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Will Deutschland das Virus etwa zu Tode quatschen?

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Seit über einem Jahr wütet die Pandemie. Doch die Politik ist sich nicht einig, nach welchen Regeln sie handeln soll. Dabei gäbe es konstruktive Vorschläge.

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Wenn es so weitergeht, muss sich auch Armin Laschet bald entschuldigen. Vor Ostern gab er den großen Freiheitskämpfer. Scheinbar unerschrocken stellte er sich der Bundeskanzlerin entgegen. Er wollte das Volk aus der Coronafalle befreien – nach einer Denkpause zu Ostern. Dabei muss er wohl hinter irgendeinem Busch das Ei des Kolumbus gefunden haben. Denn plötzlich will der gefühlte Wackel-Kanzlerkandidat von Öffnung nichts mehr wissen. „Brücken-Lockdown“ steht jetzt auf Laschets Fahne.

Coronadeutschland ist um eine Posse reicher. Seit über einem Jahr tobt die Pandemie im Land. Sie hat Zehntausende Menschen das Leben gekostet, Unternehmer ruiniert – und die Verantwortlichen streiten immer noch, nach welchen Regeln die Krise bekämpft werden soll. Als ob sich das Virus zu Tode quatschen ließe. Das wäre ungefähr so, als würde die Feuerwehr vor dem brennenden Haus stehen und diskutieren, ob zuerst die Schläuche oder die Leiter ausgepackt werden. Oder vielleicht doch die belegten Brote zur Stärkung?

Armin Laschet steht nicht nur für die fatale Unentschlossenheit im ganzen Land, sondern auch für den Streit um Kompetenzen von Bund und Ländern. Bundesinnenminister Horst Seehofer und sein Parteikollege Markus Söder wollen dem Bund mehr Durchgriff verschaffen. Laschet nicht unbedingt. Und sein saarländischer Amtskollege Tobias Hans erklärt gleich sein ganzes Bundesland zum Modellprojekt für eine Öffnungsstrategie.

Das Chaos scheint kaum noch steigerbar. Kein Wunder, dass jetzt vor lauter kollektiver Verzweiflung erste Verklärungen längst vergangener Hochwasser-Helden die Runde machen. Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder hätten das sicher besser gemacht, unken manche – und nähren die naive Vorstellung von Supermännern in Gummistiefeln, die mit einem „Basta“ selbst Viren erlegen.

Die Realität ist freilich komplexer, und nicht mit der einen harten Hand beherrschbar. Da stellt sich die Frage, warum nicht längst die Einsetzung eines gemeinsamen ressortübergreifenden Krisenstabs von Bund und Ländern mit entsprechenden Durchgriffsrechten erwogen wird, wie es Exinnenminister Thomas de Maizière kürzlich vorschlug. Nach einer Verfassungsänderung könnte er das ineffektive Patchwork aus Coronakabinett, Lagezentren und Krisenstab von Innen- und Gesundheitsministerium ablösen. Damit wäre nicht auf einen Schlag alles besser, aber besser nachvollziehbar. Denn ein Land im Ausnahmezustand braucht Orientierung, keine Überraschungseier.

Mehr zum Thema: Selbst bei Corona gibt es für jede Weltanschauung eine passende Studie. Das vergiftet den Diskurs – und erschwert ein konsistentes Krisenmanagement.

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