Ex-Arbeitsminister Walter Riester "Kein Sparer ist gekniffen"

Der ehemalige Bundesarbeitsminister Walter Riester über die staatlich geförderte Altersvorsorge, die seinen Namen trägt, und seinen anstehenden Wechsel zur Fondsgesellschaft Union Investment.

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Walter Riester (SPD) Quelle: AP

WirtschaftsWoche: Herr Riester, ab Oktober sind Sie Aufsichtsrat bei Union Investment, dem größten Anbieter von Riester-Fondssparplänen. Müssten Sie nicht mehr Abstand zur Branche halten?

Riester: Union Investment hatte mich schon vor eineinhalb Jahren für diesen Posten angefragt. Ich finde interessant, dass die einen Unabhängigen im Aufsichtsrat haben wollen. Solange ich im Bundestag war, wollte ich ein solches Mandat jedoch nicht übernehmen. Nun trete ich den Posten im Oktober an, nach meinem Ausscheiden aus dem Parlament. Für mich war es eine Frage politischer Hygiene, das ganz klar zu trennen.

Sie haben 2008 für Vorträge bei Banken, Versicherungen und Dienstleistern über 100.000 Euro kassiert. Ist das politische Hygiene?

Ja, denn auch dort habe ich klar getrennt. Viele Unternehmen haben ein Interesse an meinem Namen. Für mich kam es jedoch während meiner Zeit im Bundestag nicht infrage, Werbung für kommerzielle Unternehmen oder deren Produkte zu machen. Anders sieht es bei Vorträgen und Schulungen aus, da sich zum Beispiel viele Finanzberater noch nicht ausreichend mit den Details der Riester-Rente auskennen. Da helfe ich gerne. Solche Schulungen dauern bis zu fünf Stunden und sind sehr aufwendig. Ich halte es für wichtig, etwas gegen schlechte Beratung zu unternehmen. Nichtkommerziellen Organisationen wie etwa Volkshochschulen oder Wohlfahrtsverbänden berechne ich übrigens grundsätzlich kein Honorar.

Wie wirkt die Finanzkrise auf die Riester-Rente?

Bei der Einführung konnten wir nicht ahnen, dass es wenige Jahre später zur Finanzkrise kommt. Doch ich habe mir damals sehr genau die Kritik an der kapitalgedeckten Altersvorsorge angeschaut. Ein Kritikpunkt war das zu hohe Risiko. Deshalb haben wir vorgeschrieben, dass bei der Riester-Rente zu Rentenbeginn alle Einzahlungen inklusive Zulagen erhalten bleiben müssen. In der Finanzkrise sichert diese Garantie die Sparer nun ab. Kein einziger Riester-Sparer ist durch die Krise gekniffen. Selbst jene mit Aktien-Produkten haben keine Verluste, solange sie ihren Vertrag nicht kündigen.

Die Garantie greift zum Rentenbeginn. Je nach Produkt müssen Riester-Sparer aber bis ins hohe Alter warten, bis sie auch nur den Gegenwert ihrer eigenen Einzahlungen tatsächlich als Rente ausgezahlt bekommen.

Das stimmt, hat aber nicht direkt mit den Riester-Produkten, sondern mit den Berechnungen der Versicherer zu tun. Die anzunehmende Lebenserwartung wird von der Vereinigung der Versicherungsmathematiker vorgegeben. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob diese Annahmen berechtigt sind.

Sind sie das?

Entscheidend ist für die Versicherer ja nicht die durchschnittliche Lebenserwartung, sondern die restliche Lebenserwartung der Versicherten ab Rentenbeginn. Das ist so weit in Ordnung. Ich habe jedoch Probleme damit, dass die Versicherer für die Kunden der Riester-Rente von einer höheren restlichen Lebenserwartung ausgehen als für den Rest der Bevölkerung. Außerdem kommen dann noch Risikoaufschläge drauf. Ich habe meine Zweifel daran, dass das wirklich begründet ist.

Warum haben Sie den Versicherern keine strengeren Vorgaben gemacht?

Wir haben damals weitgehende Vorschriften gemacht, etwa hinsichtlich der Transparenz. Dafür wurden wir von einigen Medien und den Anbietern heftig kritisiert. Mehr war politisch nicht machbar.

Beim Start 2002 war die Riester-Rente ein Ladenhüter, jetzt ist sie ein Verkaufsschlager. Woher kommt der Wandel?

Das lag an den Provisionen. Ich habe bei der Einführung vorgeschrieben, dass die Anbieter ihre Abschlusskosten über zehn Jahre verteilen müssen. Üblich war damals, diese dem Kunden zu Beginn zu berechnen. Deshalb haben die Berater lieber Kapitallebensversicherungen verkauft, die auch Steuervorteile boten bei höheren Provisionen. Als 2005 die Steuerprivilegien der Lebensversicherungen halbiert wurden und der Gesetzgeber den Anbietern erlaubt hat, die Abschlusskosten bei der Riester-Rente auf nur noch fünf Jahre zu verteilen, verkaufte sie sich plötzlich wunderbar.

Wie weit sollte sich der Staat überhaupt in die private Altersvorsorge einmischen?

Er sollte die Rahmenbedingungen festlegen und allen, die sonst nur wenig sparen könnten, Impulse für eine private Altersvorsorge geben. Besonders wichtig ist das für Geringverdiener sowie für Familien mit vielen Kindern und entsprechend hohen Ausgaben.

Leitet nicht der Staat mit Zulagen und Steuervorteilen Erspartes in die falschen Kanäle?

Nein, denn die Riester-Zulagen sind bei den Menschen am höchsten, die sonst die geringsten Sparmöglichkeiten haben. Bei ihnen geht es weniger darum, wie gespart wird, sondern darum, dass überhaupt gespart wird. Bei Geringverdienern reichen schon 60 Euro im Jahr, um die staatlichen Zulagen zu erhalten. Was außerdem kaum bekannt ist: Die 1,4 Millionen Erwerbstätigen, die zusätzlich zu ihrem Einkommen noch Hartz-IV bekommen, erhalten vom Staat den Mindestbeitrag zur Riester-Rente – wenn sie eine Riester-Rente haben. Die zahlen selbst gar nichts und bilden doch Rücklagen.

Haben Sie selbst eine Riester-Rente?

Da ich als Minister und Bundestagsabgeordneter nicht rentenversicherungspflichtig war, ist das nicht möglich. Mir persönlich macht das nichts, aber der Kreis der Förderberechtigten ist in meinen Augen zu eng. Jeder sollte mit dem Eintritt ins Berufsleben eine geförderte Altersvorsorge abschließen können. Das gilt vor allem auch für die viereinhalb Millionen Selbstständigen in Deutschland.

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