Privatbanken Reiche Anleger suchen nach Sicherheit

Das Geschäft mit vermögenden Anlegern wird noch konservativer. Von der Finanzkrise verunsicherte Kunden suchen vor allem Sicherheit. Kleinere Traditionshäuser sehen gerade darin Chancen.

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Privatbankier Friedrich von Metzler Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Wer das Bankhaus Metzler in Frankfurt betritt, fühlt sich leicht um 100 Jahre zurückversetzt. In den Bücherregalen stehen neben dicken Bankfolianten auch Goethes gesammelte Werke. An den Wänden hängen Ölgemälde, den Boden bedeckt dicker Teppich. Auf den Tischen liegen Silberbestecke, die Porzellantassen ziert ein geschwungenes „M“. Das gediegene Ambiente soll den Geschmack der wohlhabenden Klienten treffen. „Viele Kunden denken in Generationen“, sagt Metzler-Partner Emmerich Müller. „Sie wollen ihr Vermögen über lange Zeiträume erhalten und gegen die elementaren Risiken absichern.“

So konservativ sich die Traditionsbank nach außen gibt, so traditionell ist ihre Anlagestrategie. „Wir waren in unserer Ausrichtung klar und transparent“, sagt Müller. Soll heißen: Die Bank hat das Geld ihrer Kunden nur in Aktien, Renten oder Bargeld investiert, ihnen keine Zertifikate, Immobilienfondsanteile oder Private-Equity- Beteiligungen ins Depot gedrückt. Derlei Produkte spiegelten „Professionalität vor, aber Anleger brauchen sie nicht wirklich“, kritisiert Müller. „Sie können nicht ständig die Rendite in unrealistische Höhen optimieren.“ Seine Bank stehe auf der Seite des Kunden, weil sie nur an der Beratung verdiene und darum nicht gezwungen sei, ihm ständig neue Produkte zu verkaufen. Gänzlich abkoppeln von den Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten konnten sich freilich auch die Metzler-Kunden nicht: Viele halten hohe Aktienbestände, und haben in den vergangenen Monaten Verluste erlitten.

Deutschlands Reiche sind verunsichert. Die Aktienkurse sind weltweit eingebrochen, Lehman-Zertifikate wurden durch die Pleite der US-Bank über Nacht wertlos. Anleger, die ihr Geld der isländischen Kaupthing-Bank anvertraut hatten, mussten wochenlang einen Totalverlust befürchten. Großbanken, die in der Vermögensverwaltung bislang zu den ersten Adressen gehörten, haben zudem durch Horrormeldungen von Milliardenabschreibungen an Reputation verloren. Auch Landesbanken, die sich ebenfalls im gehobenen Privatkundengeschäft versucht haben, mussten bitter bluten. Die Zeit der Zocker scheint nun vorüber – Stabilität und Seriosität werden zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Der deutsche Markt ist dabei umkämpft wie nie. Mit knapp 830.000 Vermögenden zählt die Bundesrepublik die meisten Wohlhabenden in Europa. Als reich gilt nach Definition des „World Wealth Report“, der maßgebenden Untersuchung, wer über mehr als eine Million US-Dollar verfügt — selbst genutzte Immobilien nicht mitgerechnet. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Reichen in Deutschland trotz der Stärke des Euro im Vergleich zu vielen anderen Ländern allerdings nur unterproportional gewachsen. Mittelfristig rechnen Experten damit, dass die Gruppe um rund fünf Prozent jährlich zunimmt. In diesem Jahr dürfte sie wohl bestenfalls stagnieren: Die Verwerfungen der Finanzkrise schlagen sich auch in den Anlagen der oberen und obersten Einkommensklassen nieder.

Diese Entwicklung geht auch an den Banken nicht spurlos vorbei. Oft werden sie nach dem Volumen des verwalteten Vermögens bezahlt oder verdienen direkt am Verkauf von Wertpapieren. Dennoch bauen viele Banken ihre Aktivitäten aus. Es gibt kaum ein Institut, das nicht behauptet, ein kompetenter Ansprechpartner für die betuchteren Kreise zu sein. Schließlich locken hier höhere Erträge als im gewöhnlichen Filialgeschäft mit Kleinsparern.

Reiches Deutschland

Vor allem Banken aus Österreich und der Schweiz zieht es vermehrt über die Alpen. Sie wollen ihr Geschäft in den kommenden Jahren zweistellig ausbauen. Die Liechtensteiner LGT etwa, die durch den Steuerskandal um den Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel in die Schlagzeilen geraten war, will die Zahl ihrer Kunden und Berater in Deutschland in den kommenden Jahren verdoppeln. „Deutschland ist für uns einer der weltweit wichtigsten Märkte“, sagt auch Andreas Brandt, Vorstandsvorsitzender der Credit Suisse in Deutschland. Die Schweizer Großbank ist hier bereits seit Jahren an 13 Standorten präsent. Die gegenwärtige Krise ändere nichts an den Wachstumsplänen.

