Milliardenbetrug Madoff-Skandal schädigt deutsche Anleger

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Bei der Depotbank lagern die Wertpapiere in einem gesperrten Depot. Es ist als Sondervermögen Eigentum der Anleger, nicht der Fondsgesellschaft, und soll so vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden. Wirtschaftsprüfer sichten jährlich die Vermögensaufstellung des Fonds und gleichen stichprobenartig Angaben aus dem Jahresbericht mit den Wertpapierorders des Fonds ab. Sie prüfen auch Risikomanagement-Verfahren, Geldwäschebestimmungen und müssen die gesamte Organisation rund um den Fonds beurteilen. Der ausführliche Bericht darüber geht an die Fondsgesellschaft und die Aufsichtsbehörden. Depotbank und Wirtschaftsprüfer werden aus dem Fondsvermögen bezahlt, also letztlich vom Anleger. Doch der bekommt zu wenig für sein Geld.

Der Madoff-Skandal zeigt, wie anfällig das System für Betrug ist. Sorglose Depotbanken. Für den Herald- und den Thema-Fonds sind Töchter der britischen Großbank HSBC in Irland und Luxemburg als Depotbanken zuständig. Sie mussten die Wertpapiertransaktionen verbuchen. In dieser Funktion hätten sie direkt Orders von der als Fondsmanager fungierenden Bank Medici empfangen müssen. Doch die Österreicher haben die Arbeit des Investmentmanagers an Madoff delegiert. "Madoff hat direkt im Namen der Fonds ge- und verkauft. Das Bankhaus Medici hat die Strategie vorgegeben“, sagt Manfred Kastner, Chef der Münchner Gesellschaft Absolute Plus, die der Hauptvertriebspartner für beide Fonds in Deutschland ist.

Die EU-Fondsrichtlinien lassen es grundsätzlich zu, dass Fondsmanager und Depotbanken Aufgaben nach außen vergeben. Im Verkaufsprospekt des Herald-Fonds steht, dass Depotbank und Fondsmanager "bei der Auswahl ein angemessenes Maß an Vorsicht, Sorgfalt und Umsicht walten“ lassen müssen, wenn sie Unterverwahrer ernennen. Die Depotbank müsste sich laufend von der Eignung des Unterverwahrers – im vorliegenden Fall also Madoffs – vergewissern. Das aber ist nicht in ausreichendem Maße geschehen.

Madoff-Brokerhaus hatte in den USA einen guten Ruf

Ein möglicher Grund für fehlende Kontrollen: Das Madoff-Brokerhaus hatte in den USA einen guten Ruf. Bernie Madoff gilt als Vater des elektronischen Aktienhandels über die Nasdaq. Er besaß einen SEC-regulierten Apparat, der ihn berechtigte, für andere Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen. Und auf diesen SEC-registrierten Broker haben sich dann auch wohl die HSBC-Mitarbeiter verlassen. Ein Fehler.

"Madoffs eigener Broker hat vermutlich gefälschte Belege über seine Handelsgeschäfte an die Depotbanken geschickt“, sagt Vertriebsmann Kastner. "Spätestens bei den Jahresberichten der Fonds hätten die Fälschungen den Wirtschaftsprüfern auffallen müssen“, meint er. Die Belege der Wertpapierorders hätten Informationen enthalten müssen, mit wem Madoff gehandelt habe. Hätten HSBC und die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) und Ernst & Young bei diesen angeblichen Handelspartnern mal nachgefragt, hätten sie wohl sehr schnell gemerkt, dass es die angeblichen Deals gar nicht gegeben hat.

Fondsanleger bekommen jetzt die Schattenseite der Deregulierung zu spüren. Die im Wesentlichen von den Banken getragene Fondsbranche hat in Berlin, Luxemburg und Brüssel eine starke Lobby – und die erreichte viel: Neue Fonds wurden schneller genehmigt, Anlagevorschriften gelockert, bürokratische Hürden abgebaut. Die in Luxemburg zugelassenen Fonds von Bernd Greisinger (BG-Fonds) etwa fallen in die neue Kategorie Superfonds, bei denen der Fondsmanager sehr große Freiheiten hat.

