China/Russland Russland zwischen Ost und West

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Der ChinRegierungschefs Wen Quelle: dpa

Die Russen sind hin- und hergerissen zwischen Ost und West: Einerseits kurbelt das Putin-Setschin-Lager die Geschäfte mit China an, andererseits forciert Präsident Dmitri Medwedew bessere Beziehungen zum Westen. Derzeit lässt der Präsident eine neue außenpolitische Doktrin ausarbeiten. Er will die Partnerschaft mit Europa und den USA – und China einen Korb geben. Diese Woche soll die große russische Charmeoffensive Richtung Westen beim EU-Russland-Gipfel in Rostow am Don starten.

Die Russen stehen wie so oft in ihrer Geschichte vor der Identitätsfrage: Wollen sie Teil des Westens sein oder lieber an der Seite Chinas Weltpolitik betreiben? Kann ihr Land erfolgreich, zwischen den Stühlen sitzend, lavieren? Bislang tut sich Moskau mit beiden Möglichkeiten schwer: Die Europäer kritisieren Russlands Demokratiedefizite, Investoren halten sich zurück, die viel beschworene Modernisierungspartnerschaft mit der EU ist viel heiße Luft. Indes steigt das Milliardenreich China schleichend zu Russlands wichtigstem Handelspartner auf, ist aber wegen seines Selbstbewusstseins und seiner schieren Größe dem Kreml nicht geheuer.

Gemeinschaftsunternehmen geplant

Für China ist es einfacher: Bis 2020 will das Land mindestens zwölf Milliarden Dollar in Russland investieren. Peking plant viele Gemeinschaftsunternehmen, will russisches Öl verarbeiten und schielt auf russische Gasvorkommen, die bislang für europäische Kunden reserviert waren. Und der Warenaustausch wächst nach dem Einbruch im Krisenjahr 2009 schon wieder gigantisch: „Der Handel wächst in normalen Jahren um mehr als ein Drittel. Und das ist erst der Anfang“, sagt Sergej Sanakojew vom Russisch-Chinesischen Wirtschaftsverband in Moskau. Die Volksrepublik könnte bald Deutschland als wichtigsten Handelspartner Russlands überholen.

Am Grenzfluss Amur sind die privaten und kleingewerblichen Profiteure des Booms zu finden, etwas weiter südlich in China die Großen des Russland-Geschäfts. Sun Weijie residiert in einem schlichten Büro in der Altstadt von Harbin. Die Provinzhauptstadt des chinesischen Nordostens ist architektonisch von ihrer russischen Vergangenheit geprägt, Suns Büro nur einen Steinwurf von der orthodoxen Kirche entfernt. „Wir profitieren von der Annäherung zwischen China und Russland“, sagt der Unternehmer, dessen Handelshaus Busse, Lastwagen, Werkzeug- und Baumaschinen nach Russland verkauft. Für dieses Jahr erwartet er einen Umsatz von fast 30 Millionen Dollar, dreimal so viel wie vor fünf Jahren. Russische Kunden stehen geradezu Schlange für seine Busse. Sie sind 60 Prozent billiger als die der westeuropäischen Konkurrenz und qualitativ besser als russische Modelle.

China liefert inzwischen alles, was Russland nicht hat. Das ist viel, denn außer Rohstoffen und Waffen haben russische Unternehmen auch ihren Landsleuten wenig anzubieten. „Die Russen haben ihre Wirtschaft nie richtig entwickelt“, sagt Ji Zhiye, Experte für chinesisch-russische Beziehungen am China Institute of Contemporary International Relations (CICIR) in Peking. Neben Bussen, Autos und Maschinen werden vor allem chinesische Fernseher, DVD-Spiele, Handys, Kameras, Spielzeug, Textilien, Schuhe und Kosmetika nach Russland exportiert.

Die Chinesen verkaufen nicht nur, sie investieren auch. Der chinesische Autohersteller Chery will in Kaliningrad eine Fabrik bauen. In Sankt Petersburg zieht der Immobilienriese Jinmao aus Shanghai Apartment- und Bürokomplexe hoch. Netzausrüster Huawei aus Shenzhen beliefert fast alle russischen Telekomanbieter und leistet sich in Russland ein Entwicklungszentrum.

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