Im Gegenteil: „Jetzt zeigt sich, wem die Kunden wirklich vertrauen können“, sagt Brandt. Dabei sieht er auch die Großbanken in einer guten Position. „Nur sie können alle Facetten der modernen Finanzplanung umsetzen – schon allein wegen ihrer Internationalität und ihrer breiten Kompetenz.“ Derzeit verlangten die Kunden vor allem Sicherheit, innovative Produkte spielten allerdings weiter eine wichtige Rolle. Nur wenige Kunden hätten panisch auf den Verfall der Märkte reagiert, die meisten verlangten umfassende Informationen und Aufklärung über die Lage. „Dadurch wird die Qualität der Beratung zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal“, sagt Brandt. Um hier zu punkten, baut die Credit Suisse zum Beispiel zielgruppenspezifische Angebote stärker aus, etwa für Unternehmer.

Privatbank Pictet und Cie.: Quelle: REUTERS

Derzeit durchlaufen die Bankberater einen Härtetest ohne Beispiel: „Der Erklärungsbedarf hat extrem zugenommen“, sagt Ulrich Stephan, Leiter Private Banking bei der Deutschen Bank. „Nach Schema F zu reagieren reicht nicht mehr.“ So sähen einige Kunden trotz der allgemeinen Tristesse durchaus auch Chancen. „Es wäre völlig falsch, die Risiko-struktur nur an der aktuellen Lage festzumachen“, sagt Stephan. Ausschlaggebend seien vielmehr die persönliche Risikobereitschaft und vor allem die Risikofähigkeit.

Mehr denn je sind klassische Beratertugenden gefragt. Das heißt: die Wünsche und Risikopräferenzen des Kunden abfragen und sie anschließend mit seiner Lebenssituation abgleichen. Mathematische Modelle helfen da nicht immer weiter. „Der Kauf eines Hauses etwa ist auch eine emotionale Entscheidung“, sagt Stephan. Eine Bank könne hier nur Angebote machen. Der Banker sieht sich dabei in einer guten Position: Die Deutsche Bank werde als solide Adresse wahrgenommen und könne davon auf Dauer nur profitieren. Ein wichtiges Signal an die Kunden sei der erst vor wenigen Wochen angekündigte Ausbau des Filial- und Beraternetzes in Deutschland.

Auch hart getroffene Großbanken geben sich zuversichtlich: „Langfristig werden weltweit tätige Finanzinstitute wegen ihrer Finanzierungskraft und Internationalität im Wettbewerb bestehen“, sagt Jan-Christian Dreesen, Deutschland-Chef der Schweizer UBS. Mehr denn je müssten sie aber mit ihrer Beratungsqualität überzeugen. Derzeit komme das Marktumfeld eher den kleineren Konkurrenten entgegen. „Die angeschlagene Reputation von Großbanken im In- und Ausland sowie die noch nicht abgeschlossene Konsolidierung in Deutschland haben vermögende Privatkunden verunsichert und zu kleineren Banken hingezogen“, sagt Dreesen.

Gerade die oft regional geprägten Traditionshäuser, die in den vergangenen Jahren häufig im Schatten der Großen agierten, wollen mittelfristig von der Krise profitieren. Zwar haben auch deren Kunden seit Jahresanfang teilweise 20 oder mehr Prozent ihrer Depotwerte eingebüßt. Dennoch stünden, so die Botschaft, die kleineren Institute für Tugenden, die der übrigen Branche in der überhitzten Phase der vergangenen Jahre verloren gegangen seien. „Traditionelle unternehmerische Werte, an denen sich Privatbankiers seit jeher orientieren, rücken wieder stärker ins Bewusstsein“, meint Christopher Baron v. Oppenheim, Leiter der Vermögensverwaltung bei Sal. Oppenheim.

Als Beleg hierfür verweisen die Kleinen auf die unterschiedliche Eigentümerstruktur: Während die Großbanken einer anonymen Aktionärsschar gehörten, die ständig höhere Renditen einfordere und die Banken so in immer riskantere Geschäfte triebe, stünden hinter den Traditionshäusern oft seit Generationen langfristig und vernünftig denkende Unternehmerpersönlichkeiten. „Wir stehen auch mit unserem Privatvermögen in der Verantwortung“, sagt v. Oppenheim. Und während die Großen immer auch den Verkauf von Produkten aus dem hauseigenen Investmentbanking forcieren müssten, könnten sich die Berater der Kleinen voll auf die Interessen ihrer Kunden konzentrieren.

Weniger Risiko: Wie die Reichen ihr Geld anlegen

Ganz so idealistisch, wie die Traditionalisten die Situation derzeit malen, ist sie vielfach nicht. Ob und inwieweit kleinere Institute von der Finanzkrise betroffen sind, lässt sich wegen der geringeren Transparenz oft nur schwer feststellen. Zudem haben viele Traditionshäuser ihre Eigenständigkeit schon vor Jahren eingebüßt. Bei den Kunden kommen die Versprechungen aber trotzdem an. „Wir haben neues Geld bekommen, auch wenn das aufgrund der Marktsituation natürlich oft erst einmal geparkt wird“, sagt Andreas Brodtmann, Partner bei der unabhängigen Hamburger Berenberg Bank.

