator arbeitet mit Brennstoffzellen, die Strom emissionsfrei, zuverlässig und dazu noch günstig herstellen sollen. Damit, verspricht Bloom-Chef K.R. Sridhar, ein Weltraumwissenschaftler, könne eines Tages jeder Haushalt und jeder Industriebetrieb zum Selbstversorger werden. Das Revolutionäre steckt in einer dünnen Keramikscheibe, die Sridhar ursprünglich entwickelt hatte, um auf dem Mars Sauerstoff produzieren zu können.

Für die Energiegewinnung kehrte er das Prinzip um. Anders als bisherige Brennstoffzellen, in denen teils extrem teure Edelmetalle stecken, besteht Sridhars Zelle aus Silizium. Speziell beschichtet kann sie mit Erdgas oder Biogas betrieben werden. Jede Zelle liefert etwa 25 Watt. „Schon ein etwa 20 Zentimeter hoher Stapel genügt, um einen durchschnittlichen US-Haushalt rund um die Uhr mit Strom zu versorgen“, versicherte Sridhar bei der Präsentation der Technik.

Was wie ein Märchen aus 1001 Nacht klingt, scheint zu funktionieren. Die Testkunden, darunter der Kurierdienst FedEx, Google und die Einzelhandelskette Wal-Mart, zeigen sich beeindruckt. „Die Kisten laufen wunderbar“, begeistert sich Ebay-Chef John Donahoe. Bewähren sie sich bei den Industriekunden, will Sridhar mit Kleinversionen auch den privaten Häusermarkt aufrollen. Zu spät zwar für die Lachenmeyers, aber Autarkie beim Strom wäre dann ganz nah.

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