Rente Richter warnen vor verfassungsrechtlichen Problemen

Die gesetzliche Rentenversicherung beschäftigt das Bundesverfassungsgericht: Immer mehr junge Menschen werden aus der Rentenversicherung weniger heraus bekommen, als sie eingezahlt haben. Die „Minus-Rendite“ könnte zu einem verfassungsrechtlichen Problemen werden.

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Senioren: Werden Eltern zum Pflegefall, müssen die Kinder Unterhalt zahlen, dpa

Das Verhältnis zwischen Beiträgen und Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung wird sich nach Ansicht führender Rentenexperten negativ entwickeln. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sieht daher in Zukunft verfassungsrechtliche Probleme. Der Verfassungsrichter warnte im Gespräch mit der Zeitung „Die Welt“ vor einer „Minus-Rendite“ der Beitragszahlungen: „Rentenbeiträge kommen in eine verfassungsrechtliche Problemzone, wenn das eingezahlte Kapital regelhaft bei weitem das übersteigt, was der Einzelne später an Leistungen erhält“, erklärte Papier. Wenn dauerhaft eine „Minus-Rendite“ zu erwarten sei, stelle sich die Frage, ob der mit Beitragserhebung verbundene Grundrechtseingriff noch zu rechtfertigen sei. Papiers Ansicht nach verbietet die Verfassung eine offenkundige Unverhältnismäßigkeit zwischen Beitrags- und Versicherungsleistungen. Auch Rentenexperten erwarten dem Bericht zufolge eine solche negative Entwicklung: „Immer mehr junge Menschen werden aus der Rentenversicherung weniger heraus bekommen, als sie eingezahlt haben“, zitiert das Blatt den Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen. Ähnlich äußerte sich Rentenexperte Meinhard Miegel: „Die langfristigen Prognosen der Rentenversicherer von mindestens drei Prozent Rendite beruhen auf haltlosen Annahmen, die geeignet sind, die Bevölkerung weiter in die Irre zu führen.“ Miegel zufolge sinken die Renditen der Rentenversicherung dramatisch. Er sagte der Zeitung: "Während der Jahrgang 1930 noch eine Rendite von etwa drei Prozent erzielt, wird die Rendite des Geburtsjahrgangs 1950 nur noch ein Prozent betragen. Männer des Jahrgangs 1970 und jüngere können überhaupt keine positive Rendite mehr erwarten. "Wer nach 1970 geboren wurde, wird laut Miegel" voraussichtlich weniger heraus bekommen als er eingezahlt hat - er wird also eine negative Rendite haben." Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten hat indes angekündigt, per Verfassungsänderung die Interessen jüngerer Generationen im Grundgesetz stärker zu berücksichtigen. Das Ziel sei, die Bedürfnisse heutiger Generationen mit den Lebenschancen künftiger Generationen zu verknüpfen, erklärten junge Abgeordnete von CDU, FDP, Grünen und SPD.

Der Gesetzentwurf sieht vor, den Satz „Der Staat hat in seinem Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit zu beachten und die Interessen künftiger Generationen zu schützen“ als Artikel 20b neu ins Grundgesetz aufzunehmen. Artikel 109 soll im zweiten Absatz - in dem es bislang heißt „Bund und Länder haben bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen“ - um den Zusatz „...,dem Prinzip der Nachhaltigkeit sowie den Interessen der künftigen Generationen Rechnung zu tragen“ ergänzt werden. Der Antrag solle nach der Sommerpause in den Fraktionen vorgelegt werden. Im September werde zudem mit dem Sammeln von Unterschriften begonnen, erklärte die Initiative, die bislang von 36 Abgeordneten getragen wird. Für eine Grundgesetzänderung ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die Grünen-Abgeordnete Anna Lührmann sagte, es gelte, „den unfairen Mechanismus zu ändern, dass Politik Probleme immer verschiebt und nicht anpackt“. Konkret werden von der Initiative unter anderem die Themen Haushalt, Gesundheit, soziale Sicherungssysteme, Umwelt, Klima und Energie genannt. Der CDU-Abgeordnete Jens Spahn kritisierte, immer mehr Bundesvermögen werde zum Stopfen von Haushaltslöchern veräußert. Der SPD-Abgeordnete Peter Friedrich sagte, es gehe „um mehr als nur um Zahlungsströme“. Für nachfolgende Generationen sei beispielsweise der Zustand der Infrastruktur in Deutschland von höchstem Interesse. Kritik an der Initiative kam vom Sozialverband VdK. Dessen Präsident Walter Hirrlinger sagte, „ich habe Verständnis für diesen Vorstoß, aber das Problem der Jüngeren ist damit nicht gelöst“. Zur Generationengerechtigkeit bei der Rente könne nur ein zweites Standbein über eine obligatorische betriebliche Altersvorsorge beitragen.

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