Bei solchen Modellen bleibt dann beispielsweise die Risikostreuung auf der Strecke. Anders ist es nicht zu erklären, dass im Mischfonds BG Global Dynamic 38 Prozent des Fondsvolumens von 35 Millionen Euro aus den komplett bei Madoff investierten Fonds Herald und Thema besteht. Eine zweifelhafte Errungenschaft der europäischen Liberalisierung ist die Tatsache, dass Aufseher die Fonds weitgehend ungestört arbeiten lassen. Die für Investmentfonds zuständigen Aufsichtsbehörden in Luxemburg und Irland verschliefen den Madoff-Skandal, die deutsche BaFin ist ohnehin kaum zuständig: Sie hakt bei ausländischen Fonds, die in Deutschland verkauft werden dürfen, nur ab, ob diese ihre Berichte und Prospekte auch vollständig liefern. Wenn Fonds zuvor in einem anderen EU-Land offiziell zugelassen wurden, muss sie denen den Schlagbaum für den offiziellen Vertrieb in Deutschland öffnen.

Gerade Luxemburg und Irland sind Brückenköpfe für den Verkauf von Fonds in Europa. "Die Finanzaufsicht in Deutschland ist historisch viel genauer als in Irland oder Luxemburg“, sagt Thomas Paul, Partner und Rechtsanwalt bei der Frankfurter Kanzlei Hengeler Mueller. Von den in Deutschland verkauften Fonds residieren etwa zwei Drittel offiziell in Luxemburg und unterstehen dessen Aufsicht. Für Luxemburg war die laxe Kontrolle lange ein Standortvorteil, die Fondsbranche zählt dort zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen.

Ein Prinzip galt an allen Finanzplätzen – trotz aller Liberalisierung – als unantastbar: Das Fondsvermögen sollte als Sondervermögen bei der Depotbank vor unberechtigtem Zugriff geschützt sein. Trotzdem können Kriminelle vorsätzlich diesen Status des Sondervermögens bei der Depotbank aushebeln.

So wurden von 1999 bis 2005 bei der österreichischen Gesellschaft Amis die Anlegergelder in Höhe von insgesamt etwa 140 Millionen Euro unter anderem durch überhöhte Provisionsentnahmen geschmälert. Der Großteil des Geldes wurde in zwei Fonds in Luxemburg investiert. Bei der Abwicklung der Fonds konnten lediglich rund 70 Millionen erlöst werden. Der den Anlegern entstandene Schaden wird teilweise durch die damalige Depotbank, die Luxemburgische Sella-Bank, gedeckt. Sie schießt nach einem Vergleich einen zweistelligen Millionenbetrag ein. Den Rest wird wohl überwiegend die Republik Österreich tragen müssen. "Die Sache wird für Anleger glimpflich ausgehen“, sagt Markus Hoffmann, Anwalt in der Kanzlei Nieding-Barth, die gemeinsam mit der Kanzlei Tilp Rechtsanwälte 2500 Geschädigte vertritt. Nach den Amis-Erfahrungen warnt Hoffmann Anleger im Madoff-Fall davor, mit einer schnellen Entschädigung zu rechnen. "Es ist illusorisch, zu glauben, dass etwa die Depotbank HSBC schnell zahlen könnte.“

Möglich ist auch, dass Anleger sich bei ihren Vermögensverwaltern schadlos halten wollen. "Wir haben durch die Madoff-Pleite in einigen Kundendepots mehrere Hunderttausend Euro verloren“, räumt ein Vermögensverwalter aus München ein. "Klagen betroffener Kunden schließe ich nicht aus“, sagt der Mann.

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