Finanzplatz Gescheite Genossen bei den Volksbanken

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Anlageberatung soll zu mehr Quelle: dpa

So etwa die Volksbank Lauenburg in Schleswig-Holstein, die der Sicherungsfonds mit 58 Millionen Euro über Wasser halten musste, nachdem Bankmitarbeiter Kredite an Betrüger vergeben hatten. Die Mitarbeiter sind inzwischen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden, der Prozess gegen zwei Albaner, die das Geld erschlichen haben sollen, beginnt im März.

Die Hilfe durch Gemeinschaft, die Volksbanken heute in Werbespots feiern, geht auf die Vordenker Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch zurück. Beide gründeten unabhängig voneinander Mitte des 19. Jahrhunderts Selbsthilfevereine für die notleidende Landbevölkerung und verarmte Handwerker. Daraus entstanden „Darlehenskassenvereine“ und „Vorschussvereine“, die Vorläufer der heutigen Volks- und Raiffeisenbanken. Die Banken setzten auf eine breite Basis an Mitgliedern. „Historisch war das Gewinnen neuer Mitglieder immer eines der obersten Vertriebsziele der Genossenschaftsbanken“, sagt Stefan Lamprecht, Bankenexperte bei der Unternehmensberatung Steria Mummert Consulting. Die ursprüngliche genossenschaftliche Idee leuchtet ein: Je mehr Schultern die Last tragen, desto größer die Unterstützung für den Einzelnen.

Bei kleineren Banken werden Mitglieder, ähnlich wie bei Aktiengesellschaften in einer Hauptversammlung, zur Abstimmung über die Geschäftspolitik ihrer Bank gebeten. Ab einer Zahl von 1500 Genossen müssen diese allerdings Vertreter wählen, die sich in den Versammlungen treffen und dort abstimmen. Von direkter Mitbestimmung ist dann keine Rede mehr.

Trotz des harten Wettbewerbs wächst die Mitgliederzahl der Volks- und Raiffeisenbanken. Im vergangenen Jahr zählten die 1254 Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland über 16 Millionen Mitglieder, das waren rund 100.000 mehr als 2006. Zum Vergleich: Die Zahl der Aktionäre in Deutschland liegt nur bei mageren 3,8 Millionen. Jeder fünfte Erwachsene und gut jeder zweite Kunde ist hingegen Mitglied und damit Anteilseigner einer Genossenschaftsbank.

Branchenkenner führen das vor allem auf die regionale Verankerung der Institute zurück. Die direkte Betreuung in den zahlreichen Filialen – auch im ländlichen Raum – bieten sonst nur noch die Sparkassen. Bundesweit gibt es rund 14.000 Filialen von Volks- und Raiffeisenbanken. Deutsche und Dresdner Bank haben jeweils weniger als 800 Filialen.

„Den Faktor der emotionalen Bindung darf man nicht unterschätzen“, sagt Hans-Dieter Krönung, Bankenexperte bei der Unternehmensberatung Eurogroup Consulting in Bad Homburg. Längst nicht alle Bankkunden schauen nur auf günstige Konditionen und rennen jedem Lockangebot hinterher. Wenn die Leistung stimmt, sind viele auch bereit, für den persönlichen Kontakt mit einem Berater etwas mehr zu bezahlen. Zumal, wenn der auch etwas zustande bringt. Das können auch Volksbanker: Das Team der Volksbank Speyer etwa gewann gerade in der konservativen Anlageklasse das bundesweite Vermögensverwalter-Ranking der Agentur Firstfive, (WirtschaftsWoche 7/2008).

Die bodenständige Ausrichtung der Genossenschaftsbanken ist offensichtlich für viele Kunden attraktiv. „Wenn eine Großbank ankündigt, 25 bis 30 Prozent Rendite auf das Eigenkapital zu erwirtschaften, ist auch den Kunden klar, dass das Geld letztendlich von ihnen kommt“, sagt Eurogroup-Berater Krönung. Wenn die Volksbanken im Schnitt 2006 nur die Hälfte schaffen, dann haben Kunden den Eindruck, dass die Gewinne nicht auf ihre Kosten erwirtschaftet werden.

Wer als Genosse ein erhöhtes Risiko als Eigenkapitalgeber sowie lange Kündigungsfristen in Kauf nimmt, sollte trotzdem darauf achten, dass er eine höhere Rendite kassiert als ein normaler Sparer. Die vier Prozent Ausschüttung, die etwa die Volksbank Berlin ihren Genossen im vergangenen Geschäftsjahr geboten hat, bekommen Anleger inzwischen bei vielen Tagesgeldangeboten leichter. Und auch bei Festgeldern sind Zinsen von vier Prozent und mehr keine Seltenheit mehr, sogar im Genossenschaftsektor. So gehören sechs genossenschaftliche PSD-Banken bei den Festgeldzinsen zu den 30 besten Anbietern in Deutschland, die PSD in Kiel etwa zahlt für einjährige Festgeld-Anlagen derzeit 4,4 Prozent. Liegen die Dividenden für Genossen nicht darüber, sollten Anleger gut abwägen, ob sie das erhöhte Risiko für die gepriesenen Solidarität und Mitbestimmung tatsächlich in Kauf nehmen wollen.

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