20 Jahre Mauerfall Mitten am Rand der innerdeutschen Grenze

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Karte von Nordhessen und Thüringen (zur Großansicht bitte auf die Grafik klicken)

Bedingungen, die auch die Erfolgsgeschichte des Traditionsunternehmens Carl Warrlich nach dem Fall der Mauer begünstigten: 1904 in Treffurt als Hobel- und Sägewerk gegründet, spezialisierte sich das Unternehmen in den Fünfzigerjahren auf die Produktion von Kohleanzündern. 1972 wurde der Betrieb enteignet und in das „VEB-Flammat-Werk“ überführt. Und gehörte nach der Wende zu den ersten Betrieben, die von der Treuhand reprivatisiert wurden.

„Gut, dass wir nicht wussten, was auf uns zukam“, sagt die Geschäftsführerin und Enkelin des Firmengründers Margarethe Häßler, die in Treffurt aufgewachsen ist. Mit ihrem Bruder Karl-Heinz Warrlich steuerte sie das Unternehmen durch die Turbulenzen der Nach-Wendezeit. Die Investitionszulagen haben dabei geholfen. Heute werden Produkte der Marke Flammat, flüssige und feste Anzünder, bis nach Neuseeland vertrieben. Zwischen 1991 und 2008 stieg der Umsatz von 14 Millionen D-Mark auf 28 Millionen Euro. Die gut 50 Mitarbeiter kommen aus der Region, auch aus Hessen. „Wir produzieren in Treffurt“, sagt Margarethe Häßler, „weil wir hier wohnen und arbeiten wollen.“

Nach „Drüben“

Zumindest hier arbeiten, östlich der einstigen Grenze, das konnte sich auch Günter Grein vorstellen. Er verlegte den Sitz seines Familienunternehmens vom heimischen Wanfried in Nordhessen nach „drüben“, in die thüringische Nachbarschaft nach Großburschla. Seit neun Jahren lässt Grein hier T-Shirts besticken, Werbeplakate drucken, per Laser Jeansstoffe, Leder oder Holz mit Schriften und Bildern verzieren. Nicht nur aus Platzgründen zog Grein im Jahr 2000 mit seinem Firmensitz von Nordhessen nach Thüringen. 36 Festangestellte und 25 Minijobber arbeiten bei Grein, überwiegend Thüringer.

Der Unternehmer profitiert vom niedrigeren Tarifniveau Ost, obwohl er Dachschäden in Wanfried aus Lokalpatriotismus lieber von Wanfrieder Dachdeckern reparieren lässt. Mehr als eine Million Euro hat Grein in den vergangenen drei Jahren in Maschinen und Gebäude investiert, „ohne die Subventionen hätten wir das nicht in diesem Ausmaß gemacht“, sagt Juniorchef Georg Grein.

Von der Geschichte gezeichnet

Großburschla, einst eines der reichsten Handelsdörfer im mittleren Werratal, ist immer noch gezeichnet von seiner jüngeren Geschichte: Das Dorf in der Mitte Deutschlands, heute ein Stadtteil von Treffurt, war zu Zeiten des Kalten Krieges wegen des verschlungenen Grenzverlaufs von Grenzen eingeschlossen, dem Verfall preisgegeben im 500-Meter-Schutzstreifen des DDR-Sperrgebiets. Heute verrotten zwischen dreigeschossigen barocken Fachwerkhäusern Gebäude, weil die Eigentumsansprüche auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer nicht geklärt sind oder die Neueigentümer sich nicht genügend kümmern.

Für Bernd Range kam ein Umzug von Wanfried nach Thüringen nie infrage.Der Geschäftsführer von Pfau, einem Hersteller medizinischer Instrumente, hat 1995 mit neun Kollegen den Betrieb in Wanfried übernommen, als sein Arbeitgeber, das Unternehmen Aesculap, im Zuge der Osterweiterung nach Polen zog. 1,4 Millionen Euro, inklusive Investitionszuschüssen, hat Pfau zuletzt in den Ausbau des Betriebs gesteckt und damit acht neue Arbeitsplätze geschaffen. Die meisten der 38 Mitarbeiter haben in Wanfried und Umgebung ein Häuschen. Der kurze Weg zur Arbeit, die relativ niedrigen Lebenshaltungskosten, die schöne Landschaft des Werratals tragen zur Zufriedenheit der Mitarbeiter bei.

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