In der Ost-Ukraine sind Soldaten der Regierungseinheiten Medien zufolge mit mindestens zehn gepanzerten Fahrzeugen zu den prorussischen Separatisten übergelaufen. Ein Video des Portals espreso.tv zeigte am Mittwoch, wie die Truppen mit russischen Flaggen durch die Großstadt Kramatorsk rund 80 Kilometer nördlich von Donezk fuhren. Das russische Staatsfernsehen berichtete von ähnlichen Szenen im nahen Slawjansk. Die Einheiten waren eigentlich zu einem „Anti-Terror-Einsatz“ gegen die nach Moskau orientierten Aktivisten in der Gegend befohlen, liefen dann aber über. In Donezk nahmen Maskierte indes gewaltlos den Stadtrat ein.
Russland hat nach dem Beginn der Offensive vor einer gefährlichen Zuspitzung der Krise gewarnt. Die scharfe Eskalation des Konflikts habe das Land an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht, sagte Präsident Wladimir Putin nach Angaben der Regierung in Moskau am Dienstagabend in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Das Vorgehen ukrainischer Sicherheitskräfte gegen bewaffnete prorussische Uniformierte in der Ostukraine bezeichnete Putin demnach als „verfassungswidrigen Kurs zur gewaltsamen Unterdrückung von Bevölkerungsprotesten“.
Auch in einem Gespräch mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte der Kremlchef den zuvor gestarteten Einsatz ukrainischer Truppen. Moskau warnte vor einem Scheitern der für Donnerstag geplanten Krisengespräche in Genf.
Der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow hatte den Beginn des sogenannten „Anti-Terror-Einsatzes“ am Dienstag im Parlament in Kiew verkündet. Ziel des Vorrückens sei der „Schutz der Bürger vor Terroristen, die das Land zerreißen wollen“. Russland hatte vor solch einem Schritt gewarnt. Die USA verteidigten das Vorgehen der Kiewer Regierung.
In mehreren Orten der Ost-Ukraine halten moskautreue Separatisten seit Tagen Verwaltungsgebäude besetzt. Sie fordern einen föderalen Staat mit weitgehenden Autonomierechten für das russisch geprägte Gebiet.
China zeigte sich über die Eskalation besorgt und rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Vizeaußenminister Li Baodong sprach am Mittwoch von einer „unglücklichen Entwicklung“. China setze sich für einen internationalen Kooperationsmechanismus ein, sagte Li Baodong mit Blick auf den Genfer Krisengipfel. Er sprach am Mittwoch in Peking mit dem Vorsitzenden der Unionsfraktion, Volker Kauder.
Aus dem Bundespresseamt hieß es zu dem Gespräch zwischen Putin und Merkel, die Situation in der Ukraine sei ausführlich erörtert worden. Bei aller unterschiedlichen Bewertung der Ereignisse habe die Vorbereitung des Treffens in Genf im Mittelpunkt gestanden. Dort wollen die Außenminister Russlands, der USA und der Ukraine zusammen mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton über Möglichkeiten einer diplomatischen Lösung der Krise beraten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier appellierte an die Teilnehmer, das Treffen zu nutzen. „Ein Scheitern ist nicht erlaubt“, sagte er der „Rheinischen Post“.