Rohstoffe Kasachstan bald zweitgrößte deutsche Ölquelle

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Ölfäser im Hamburger Hafen: Quelle: dpa

Hauptabnehmer werden aber die Staaten im Westen bleiben, denen über 100 Millionen Tonnen zufließen sollen. Doch ganz so einfach ist das nicht. Um Erdöl nach Europa exportieren zu können, muss Kasachstan den russischen Pipeline-Monopolisten Transneft zwischenschalten, dessen Durchleitungsgebühren die Exporterlöse schmälern. Wirtschaftlich sinnvoller wäre es, das Öl an russische Rohstoffriesen zu verkaufen. Die wollen neuerdings Marktpreise für zentralasiatische Rohstoffe zahlen – ein raffinierter Schachzug des Kreml, schließlich wird damit jede Russland-Umgehungsstraße für Rohstoffe wirtschaftlich infrage gestellt.

Doch der Westen bleibt dabei: Alternative Transportrouten müssen her – und zwar solche, die an Russland vorbeiführen. Fürs Erste will Kasachstan bald täglich eine halbe Million Barrel übers Kaspische Meer fahren lassen. Von Baku in Aserbaidschan kann das Öl über die Baku-Tiflis-Pipeline nach Europa gepumpt werden. „Ein paar Jahre können wir unser Erdöl per Tanker verschiffen“, sagt Vize-Energieminister Ljassat Kiinow, „aber dann müssen neue Alternativen her.“ Er denkt an eine Pipeline, die unter dem Meer hindurchführt. Oder an eine im Süden, die in einem iranischen Hafen mündet. Vom Öltransport über Russland spricht er nicht.

Die kasachischen Politiker, die stets den „multivektoralen“ Charakter ihrer Außenpolitik betonen, sind gespalten zwischen Europa und Russland. Moskau wird es nicht einfach hinnehmen, wenn die Kasachen mit ihrer Pipeline durchs Kaspische Meer Ernst machen. Da für den Bau der Röhre durch das Binnenmeer die Zustimmung aller Anrainer erforderlich ist, kann der Kreml das Projekt blockieren. Der Westen dagegen würde jede Umgehung Russlands unterstützen. Die US-Regierung soll Nasarbajew sogar vorgeschlagen haben, zur Umgehung dieser Probleme eine Leitung nach Afghanistan zu verlegen.

Im Umgang mit ausländischen Investoren wird der kasachische Staat zunehmend rüpelhafter

Anders als in Russland sind deutsche Energiekonzerne nicht direkt an der Förderung von Kasachstans Rohstoffvorkommen beteiligt. Das sei vielleicht besser so, sagen kritische Beobachter. Denn im Umgang mit ausländischen Investoren wird der kasachische Staat zunehmend rüpelhafter. Anfang des Jahres hat Nasarbajew die ausländischen Partner im Kaschagan-Konsortium gezwungen, Teile ihrer Anteile weit unter Marktpreis an den Staat zu verkaufen.

Jetzt hat nicht mehr die italienische Eni, sondern der kasachische Staatskonzern Kasmunigas in der Betreibergesellschaft das Sagen. Im Übrigen wurden die Investoren zu Schadensersatzzahlungen zwischen 2,5 und 4,5 Milliarden Dollar verdonnert, weil sich der Förderbeginn um fünf Jahre verzögert. Doch die Ölgeschäfte in der Steppe sind für ausländische Konzerne dermaßen lukrativ, dass Eni-Chef Paolo Scaroni die „Vereinbarung“ allen Ernstes als „fair“ bezeichnete.

Die Geschäfte deutscher Unternehmen laufen derweil von solchen Fragen unberührt und gut. Zwar rangiert Kasachstan auf der Liste der korruptesten Länder, die die Organisation „Transparency International“ jährlich aufstellt, weit hinter Russland auf Platz 150 und gleichauf mit Ländern wie Simbabwe, Belarus, Kongo und Sierra Leone. Doch deutsche Unternehmen, die sich in Großprojekten engagieren, geraten selten mit dem Klüngel in Konflikt.

ThyssenKrupp baut gerade für mehr als 100 Millionen Euro ein Silizium-Werk, rüstet Bergwerke, Chemiebetriebe und Zementfabriken aus, liefert massenweise Stahl und installiert Aufzüge. Auch die Robert Bosch-Gruppe in Kasachstan verzeichnet ein „Wachstum in allen Sparten“, meldet der dortige Geschäftsführer Wolfram Klinger. Die Stuttgarter installieren in der Stadt Almaty die Videoüberwachung, verkaufen Bohrmaschinen, Kühlschränke, Heizungen und rüsten frisch gegründete Industriebetriebe quer durch die Branchen aus.

Trotz aller demokratischen Defizite hat auch die deutsche Außenpolitik mit dem Land kein Problem. Mit Unterstützung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier darf Kasachstan 2010 den OSZE-Vorsitz übernehmen. Auch den bald bevorstehenden WTO-Beitritt will Berlin nicht torpedieren. Erst vor wenigen Monaten war Wirtschaftsminister Michael Glos auf Rundreise im Steppenstaat, um die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen. Im September plant Bundespräsident Horst Köhler eine Reise nach Astana. Dabei kann er dann auch das Klein-Dubai seines Amtskollegen Nursultan Nasarbajew bestaunen – wenn ihm der Wind nicht zu viel Sand in die Augen weht...

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