Um die von der Krise aufgeschreckten Kunden zu beruhigen, haben die Berenberg-Berater in den vergangenen Wochen alle Szenarien analysiert — bis hin zu weiteren Verschlechterungen oder dem Kollaps einiger Staaten. Selbst bei kritischer Betrachtung, so Brodtmann, „ist eine Investition in ein solides Unternehmen nicht die schlechteste Entscheidung“. Der Aktienmarkt sei auch deshalb abgestürzt, weil er als einziger ununterbrochen liquide war. „Mittelfristig rechnen wir mit einer Erholung“, sagt Brodtmann. „Einige Unternehmen sind deutlich unterbewertet.“

Mehr Millionäre: Zahl der Personen mit einem Vermögen von mehr als einer Million US-Dollar

Ob und wann der Boden tatsächlich erreicht ist, wagt derzeit allerdings niemand zu sagen. „Jetzt ist sicher kein guter Zeitpunkt, um Aktien noch zu verkaufen“, sagt Oliver Hansen, Direktor beim Hamburger Bankhaus Wölbern. Die kleine Bank hat keine modernen Finanzprodukte im Angebot und kassiert keine Verkaufsprovisionen, sondern nur pauschale Entgelte für die Beratung ihrer Kunden. „So wissen sie jedenfalls, was sie im Depot haben, und haben eine eigene Meinung zu ihren Anlagen“, sagt Hansen. Das Angebot des Instituts richtet sich an Kunden, die ein Vermögen von mindestens 500.000 Euro ihr Eigen nennen. Die Bank versucht aber auch, mit neuen Dienstleistungen Kunden zu gewinnen. So können sich weniger Begüterte für einen Stundensatz von 200 Euro beraten lassen und die Empfehlungen dann mithilfe einer Direktbank umsetzen.

Wenn der Drang nach Sicherheit alles dominiert, werden andere Optionen leicht in den Hintergrund gedrängt. „Dabei haben themenorientierte Anlagestrategien auf Dauer großes Potenzial“, sagt Frank Niehage, Deutschland-Chef der Schweizer Privatbank Sarasin. Die sieht er etwa bei Investments auf ethischer Grundlage. Sarasin beschäftigt hierfür ein eigenes Expertenteam. Das Institut, das im vergangenen Januar die deutsche Vollbanklizenz bekam, ist auf Wachstumskurs und will bald einen dritten Standort eröffnen. „Der Markt ist sehr fragmentiert, aber es gibt noch immer attraktive Nischen“, sagt Niehage. Für Deutschland strebt er langfristig einen Marktanteil von einem Prozent an. Von hier aus will er außerdem nach Skandinavien und in die Niederlande expandieren.

Ohne qualifizierte Berater ist das kaum zu schaffen. Das Geschäft ist persönlich geprägt. Um die Besten tobt in der Branche deshalb seit Jahren ein erbitterter Wettbewerb. Oft werden gleich ganze Teams abgeworben. Dadurch haben die Gehälter nach Meinung vieler Branchenvertreter ein Niveau erreicht, dass kaum wieder hereingeholt werden kann. Und die Hoffnung, dass mit dem Berater auch die Kunden das Lager wechseln, geht längst nicht immer auf. Trotzdem hat die Finanzkrise den Kampf um die Branchenbesten kaum gebremst. Zwar müssen die Banken sparen und bauen weltweit Tausende von Arbeitsplätzen ab. Doch Stellen mit direktem Kundenkontakt sind hiervon zumindest in Deutschland bislang kaum betroffen.

Kein Wunder, denn gerade die reichen Kunden wissen heute mehr als früher und haben deshalb höhere Ansprüche. „Die Berater sind als erfahrene und unabhängige Sparringpartner gefragt“, sagt Andreas Müller, Leiter Private Banking der Schweizer Privatbank Pictet. Dabei sieht er Generalisten klar im Vorteil, die auch komplexe Sachverhalte wie etwa die Unternehmensnachfolge in ihrer Gesamtheit erfassen.

In den vergangenen Wochen hat Müller starke Wanderungsbewegungen auf dem deutschen Markt registriert. „Gerade Kunden mit wirklich großen Vermögen sind mit ihrer bisherigen Betreuung unzufrieden“, meint Müller. Auch sie sind die Zielgruppe von Pictet. Die Bank, die kein eigenes Investmentbanking besitzt, verspricht ihrer Wunschklientel dadurch objektive Beratung bei gleichzeitiger Internationalität und Zugriff auf eine breite Servicepalette. Dafür stehe auch das Anreizsystem. Der Verdienst ihrer Angestellten richtet sich allein nach dem langfristig betreuten Vermögen und nicht nach dem Verkauf einzelner Produkte. „Wir sind auch deshalb sehr daran interessiert, dass unsere Kunden möglichst kein Geld verlieren“, sagt Müller.

Immer verhindern kann er das wie alle anderen derzeit allerdings auch kaum.

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